
SMP fordert Weichenstellung für Agrarpolitik 2030 – US-Zölle setzen Käseexporte unter Druck
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Der Hof Rinderbrunnen im Zürcher Oberland wirkt auf den ersten Blick sehr idyllisch: vielfältige Kulturen, Tiere, ein engagiertes Team. Und der Hof zeigt, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen könnte – vielfältig, ökologisch und gemeinschaftlich geführt. Doch hinter dem Idyll verbirgt sich ein harter Alltag, denn das Beispiel des Hofs zeigt auch, wie schwer es ist, von nachhaltiger Landwirtschaft zu leben.
Im Rahmen eines Medienanlasses der Stiftung Biovision wurde auf dem Hof Rinderbrunnen über die Agrarpolitik 2030+ diskutiert. Die zentrale Frage: Warum ist eine ökologische, sozial gerechte und wirtschaftlich tragfähige Landwirtschaft politisch so schwer durchzusetzen?
Das Modell Rinderbrunnen ist ein Versuch, Verantwortung und Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. Jeder Betriebszweig – ob Ackerbau, Gemüse, Tierhaltung oder Blumenfeld – wird eigenverantwortlich geführt. Die Einnahmen werden nach Abzug der Direktkosten als Lohn aufgeteilt. «Wir sind ein Experiment», erklärte Betriebseigentümerin Judith Frei und ergänzte: «Wir haben uns gesagt, wir probieren das, wohlwissend, dass es strukturell sehr schwierig ist.»
Tatsächlich herrsche in der Landwirtschaft nach wie vor das Bild des einzelnen Betriebsleiters vor – in der Regel noch unterstützt durch die Bäuerin. «Und beide mit je einem Pensum über 100 Prozent und niedriger Abgeltung für die Arbeit», führte Ständerätin und Biobäuerin Maya Graf aus. Ein Modell wie auf dem Hof Rinderbrunnen biete die Möglichkeit, sich die Arbeit aufzuteilen. «Vielleicht ist das die Zukunft – sicher ist, dass wir uns von diesen starren Bildern in der Landwirtschaft lösen müssen», so Maya Graf weiter.
Die Schweiz steht vor der Herausforderung, ihr Agrar- und Ernährungssystem tiefgreifend zu verändern. Die von der Stiftung Biovision in Auftrag gegebene ATES-Studie «Förderung agrarökologischer Prinzipien im Schweizer Agrar- und Ernährungssystem» zeigt: Eine zukunftsfähige Landwirtschaft basiert auf Vielfalt, Resilienz und einer engeren Verbindung zwischen Produzierenden und Konsumierenden. Besonders wichtig ist laut Studie ein Systemwechsel, der über punktuelle Reformen hinausgeht.
Fünf Handlungsfelder wurden als zentral identifiziert – von Bildungsinitiativen über gezielte Fördermassnahmen bis hin zur Reform des Konsumverhaltens. Beispielsweise brauche es neue Narrative über Landwirtschaft, mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette und stärkere finanzielle Unterstützung für Betriebe, die bereits heute innovativ und nachhaltig wirtschaften.
Die Studie plädiert für einen Paradigmenwechsel: Agrarökologie soll nicht nur als Methode, sondern als politisches und gesellschaftliches Leitbild dienen. Dazu braucht es laut Studie eine aktive Rolle der Politik, aber auch neue Kooperationen zwischen Wissenschaft, Praxis und Bevölkerung. Nur so lasse sich ein Ernährungssystem schaffen, das im Einklang mit ökologischen Grenzen, sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Tragfähigkeit steht.
Der Alltag auf dem Hof zeigt aber auch, wie schwierig ein solches Modell ist: Teilzeitpensen sind die Regel, einige Mitarbeitende wohnen extern, müssen Mieten zahlen – von einem Lohn, der bei den meisten alleine kaum für den Lebensunterhalt reicht. «Man kann aus einem kreativen Hof wie diesem nicht für drei oder vier Personen je eine Monatsmiete von 2’500 Franken erwirtschaften – das ist aktuell in der Landwirtschaft unmöglich», so Christian Schmutz vom Hofteam.
Ausserdem steht das Raumplanungsgesetz im Weg: «Obwohl viele Höfe in der Regel mehr Platz bieten würden, dürfen heute ein bis maximal zwei Wohnungen bewilligt werden», kritisierte er. «Ich hoffe, dass Projekte wie unseres mittelfristig den Weg ebnen, dass auf einem Landwirtschaftsbetrieb mehr Leuten Wohnraum geboten werden kann – da sind die Raumplanungsämter in Zukunft gefordert», meinte Christian Schmutz weiter.
