
Knappes Pflanzgut, wachsender Markt: In der Schweizer Kartoffelproduktion ist Anpassungsfähigkeit gefragt
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Pflanzen reagieren ständig auf ihre Umgebung: Temperatur, Feuchtigkeit, Nährstoffe, Schädlinge – all das hinterlässt elektrische Spuren in ihrem Organismus. Bislang blieb diese Sprache ein Rätsel. Doch das Schweizer Start-up «Vivent Biosignals» mit Sitz in Gland im Kanton Waadt hat es geschafft, sie zu entschlüsseln – dank einer Technologie, die diese elektrophysiologischen Signale in Echtzeit analysiert.
Das Ziel? Landwirten ein Werkzeug an die Hand zu geben, um Wassermangel, Nährstoffdefizite oder Krankheitsausbrüche frühzeitig zu erkennen, um so die Bewässerung zu optimieren und die Erträge zu steigern.
Schon seit über einem Jahrhundert ist bekannt, dass Pflanzen elektrische Impulse als Reaktion auf ihre Umgebung aussenden – so wie alle lebenden Organismen. Doch bis vor Kurzem gab es keine zuverlässige Möglichkeit, diese Signale zu interpretieren.
«Vivent Biosignals», 2012 von Carrol Plummer und Nigel Wallbridge gegründet, hat diese Barriere überwunden, indem es hochempfindliche Sensoren mit künstlicher Intelligenz kombiniert. Konkret bedeutet das: Elektroden, die an der Pflanze angebracht werden, zeichnen kontinuierlich ihre elektrophysiologischen Signale auf. Gleichzeitig analysieren Machine-Learning-Algorithmen diese Daten, um wiederkehrende Muster zu identifizieren. Jede Art von Stress – Wassermangel, Nährstoffdefizit, Schädlingsbefall – erzeugt eine spezifische elektrische Signatur, welche die KI erlernt und klassifiziert.
«Unsere Sensoren ermöglichen es uns, zu hören, was die Pflanze empfindet – lange bevor sichtbare Symptome auftreten», erklärt Julien De Giorgi, Pflanzenbiologe bei «Vivent Biosignals».
Im Labor des Start-ups werden Experimente durchgeführt, um bestehende Algorithmen zu optimieren oder neue zu entwickeln. Während unseres Besuchs lief eine Studie, die darauf abzielte, das spezifische elektrische Signal eines Kalziummangels zu identifizieren.
Auf Steinwolle kultivierten Tomatenpflanzen erfassen Elektroden ihre bioelektrische Aktivität – ähnlich wie ein Elektrokardiogramm. Einem Teil der Pflanzen wurde absichtlich das Kalzium entzogen. Durch den Vergleich ihrer Signale mit denen gut versorgter Pflanzen identifizierten die Forschenden charakteristische Muster, die als verlässliche Marker für diesen Stress dienen.
Die Technologie von «Vivent Biosignals» bleibt nicht auf das Labor beschränkt. Sie wird bereits unter realen Bedingungen getestet – mit überzeugenden Ergebnissen. Ein Versuch wurde auf Heidelbeerplantagen durchgeführt, deren Früchte für das Parfumhaus Dior bestimmt sind. Zwei Parzellen wurden verglichen: eine, die konventionell anhand von Wetterprognosen und der Erfahrung der Agronomen bewässert wurde, und eine zweite, bei der die Bewässerung nur dann ausgelöst wurde, wenn die Pflanzen durch ihre elektrischen Signale einen tatsächlichen Bedarf signalisierten. Das Ergebnis? Sechsmal weniger Wasserverbrauch und ein Ertrag, der 1,5- bis 2-mal höher war auf der mit der Technologie von «Vivent Biosignals» ausgestatteten Fläche.
«Dieses Experiment zeigt, dass der Wasserbedarf nicht immer dem entspricht, was wir annehmen», betont Nigel Wallbridge, Mitgründer des Start-ups. «Indem wir uns direkt auf die elektrophysiologischen Signale der Pflanzen stützen, können wir die Bewässerung erheblich optimieren», erläutert er weiter.
Diese Technologie wird bereits von Landwirten, Saatgutherstellern und Forschungsinstituten in der Schweiz und weltweit genutzt.
Sie kann für verschiedene Kulturen eingesetzt werden – von Reben und Apfelbäumen über Mais bis hin zu Tomaten – und eignet sich sowohl für den Einsatz in Gewächshäusern als auch in grossflächigen Anbaugebieten. Produzentinnen und Produzenten nutzen sie, um die Bewässerung anzupassen, Nährstoffmängel vorzubeugen und den Einsatz von Betriebsmitteln zu optimieren. Saatguthersteller wiederum verwenden sie, um die Widerstandsfähigkeit verschiedener Sorten gegenüber klimatischen Bedingungen zu bewerten.
Neben dem Ressourcenmanagement erweist sich diese Technologie auch bei der Früherkennung von Pflanzenkrankheiten als wirksam. Während ein Landwirt ein Problem erst erkennt, wenn die Blätter vergilbt oder die Früchte befallen sind, kann das System von «Vivent Biosignals» Anomalien deutlich früher feststellen.
Auf Bananenplantagen auf den Philippinen wird die Technologie genutzt, um die ersten Anzeichen einer Fusarium-Infektion zu erkennen – eines schädlichen Pilzes, der ganze Ernten vernichten kann. «Das Ziel ist es, den genauen Moment zu identifizieren, in dem die Pflanze die Infektion zu spüren beginnt – lange bevor sichtbare Symptome auftreten», erklärt Pflanzenbiologe Julien De Giorgi.
«Vivent Biosignals» arbeitet zudem mit Forschungsinstituten zusammen, um die Wirkung von Biostimulanzien zu untersuchen – natürliche Lösungen, die die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegen Umweltstress erhöhen.
Auch wenn diese Technologie bereits für verschiedene Kulturen verfügbar ist, bleibt die Benutzerfreundlichkeit für Landwirte ein entscheidender Punkt. «Vivent Biosignals» hat das System so konzipiert, dass es sich problemlos in bestehende landwirtschaftliche Arbeitsabläufe integrieren lässt.
Die Installation der Sensoren erfordert keinen grossen Aufwand: Sie werden direkt am Pflanzenstiel befestigt, ohne dessen Wachstum zu beeinträchtigen. Einmal angebracht, funktionieren sie autonom und erfassen kontinuierlich elektrophysiologische Signale. Die Ergebnisse werden automatisch analysiert und in einfache Handlungsempfehlungen auf dem Computer oder Smartphone übersetzt.
«Der Landwirt muss kein Spezialist für Biosignale werden», versichert Nigel Wallbridge und ergänzt: «Die Idee ist, dass er auf einen Blick sieht, ob alles in Ordnung ist oder ob Handlungsbedarf besteht.»
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