Der Bund hat die Biodiversitätswirkungen der Agrarpolitik untersucht

Der Bund liess überprüfen, ob sich Subventionen negativ auf die Biodiversität auswirken. Im Fokus standen auch vier agrarpolitische Instrumente. Mit gezielten Massnahmen sollen nun Verbesserungen erwirkt werden. Grundsätzlich zeigen sich aber keine grösseren, biodiversitätsschädlichen Wirkungen.
Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024
von Jonas Ingold
4 Minuten Lesedauer
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Im Jahr 2022 hatte sich die Schweiz im Rahmen des globalen Biodiversitätsrahmenwerks dazu verpflichtet, biodiversitätsschädigende Subventionen abzuschaffen oder, falls möglich, umzugestalten. Der Bundesrat erteilte deshalb den Auftrag, solche Subventionen bezüglich ihrer Biodiversitätswirkung zu überprüfen. Vier der überprüften Elemente sind agrarpolitische Instrumente:

  • Grenzschutz für landwirtschaftliche Produkte
  • Versorgungssicherheitsbeiträge
  • Strukturverbesserungsbeiträge
  • Absatzförderung für Fleisch, Milch und Eier

Versorgungssicherheitsbeiträge: Kaum Auswirkungen

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) erteilte daraufhin der Forschungsanstalt Agroscope den Auftrag, die Versorgungssicherheitsbeiträge und den Grenzschutz unter die Lupe zu nehmen.

Agroscope kommt zum Schluss, dass eine Abschaffung der Versorgungssicherheitsbeiträge zwar eine deutliche Zunahme der Acker-Biodiversitätsförderflächen zur Folge hätte, jedoch kaum im Bereich Grasland. Zudem wäre in einer Situation ohne Versorgungssicherheitsbeiträge die Intensität der genutzten Ackerfläche grösser, weil die Marktleistung der Kulturen bedeutender würde.

Auf die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche hochgerechnet ergäbe sich ohne Versorgungssicherheitsbeiträge nur eine sehr leichte Verbesserung der gesamten Biodiversität, schreibt Agroscope. Aufgrund der nur sehr geringen Auswirkungen sollen an den Beiträgen, die im Jahr 2023 eine Höhe von 952 Millionen Franken hatten, keine Anpassungen vorgenommen werden.

Grenzschutz: Grösste Auswirkungen, aber...

Die grössten Auswirkungen auf die Biodiversität von allen untersuchten agrarpolitischen Instrumenten hat der Grenzschutz. Gemäss Agroscope läge die Fläche der Grasland-Biodiversitätsförderflächen (BFF) um 48% höher als aktuell, jene der Acker-BFF um 49%. Es gäbe insgesamt weniger Ackerflächen und weniger Schweine-, Mastpoulet- und Mastrinderbestände. Das Artenverlustpotenzial liegt mit Grenzschutz in der Schweiz um 13% höher als ohne. Denn ohne Grenzschutz würde schlicht weniger im Inland produziert.

Aber da die Bevölkerung dennoch essen will, gäbe es dementsprechend mehr Importe von Lebensmitteln, die im Ausland mehr Fläche benötigen. Agroscope kommt zum Schluss, dass das Artenverlustpotenzial im Ausland aufgrund des Grenzschutzes um 28% tiefer liegt als in einer Situation ohne Schweizer Grenzschutz. Das Artenverlustpotenzial liegt also ohne Grenzschutz gesamthaft höher als mit Grenzschutz. Die Importe kommen laut Agroscope oft aus Ländern, die ein empfindlicheres Ökosystem als die Schweiz aufweisen.

Dennoch soll die Produktion in der Schweiz optimiert werden, dies im Rahmen der Agrarpolitik 2030+. Gemäss Bundesamt für Landwirtschaft könnte dies über die finanzielle Förderung der Biodiversitätsberatung und über die Förderung und Entwicklung von digitalen Tools zur gesamtbetrieblichen Optimierung geschehen. Mit diesen könnten die Landwirtinnen und Landwirte ihre Leistungen besser ausweisen, neue Potenziale zur Biodiversitätsförderung erkennen und Massnahmen umsetzen.

Strukturverbesserungen: Anreizsystem wird überprüft

Die Evaluation bei den Strukturverbesserungsmassnahmen wurde von Ecoconcept und der agrar- und regionalwirtschaftlichen Beratung Flury & Giuliani durchgeführt. Insgesamt lasse sich festhalten, dass durch die Massnahmen im Bereich Wegebau, Wiesenbewässerung, Gesamtmeliorationen und Ökonomiegebäude die Biodiversität tendenziell nicht gefördert werde, diese allerdings auch nicht generell negativ beeinflusst werde, heisst es im Schlussbericht. Allfälligen negativen Wirkungen könnte aber mit verpflichtenden ökologischen Ausgleichsmassnahmen künftig noch besser entgegengewirkt werden.

Im Bereich Hochbau sieht das BLW keine Optimierungsvorschläge vor, die Umweltmassnahmen sollen aber kontinuierlich überprüft werden. Im Tiefbau-Bereich soll unter anderem das Anreizsystem für freiwillige ökologische Massnahmen überprüft und allenfalls umgestaltet werden. Auch die Erarbeitung von technischen Standardlösungen für biodiversitätsschonende Bauweisen steht auf dem Programm.

Absatzförderung: Nicht quantifizierbar

Die Absatzförderung des Bundes für Fleisch, Milch und Eier wurde von der Berner Fachhochschule HAFL und Ecoplan untersucht. Grobe Schätzungen zeigen, dass die Absatzförderung des Bundes für tierische Produkte etwa 10 bis 20% der Marketing-Kommunikationsmassnahmen der entsprechenden Massnahmen des Detailhandels ausmacht. Mit den für die Studie erstellten Konsumszenarien kann laut Bericht keine Aussage zu der für die Biodiversität entscheidenden Landnutzung und Bewirtschaftungsintensität gemacht werden.

Die Evaluation habe zwar gezeigt, dass die Wirkung der Absatzförderung auf die Biodiversität tendenziell negativ, aber nicht quantifizierbar sei. Gemäss Bundesamt für Landwirtschaft bewirkt die Absatzförderung eher eine Substitution ausländischer Produkte als eine Zunahme des Konsums. Aufgrund der Ergebnisse sieht das BLW keinen Handlungsbedarf in diesem Bereich.