Lebensraum Hecke: Wie grüne Bänder die Artenvielfalt stärken
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«Ist der Notstand in der Biodiversität überhaupt bei der Bevölkerung angekommen?», sagt Thomas Baumann auf seinem Bauernhof Galegge zu Martin Bossard, Leiter Politik bei Bio Suisse. «Manchmal erinnert es mich etwas an den Klimawandel, den man auch lange in Abrede gestellt hat.» Bossard verweist auf die Rio-Konvention von 1992, die das Problem bereits erkannt hat, so das schon vor 30 Jahren Massnahmen ergriffen wurden, die letztlich in den Jahren 2011 und 2012 zu gesetzlichen Grundlagen geführt haben.
In Kürze startet sie hier die Medienkonferenz der Agrarallianz, die weder eine Empfehlung für ein Ja, noch eine für ein Nein geben will in der Frage zur Biodiversitätsinitiative vom 18. September. Der Weg ist ein anderer, wie Rebecca Knoth-Letsch, Geschäftsführerin der Agrarallianz, erklärt: «Wir haben eine klare Meinung, wie man Biodiversität fördern soll und sind der Ansicht, dass weder der ökologische Leistungsnachweis (ÖLN) noch Direktzahlungen an jene, die Biodiversität fördern, genügt.» Der Handlungsbedarf ist für sie unbestritten, ohne Biodiversität keine Landwirtschaft. Die Biodiversitätsförderung und Lebensmittelproduktion müsse Hand in Hand gehen.
Biodiversität, so die Meinung der Agrarallianz, ist nicht das Ende, sondern die Zukunft der Landwirtschaft. Wie dringlich der Handlungsbedarf derzeit ist, zeigt Lukas Pfiffner, Agronom, und Themenleiter Agrarökologie und Biodiversität am Forschungsinstitut für biologische Landwirtschaft (FiBL) auf.
Aus wissenschaftlicher Sicht sei der enorme Biodiversitätsverlust unbestritten, die Insektenbiomasse sei in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen, mit Gegenmassnahmen sei die Schweiz gegenüber dem Ausland ins Hintertreffen geraten. Es gehe dabei um mehr als bloss um Artenvielfalt. «Funktionale Biodiversität ist ein ganz wichtiger Ansatz, wichtige Tiergruppen müssen funktionell so zusammenspielen, dass ein Gleichgewicht zwischen Bestäubern und Schädlingen entstehen kann.»
Der Landwirt Thomas Baumann, selbst auch politisch in der Gemeinde aktiv, hat Biodiversität in sein Betriebskonzept integriert. «Biodiversität», so betont er gleich zu Beginn, «hat sehr viel mit Freude zu tun und bringt erst noch ein gutes Einkommen.» Für ihn ist es so lang wie breit, ob er für seinen 40 Hektaren grossen Betrieb mit einem Detailhändler oder mit dem Bund als Partner einen Vertrag abschliesst.
Der Bund mit seinen Direktzahlungen sei der Partner, der besser zur Existenzsicherung beitrage. Denn sei der erst mal gewonnen, halte dieser den achtjährigen Vertrag ein und das Einkommen fliesse zuverlässig. Beim Detailhändler riskiere er, dass eine Lieferung nicht ganz konformer Karotten zurückgeschickt werde.
In vier Zweige teilt Thomas Baumann seinen Betrieb ein und führt für jeden Zweig eine separate Buchhaltung. So hat er zum einen eine Milchgeissenhaltung mit 20 Geissen, für die Käseproduktion kauft er jeweils die Milch von 60 Geissen zu. Dann unterhält er Gemüsebau, Ackerbau sowie die Landschaftspflege mit Biodiversitätsflächen. Insgesamt sind 60 Prozent seiner bewirtschafteten Flächen Biodiversitätsflachen, inklusive des Fischteichs, in dem er Karpfen, die Schweine des Wassers hält, weil sie alles fressen und so zur Landwirtschaft passen. Sofern man das mit den Gräten in den Griff bekommt bei diesem Fisch.
«Gemäss Buchhaltung ist die Biodiversität der wirtschaftlich erfolgreichste Betriebszweig seit Jahren», betont er. «Das steht stark im Widerspruch zur Haltung von Kollegen, die das als unwirtschaftlich ablehnen.»
