Genfer Hightech-Salat
Bei Jeremy Blondin in Perly im Genfer Umland ist es ein bisschen wie im Silicon Valley. Der 30-jährige Gemüsebauer mit Rockgeist ist ein echter Technikfreak. Und sein Betrieb, Le Domaine des Mattines, ist ganz nach seinem Geschmack. Das Hors-Sol-Gemüse wächst in grossen Gewächshäusern, die mit Maschinen und Sensoren ausgestattet sind, die wiederum mit Computern und Smartphone-Apps verbunden sind. Alles kann ferngesteuert werden – vom Wasser- und Nährstoffbedarf der Pflanzen über die Temperatur bis hin zur Luftfeuchtigkeit.
In diesem Universum baut Jeremy Blondin vor allem Tomaten an, die bis zu vier Meter hoch klettern. Er produziert fast 1’000 Tonnen pro Jahr und mehr als zwanzig verschiedene Sorten. Doch neben den Tomaten beschäftigt diesen «Landwirt 4.0» ein weiteres ehrgeiziges Projekt: Hightech-Salate. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Start-up-Unternehmen CleanGreens Solutions aus Molondin im Kanton Waadt baut er Salate in einem experimentellen Gewächshaus mit dem Spitznamen «La Saladerie» mit der sogenannten Aeroponik-Methode an.
Vielversprechende Ergebnisse
In einem Versuchsraum wachsen die Salate auf geneigten Metallstrukturen in Form einer Toblerone, die ihnen als Stütze dienen. Unter diesen riesigen Tobleronen entwickeln sich die Wurzeln in der Luft – ohne Erde oder Substrat. Die Wurzeln werden mithilfe eines Roboters feucht gehalten, der unaufhörlich hin und her fährt und dabei eine Nährlösung versprüht. «Wir geben den Salaten genau das zu trinken und zu essen, was sie brauchen – jeder Wassertropfen, jeder Nährstoff ist genau dosiert, damit nichts verschwendet wird», erklärt der Gemüsebauer. «Darüber hinaus profitieren die Wurzeln von einer optimalen Sauerstoffversorgung, wodurch sie sich viel besser entwickeln können», ergänzt er.
Und diese Anbaumethode liefert bereits vielversprechende Ergebnisse: Die produzierten Salate sind voluminös, fest und haben eine schöne Textur. Ausserdem sind sie absolut sauber: «Da sie keinen Bodenkontakt haben, gibt es keine Erde oder sonstige Rückstände – die Salate sind nach einem einfachen Abspülen verzehrfertig», betont Jeremy Blondin. Das sei ein Vorteil für die Konsumentinnen und Konsumenten.
Herausforderungen, die es zu lösen gilt
Allerdings ist noch nicht alles perfekt: «Heute kostet die Produktion von aeroponischen Salaten etwas mehr als die von herkömmlichen Salaten und auf dem heutigen Markt ist es kaum möglich, sie zu monetarisieren», erklärt der Gemüsebauer und ergänzt: «Wir müssen also Wege finden, unsere Produktionskosten zu senken.»
Dazu gehört auch, Sorten zu finden, die für diese Art von Anbau am besten geeignet sind. «Jede Sorte reagiert anders, das erfordert viele Versuche», so Jeremy Blondin. Der Landwirt denkt auch darüber nach, wie er den Platz auf den Metallgestellen, auf denen die Salate wachsen, besser nutzen kann. «Das ist ein bisschen kompliziert, denn zwischen dem Zeitpunkt, an dem wir die Setzlinge einsetzen, und dem Zeitpunkt, an dem wir den Salat ernten, brauchen die Salate nicht gleich viel Platz», erklärt er.
Ein weiterer Wermutstropfen ist, dass diese Technologie viel Energie benötigt, insbesondere um die Nebelsysteme und die Beleuchtung im Winter zu betreiben. «Das ist ein Schwachpunkt, aber wir arbeiten an Lösungen», erklärt der Gemüsebauer weiter. Er plant unter anderem die Installation von Photovoltaikanlagen auf seinen Gewächshäusern und erwägt die Möglichkeit, die Abwärme der umliegenden Industriebetriebe zu nutzen.
Ein Modell für die Landwirtschaft von morgen
Für Jeremy Blondin ist der Anbau seiner Hightech-Salate nicht nur eine technologische Meisterleistung, sondern eine echte Antwort auf die wachsenden Anforderungen der modernen Landwirtschaft. «Wir müssen mit weniger immer mehr und besser produzieren – weniger Wasser, weniger landwirtschaftliche Fläche, weniger Input», erklärt er. «Die Aeroponik ermöglicht es, jeden Quadratmeter zu optimieren und gleichzeitig die Umwelt zu schonen und ausserdem ist im Gegensatz zum Freilandanbau, bei dem die natürlichen Bedingungen unvorhersehbar sind, beim Aeroponik-Anbau alles kontrolliert», erläutert Jeremy Blondin weiter. «In der Domaine des Mattines verwenden wir zudem so gut wie keine Pflanzenschutzmittel – stattdessen arbeiten wir mit Nützlingen wie Hummeln oder Macrolophus», so der Gemüsebauer. Auch das Wassermanagement ist optimiert, dank eines geschlossenen Kreislaufs, der jeden Tropfen auffängt und wiederverwertet.
Die Arbeit im Gewächshaus hat auch Vorteile für den Menschen. «Man arbeitet unter optimalen Bedingungen – im Stehen und geschützt vor Kälte und Regen», erklärt Jeremy Blondin. Das trage zur Mitarbeiterbindung bei und verbessere ihre Lebensqualität. Für Jeremy Blondin ist es denn auch wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Frage der Ökologie ist, sondern auch auf wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen basiert. «Wir müssen unsere Praktiken so gestalten, dass sie für uns, unsere Mitarbeiter und den Planeten nachhaltig sind», ist er überzeugt.
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