So braucht eine nachhaltige Landwirtschaft nicht nur ökologische Innovation, sondern auch soziale Absicherung. «Wir müssen Strukturen schaffen, in denen man von der Arbeit auf dem Hof auch leben kann – auch im Team», bestätigte Maya Graf.
Die fehlende Rentabilität trifft aber nicht nur Biobetriebe. Auch konventionelle Höfe kämpfen mit tiefen Lebensmittelpreisen und fehlenden Perspektiven. «Die Lebensmittelpreise sind viel zu billig für das, was an Arbeit dahintersteckt», bekräftige auch Maya Graf. «Dann sind wir wieder bei einem altbekannten Thema: möglichst viel zu produzieren, um auf einen höheren wirtschaftlichen Gewinn zu kommen, damit man überhaupt von der Arbeit in der Landwirtschaft leben kann – und das ist einfach der falsche Ansatz», plädierte sie weiter.
Ein Beispiel für wirtschaftliche Windmühlen: Der Anbau von Linsen. Der Bund empfiehlt mehr Hülsenfrüchte zu essen – aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen. Aber wer Linsen in der Schweiz anbaut, tut dies gegen die wirtschaftliche Logik. «Die Infrastruktur fehlt, die Sammelstellen können sie nicht trocknen, die Verarbeitung ist aufwändig», erklärte Anders Gautschi, Geschäftsführer von Biovision. «Und der Einzelkulturbeitrag reicht nicht aus, um den Anbau wirtschaftlich attraktiv zu machen», ergänzte er.
«Leuchttürme wie der Hof Rinderbrunnen existieren nicht wegen, sondern trotz der Rahmenbedingungen», so Anders Gautschi.
Dabei gäbe es Lösungen. Die Agrarpolitik 2030+ könnte eine Wende einleiten. «Allerdings gibt es einen Rückwärtsgang in der Politik», kritisiert Maya Graf. «Ökologie und Produktion gegeneinander auszuspielen ist nicht zukunftsfähig – Brot und Blumen gehören zusammen», plädiert sie.
Dass die Politik mehr an einem Strick und in die gleiche Richtung zieht, das wünscht sich auch Christian Schmutz vom Hofteam: «Ich wünsche mir, dass die Politik Lösungen findet und Möglichkeiten schafft, bei denen alle mitmachen, damit wir als gesamte Landwirtschaft funktionieren und den Nachhaltigkeitspfad – und zwar ökologisch, wirtschaftlich und sozial – konsequent beschreiten können.»
Dazu gehört laut Stephan Gysi vom Rinderbrunnen-Hofteam auch eine Vereinfachung im Bereich der finanziellen Unterstützung für innovative Projekte. Fördermittel für entsprechende Projekte würden oft an bürokratischen Hürden scheitern. «Es gibt zwar viele Fördertöpfe – die haben in der Regel aber enorm rigide Richtlinien und Kriterien, die man erfüllen muss, damit man finanzierungsfähig wird und die Anträge sind immer hochkomplex», erklärte er. So würde Innovation von Bürokratie ausgebremst. «Da würde ich mir mehr niederschwellige Finanzierungsmöglichkeiten wünschen – ohne 7’000 Richtlinien, die man erfüllen muss», so Stephan Gysi.
Und auch Luzia Götz, die auf dem Hof Rinderbrunnen unter anderem für den Gemüsebau verantwortlich ist, hat klare Forderungen an die Politik und die Gesellschaft: «Ich würde mir wünschen, dass man das Augenmerk mehr auf Qualität und nicht auf Masse legen würde», sagte sie. Der Anspruch, Schweizerinnen und Schweizer müssten günstige Lebensmittel haben, sei daneben. So brauche es unter anderem einen besseren Lebensmittelpreis. «Unser Essen macht nur noch 6 Prozent des Warenkorbs aus – das ist absurd», so die junge Frau. Wenn das Produkt und die Arbeit wieder über den Preis wertgeschätzt würden, dann würde die Landwirtschaft auch wieder ein attraktiver Arbeitsort werden, meinte Luzia Götz überzeugt: «Es ist ein schöner Beruf, aber wenn man davon nicht leben kann, bleibt man nicht in der Landwirtschaft oder fängt gar nicht erst an.»
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