Überraschung auf den Feldern: Reis statt Karotten

Schweizer Nassreis ist gefragt. Die Brüder Guillod konnten ihre Ernte von rund 30 Tonnen letztes Jahr restlos verkaufen. Neben dem wirtschaftlichen Erfolg, sorgt der Nassreisanbau auch für einen Biodiversitätsanstieg.
Zuletzt aktualisiert am 30. August 2024
Libellen Reis Jin

Das Interesse ist riesig, als ein Tross internationaler Agrarjournalisten Mitte August auf den Feldern zwischen Mont Vully und Neuenburgersee eintrifft. Auf den Feldern wachsen nicht, wie man es von der Gegend her vermuten könnte, Karotten oder Getreide, sondern Nassreis. Dass Nassreisanbau in der Schweiz existiert, vermuteten die internationalen Gäste vor ihrer Reise nicht, hörte man im Tenor. Tatsächlich ist es auch für Schweizerinnen und Schweizer nicht üblich, auf dem Spaziergang an einem Nassreis-Feld vorbeizukommen. Es handelt sich um eine Nische. Eine Nische aber, die sowohl wirtschaftlich interessant als auch gewinnbringend für die Biodiversität ist.

Die Brüder Guillod: Von Gemüsebau zu Nassreis

Die Brüder Léandre und Maxime Guillod stammen aus einer Gemüsegärtnerfamilie. Den Gemüsebau betreiben sie auch heute noch, aber mit dem Reisanbau haben sie ein neues Standbein gefunden. 11 Hektaren beträgt die Anbaufläche im Vully-Gebiet beim Broye-Kanal sowie im bernischen Seeland in Kappelen. Die Brüder vermarkten den Vully-Reis als «Riz du Vully», jenen aus Kappelen als «Aare-Reis». Dahinter liegen marketingtechnische Überlegungen, der Begriff Aare zieht in der Deutschschweiz besser als Vully, wie Léandre Guillod erklärt.

Jasminreis Vully Jin

Technologie und Biodiversität als Inspiration

Auf den Reisanbau gekommen sind die Brüder u. a. durch einen technischen Aspekt. Sie betreiben nämlich auch ein Unternehmen für Präzisionsnivellierung, die u. a. im Gemüsebau zum Einsatz kommt. Einen komplett ebenen Boden braucht es auch beim Reisanbau. Auf die Idee gebracht, das mit Reis zu kombinieren, sind Guillods durch die Forschungsanstalt Agroscope. Das Forschungsinstitut verfolgte den Ansatz, Kulturen anzubauen, die mit Staunässe umgehen können und gleichzeitig neue Feuchtflächen zu schaffen, die sowohl die Biodiversität fördern als auch produktiv sind.

Ökologische Vorteile: Frösche, Libellen und keine Mückenplage

Das funktioniert, wie man auf den Reisfeldern am Vully-Fuss sieht. Beim Rundgang ums Nassreis-Feld sind zahlreiche Frösche sichtbar, die rasch ins Wasser hüpfen. Rund 50 Meter später taucht der Albtraum der Frösche auf, eine Ringelnatter verschwindet aufgeschreckt durch die Gäste in den Schutz des Reises. «Was halten denn die Nachbarn von der Mückenplage, die durch die feuchte Fläche entsteht?», fragt ein deutscher Agrarjournalist. Guillod kennt die Frage und die Antwort: Es gibt keine Mückenplage. Der Grund sind die wohl tausenden Libellen, die im und über dem Reisfeld unterwegs sind. Eine Libellenlarve frisst nämlich pro Tag bis zu 100 Mückenlarven. Eine Untersuchung habe gezeigt, dass in den Reisfeldern mehr Libellen als in den nahen Naturschutzgebieten leben.

Frösche Reis Jin

Wasserpflanzen können herausfordernd sein

Unkrautprobleme hatten Guillods bisher kaum, denn der Reis wird als Setzling bereits ins Wasser gesetzt. «Das Wasser darf nicht zu hoch stehen, sonst schwimmen die Setzlinge weg», sagt Guillod (einen detaillierten Artikel zum Setzen des Reises in Kappelen findest du hier). Pflanzenschutzmittel setzen Guillods beim Reis keine ein. Sorgen bereiten Léandre Guillod aktuell einzig einige Wasserpflanzen, die sich zwischen dem Reis angesiedelt haben. «Einige der Pflanzen sind zwar selten und wären für die Biodiversität wertvoll», sagt er. «Aber wir wollen Reis produzieren und die Konkurrenz durch andere Pflanzen passt da nicht dazu.»

Bisher produzierten Guillods immer auf denselben Flächen, Bodenkrankheiten traten wegen der dauernden Überflutung nicht auf. Allerdings sei es möglich, dass die Flächen nach ein paar Jahren verlegt werden müssen, wenn sich die konkurrierenden Wasserpflanzen zu stark etabliert hätten, erklärt er. Aktuell wächst der Reis noch bestens und strahlt gesund von der Feuchtfläche.

30 Tonnen problemlos abgesetzt

Geerntet wird ab September. Rund 30 Tonnen Reis gab es letztes Jahr. «Alles ausverkauft», sagt Léandre Guillod nicht ohne Stolz. Dieses Jahr ist die Anbaufläche noch um 2 Hektaren höher. Bis zu 50 Tonnen Produktion wären möglich, meint der Nassreis-Pionier. Eine noch grössere Menge würde die aktuellen Kapazitäten des Betriebs überschreiten.

Reis IFAJ HJ Jaeger

Internationaler Agrarjournalistenkongress

Der Besuch auf den Reisfeldern fand im Rahmen des Internationalen Agrarjournalistenkongresses 2024 in Interlaken statt. Gut 200 Agrarjournalistinnen und -journalisten aus 33 Ländern nahmen teil. Alle Infos findest du unter www.ifaj2024.ch