Schweizer Pflichtlagerhaltung: Stabilisierung und Zukunftssicherung in Krisenzeiten

Die Pflichtlagerhaltung sichert in der Schweiz wichtige Güter wie Getreide und Zucker. Zuletzt war die Pflichtlagerhaltung aber von grossen Herausforderungen geprägt und so betont die Réservesuisse Genossenschaft die Notwendigkeit von Massnahmen zur Stabilisierung der Fondsfinanzierung, um die Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten.
Zuletzt aktualisiert am 19. Juni 2024
von Renate Hodel
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Die Pflichtlagerhaltung ist ein essentieller Bestandteil der Schweizer Versorgungssicherheit. Insbesondere in Krisenzeiten sorgt sie dafür, dass wichtige Güter wie Getreide, Zucker, Kaffee, Reis, Speiseöle und Futtermittel verfügbar bleiben.

Michael Weber, Präsident der Genossenschaft Réservesuisse, die unter anderem für die systematische Lagerhaltung von Nahrungs- und Futtermittel zuständig ist und die Pflichtlagerbestände kontrolliert, betonte anlässlich der 21. ordentlichen Generalversammlung letzte Woche in Bern, dass das Geschäftsjahr 2023 von einer Vielzahl globaler und nationaler Herausforderungen geprägt war. «Trotz politischer und wirtschaftlicher Turbulenzen, darunter der andauernde Konflikt in der Ukraine sowie der wieder aufgeflammte Nahostkonflikt, normalisierten sich die Logistikketten und die Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe sanken im Vergleich zu 2022», sagte Michael Weber. Er warnte jedoch, dass die Logistikketten und Beschaffungsmärkte insgesamt fragil bleiben.

Herausforderungen und Entwicklungen in der Warenfondsverwaltung

Michael Weber hob aber auch die positive Entwicklung einiger Warengruppen hervor: «Die Warengruppen Reis, Kaffee sowie Speiseöle und -fette entwickelten sich positiv.» Hingegen verzeichneten die Warengruppen Getreide und Zucker im Jahr 2023 negative Ergebnisse.

Ein entscheidender Indikator für die finanzielle Lage eines Warenfonds ist die Zeitspanne, die ohne weitere Einnahmen überbrückt werden kann. Für jede Warengruppe existiert eine Mindestreichweite, ausgedrückt in Monaten. Beispielsweise muss der Getreidefonds eine Überbrückungszeit von 12 Monaten sicherstellen. Diese Mindestreichweite ist essentiell, um in Krisenzeiten die Versorgung sicherzustellen.

Die Finanzierung der Pflichtlagerhaltung ist jedoch komplex und von vielen Faktoren abhängig. Schwankende Weltmarktpreise und unterschiedliche nationale Produktionsmengen beeinflussen die Höhe der Garantiefondsbeiträge. Besonders in den letzten Jahren haben globale Ereignisse wie der Konflikt in der Ukraine gezeigt, wie volatil die Einnahmen der Garantiefonds sein können. So wies Michael Weber auf die Notwendigkeit dringender Massnahmen zur langfristigen Sicherung der Finanzierung des Getreide- und Zuckerfonds hin. «Hier sind sowohl die Unternehmen gemeinsam mit der Geschäftsstelle als auch die Bundesverwaltung gefordert, ihren Beitrag zu leisten», sagte er. Im Jahr 2023 führte die Réservesuisse hierzu einen intensiven Dialog mit den involvierten Akteuren.

Garantiefondsfinanzierung

Die Finanzierung der Pflichtlagerhaltung in der Schweiz basiert auf einem System, bei dem die Einfuhrbeiträge der entsprechenden Warengruppen in spezielle Garantiefonds fliessen. Diese Fonds werden bei der Einfuhr unverarbeiteter Produkte wie Getreide, Futtermittel, Kaffee, Reis, Speiseöle und Zucker durch den sogenannten Garantiefondsbeitrag alimentiert. Exportiert ein Unternehmen diese Produkte, erfolgt eine anteilige Rückerstattung des Beitrags, basierend auf dem Rohstoffwert des verarbeiteten Produkts.

Jede Warengruppe hat individuelle Mechanismen zur Festlegung des Garantiefondsbeitrags. In Bereichen mit hoher inländischer Produktion, wie Getreide, Futtermittel, Zucker und Speiseöle, steht der Schutz des Schweizer Agrarmarktes im Vordergrund. Bei hohen Weltmarktpreisen werden geringere Beiträge erhoben, was zu schwankenden Einnahmen in den Fonds führt. Diese Schwankungen stellen eine Herausforderung für die stabile Finanzierung der Pflichtlagerhaltung dar.

Aktuelle Situation im Getreidebereich

Insbesondere der Getreidebereich steht aktuell unter Druck. Bis 2021 wuchs der Getreidefonds kontinuierlich und erreichte eine Reichweite von über 24 Monaten, was zur Senkung des Garantiefondsbeitrags von CHF 5.00 auf CHF 4.00 pro 100 Kilogramm Getreide führte. Der Konflikt in der Ukraine 2022 verursachte jedoch einen drastischen Anstieg der Weltmarktpreise für Getreide und Futtermittel, was zu einem deutlichen Einnahmenrückgang führte. Trotz Reserven im Fonds reichen die aktuellen Einnahmen laut Réservesuisse nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken.

Im Jahr 2023 wurde die reglementarische Vorgabe für die Pflichtlagerfinanzierung mit 14,5 Monaten erfüllt. Prognosen von Réservesuisse für die kommenden Jahre zeigen jedoch, dass ohne entsprechende Massnahmen die Einhaltung der Vorgaben nicht gewährleistet werden kann. Eine Krise ähnlichen Ausmasses wie in den vergangenen Jahren könnte unter den aktuellen Bedingungen finanziell kaum mehr bewältigt werden.

Notwendige Massnahmen zur Stabilisierung

Um die finanzielle Stabilität des Getreidefonds zu sichern, hat die Réservesuisse Genossenschaft zwei wesentliche Massnahmen für 2025 vorgeschlagen, die vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung unterstützt werden: So soll ab dem 1. Januar 2025 der Garantiefondsbeitrag von CHF 4.00 auf CHF 6.00 pro 100 Kilogramm erhöht werden. Diese Massnahme zielt darauf ab, den Fonds kontinuierlich mehr Mittel zuzuführen, um eine langfristige Stabilisierung zu gewährleisten. Weiter soll ebenfalls ab dem 1. Januar 2025 der Basispreis von CHF 8.00 auf CHF 12.00 pro 100 Kilogramm angehoben werden. Dadurch leisten die Pflichtlagerhalter im Getreide- und Futtermittelbereich einen einmaligen Beitrag zur Stabilisierung des Fonds. Diese Massnahmen seien notwendig, um die Finanzierung der Pflichtlagerhaltung auch in Zukunft sicherzustellen und die Versorgungssicherheit der Schweiz zu gewährleisten, so Réservesuisse.

Weiter war 2023 die Vernehmlassung zur Aufstockung der Pflichtlagermengen im Ernährungs- und Futtermittelbereich ein wichtiges politisches Thema: Michael Weber erläuterte, dass die deutliche Ablehnung dieser Massnahme seitens der Réservesuisse und der Wirtschaft dazu führte, dass das Vorhaben politisch für die nächsten Jahre nicht wieder auf die Agenda gesetzt wird. «Diese Entscheidung sehen wir als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung – sie gibt uns und insbesondere allen Pflichtlagerhaltern eine gewisse Planungssicherheit», betonte er. Die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Lebens- und Futtermitteln bleibe so weiterhin gewährleistet.