Genfer Hightech-Salat
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Die Schweizer Zucker AG setzt je länger, je mehr nicht mehr einzig nur auf die Herstellung von Zucker aus Zuckerrüben: Im Juni 2022 hat das Unternehmen gemeinsam mit der Ethanollieferantin Alcosuisse eine neue Ethanolproduktionsanlage auf dem Areal der Zuckerfabrik in Aarberg in Betrieb genommen mit der aus einem Nebenprodukt der Zuckerproduktion Ethanol gewonnen wird. Mit der Gründung der Aarberg Food AG im Februar dieses Jahres betritt das Unternehmen nun erneut neues Terrain. Ziel der Kooperation mit dem Start-up Planetary ist es, mithilfe von sogenannter Präzisionsfermentation weitere innovative Produkte im Bereich der Lebensmittel, Kunststoffe und kosmetischen Mittel aus Zuckerrüben zu entwickeln und zu vermarkten.
«Wir von der Schweizer Zucker AG sind stets auf der Suche nach innovativen Verwendungszwecken für die Zuckerrübe – denn aus der Rübe lässt sich weit mehr als nur Zucker produzieren», erklärt Raphael Wild, Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG. «Im Zeitgeist der Nachhaltigkeit und damit auch der Suche nach Fleischersatzstoffen sind wir mit den Verantwortlichen von Planetary im Jahre 2022 zusammengekommen und haben über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen», ergänzt er weiter. Raphael Wild betont, dass die Berner Wirtschaftsförderung eine entscheidende Rolle gespielt habe, indem sie die ersten Kontakte vermittelte und den Standort in Aarberg als ideal erachtete.
«Ich komme aus der Lebensmittelindustrie und sah eine grosse Chance im Bereich der mikrobiellen Fermentation», sagt David Brandes, Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender von Planetary, einem Interview auf der Onlineplattform Commodity Conversations. So habe sein Start-up vor zweieinhalb Jahren die Schweizer Zucker AG angesprochen und seither ein Geschäftsmodell entwickelt, das für beide Seiten Anreize bieten soll.
Die Schweizer Zucker AG sieht in der Zusammenarbeit mit Planetary denn auch zahlreiche Vorteile. «Wir sind ein industrieller Standort mit einer guten Strom- und Dampfversorgung, wir können Kühl- und Brauchwasser bieten, haben eine eigene Abwasserreinigungsanlage, die auch Biogas erzeugt und wir haben Platz für zusätzliche Produktionsanlagen und können zuckerhaltige Rohstoffe liefern», erklärt Raphael Wild. Diese umfassende Infrastruktur ermöglicht es der Aarberg Food AG, kosteneffizient zu arbeiten und von den kurzen Lieferwegen zu profitieren.
Obwohl der Firmenzweck der Aarberg Food AG breit formuliert ist und auch die Herstellung von Kunststoffen und chemischen Stoffen umfasst, liegt der Schwerpunkt zunächst auf dem Foodbereich. «Es ist das Ziel, sich in der Startphase auf den Foodbereich zu konzentrieren und mikrobielles Protein herzustellen», erläutert Raphael Wild.
Ein zentrales Element der Produktion ist die Fermentation und dabei sollen eben Rohstoffe aus der Zuckerproduktion verwendet werden. «Mikroorganismen brauchen ein komplexes Nährmedium und der Extrakt aus der Zuckerrübe deckt da schon einiges ab – wir prüfen den Einsatz von Zucker, Dicksaft und Melasse», erklärt der Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG. Und im Interview auf der Commodity-Conversations-Plattform erklärt David Brandes von Planetary, dass zu Beginn nun Zucker und verwandte Nebenströme wie Melasse verwendet werden sollen, dass langfristig aber weitere Abfallströme genutzt werden sollen.
Die Erwartungen an das Projekt sind hoch. Bereits diesen Sommer soll die Pilotanlage in Betrieb gehen. Raphael Wild bestätigt, dass erste Tests bereits laufen: «Eine Pilotanlage in der Grössenordnung von mehreren hundert Litern läuft bereits und es werden Versuche mit potenziellen Abnehmern getätigt», erklärt er. Eine industrielle Anlage von mehreren 10’000 Litern sei ebenfalls in Planung und sollte noch dieses Jahr fertiggestellt werden und schrittweise in Betrieb gehen.
Die langfristigen Produktionsziele sind ehrgeizig. David Brandes spricht im Interview auf der Commodity-Conversations-Plattform von 10’000 bis 100’000 Tonnen «Zuckeräquivalenten» pro Jahr und Werk und Raphael Wild zeigt sich optimistisch, dass die Schweizer Zucker AG diese Mengen liefern kann. «Am Rohstoff sollte es nicht liegen, den können und werden wir liefern – wir produzieren pro Jahr über 200’000 Tonnen Zucker und 50’000 Tonnen Melasse», erklärt er und ergänzt: «Die erste industrielle Anlage für die Proteinproduktion wird eine Kapazität von mehreren tausend Tonnen Proteinkonzentrat haben.»
«Aerobe Fermentation ist der Stoffwechselprozess, bei dem Mikroben Zucker in Gegenwart von Sauerstoff in sogenannten Bioreaktoren verstoffwechseln», erklärt David Brandes den Prozess. «Die Mikroorganismen, die sich durch diesen Prozess vermehren, liefern entweder die gewünschten Inhaltsstoffe oder sind selbst der Inhaltsstoff, die dann in verschiedenen Lebensmittel- und Materialanwendungen verarbeitet werden», ergänzt der Planetary-Mitbegründer im Interview auf der Commodity-Conversations-Plattform weiter.
«Wir glauben an das Produkt», sagt Raphael Wild. «Natürlich sind Innovationen immer auch mit Risiken verbunden – wir schätzen diese aber als verantwortbar ein und sind überzeugt, dass wir mit unserem Partner Planetary hier eine weitere Verwendung der Zuckerrübe ‹erfinden› können», ergänzt er weiter. Und neben der Schweizer Zucker AG unterstützt auch der Kanton Bern das Projekt: Der Kanton ist für die Rahmenbedingungen zuständig, finanziert Machbarkeitsstudien und hilft bei den nötigen Bewilligungsprozessen für diese doch sehr innovativen Projekte und Produkte.
«Unsere erste Finanzierung kam von Risikokapital», erklärt David Brandes im Commodity-Conversations-Interview, «wir haben 8 Millionen Dollar in der Seed-Runde gesammelt – die grösste für Foodtech in der Schweiz.» Seitdem sei ein etwa gleicher Betrag hinzugekommen, einschliesslich der Unterstützung vom Kanton Bern und der Unterstützung der Schweizer Zucker AG in Form der ersten Anlageninstallation.
Mit der Gründung der Aarberg Food AG und der Entwicklung neuer biotechnologischer Verfahren zeigt die Schweizer Zucker AG, wie traditionelle Industrien durch Innovationen und Kooperationen zukunftsfähig bleiben können. Ob und wie das Projekt in Aarberg tatsächlich wegweisend für die gesamte Branche sein könnte und ob auch wirklich es neue Massstäbe in der nachhaltigen Lebensmittelproduktion setzt, bleibt abzuwarten.
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