Kurzerhand lädt Baumann die Gäste der Medienkonferenz zur Rundfahrt auf seinem Traktor mit Anhänger ein. Auf der rumpeligen Fahrt geht es im Feld draussen an einer 50-Aren-Brache vorbei, wo er ein Förderprojekt für die Kreuzkröten betreibt. Die Amphibien, die nicht hüpfen können, brauchen besondere Bedingungen, um sich fortbewegen zu können. Dafür sorgen drei Schweine, die den Boden lockern und umpflügen.
Als 20-Kilogrammfärli hat er diese bei sich aufgenommen, nun wachsen sie zu 120 Kilogramm schweren Sauen heran. Im Herbst sollen sie geschlachtet werden. Eigentlich, so meint er, müsste er auf 50 Aren rund 50 Schweine halten. Freude bereitet ihm auch das Trio. Die Schweine packen instinktiv ihr natürliches Verhalten aus mitsamt Suhlen oder Nestbau.
Thomas Baumann macht keinen Hehl daraus, dass er einen Riesenspass daran hat, die Landschaft zu gestalten. Er betont, dass Biodiversität ein Knochenjob ist, man genau wissen muss, wie man das Land so bewirtschaftet, dass der Einsatz der Mittel und Kräfte so erfolgt, dass das Ziel auf gewinnbringende Art zu erreichen ist. Dazu gehört, dass in mühseliger Handarbeit Unkraut entfernt werden muss. Mit den Jahren hat er gelernt, dass die Bevölkerung von Suhr seinen Betrieb mit all seinen Ecken und Kanten lieben gelernt hat. Es geht so weit, dass sogar vereinzelt welche in seinem Karpfenteich baden.
Einen ganz anderen Betrieb trifft die Journalistendelegation in Hallwil am Hallwilersee auf dem Haldenhof an. Hier bewirtschaftet Kurt Brunner einen Betrieb, der nach Demeter-Standards produziert. Dies aber kaum erwähnt. Im Gegensatz zu Thomas Baumann, der Biodiversität als Geschäftszweig betreibt, denkt Kurt Brunner Biodiversität integral. Wie Thomas Baumann will Kurt Brunner möglichst viel produzieren, also wirklich ein einträgliches Geschäft betreiben.
In einem weiteren Punkt gibt es Übereinstimmungen zwischen den beiden Landwirtschaftsbetrieben. Nur setzt Brunner dabei ausschliesslich auf Direktvertrieb und lässt Geschäftspartner wie Landi oder abnehmende Detailhändler aussen vor. Leisten konnte er sich das dank eines Investors, der ihm die Realisation des Wunschbetriebs ermöglicht hat. Auf 37 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche bewirtschaftet er 20 Hektaren offene Ackerfläche, hält Schweine und Hühner, bewirtschaftet 4,5 ha Biodiversitätsförderflächen (BFF) und unterhält 170 Hochstammobstbäume.
Kurt Brunner steht sehr auf eigenen Füssen. Das Teuerste war die eigene Käserei, doch macht er selbst auf kleiner Flamme auch Haferflocken oder presst im Winter Sonnenblumenöl. Kurt Brunner sagt: «Die Landwirtschaftspolitik ist mir egal. Was ich betreibe, ist Ernährungspolitik. Wir suchen den Direktkontakt mit den Kunden, nur direkt kann man sie mit unseren Argumenten erreichen.»
Aus Sicht von Rebecca Knoth Letsch sind beide Betriebe mögliche Modelle für eine Landwirtschaft, die viel biodiverser betrieben werden kann als die konventionelle Landwirtschaft. Weder der eine noch der andere Betrieb habe da ein Paraderezept. Ihr geht es darum, den Leuten die Augen zu öffnen.
Lukas Pfiffner, Agronom und Themenleiter Agrarökologie und Biodiversität am FiBL, zieht eine ernüchternde Bilanz über den Stand der Biodiversität in der Schweiz. Allein Deutschland ziele auf 37 Prozent Biodiversitätsförderfläche auf ihrem Landwirtschaftsland ab. Er zitiert eine Reihe von anerkannten Studien, die in intensiv genutzten Landwirtschaftszonen einen Verlust bis zu 80 Prozent der Insektenbiomasse über einen Zeitraum von rund drei Jahrzehnten festgestellt haben. Die Gründe für diese Entwicklung:
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