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Schweizer Mozzarella im Schatten des Imports
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- Milchmarkt zwischen Freiheit und Regulierung
- Importabwehr beim Käse: Schutzmechanismus oder Nachteil für Produzenten?
- Importierter Mozzarella ist für den Detailhandel attraktiv
- Transparenz bleibt Mangelware
- Verlierer sind die Produzentinnen und Produzenten
- Komplexität im Milchmarkt: Vereinfachung möglich?
Auf den Milchabrechnungen der Produzentenorganisationen werden diverse Abzüge und Zuschläge vorgenommen – die «Marktabzüge» dienen unter anderem der Importabwehr, um beispielsweise Schweizer Mozzarella wettbewerbsfähig zu halten. So werden laut Recherchen von Faire Märkte Schweiz beispielsweise Produzentinnen und Produzenten der Produzentenorganisation Mittelland Milch im ersten Quartal des aktuellen Jahres 3.1 Rappen pro Kilogramm abgezogen, wobei 1.5 Rappen auf einen Marktabzug zur Importabwehr entfallen und 1.6 Rappen auf einen Marktabzug für den vertikalen Beitrag zum Fonds Rohstoffverbilligung für Exportprodukte der Nahrungsmittelindustrie.
Auch andere Lieferanten wie Mooh und ZMP oder der Milchverarbeiter Züger Frischkäse tragen zur sogenannten Importabwehr bei oder setzen ähnliche Systeme ein. Allein für die Milchmenge von Mittelland Milch ergab sich so laut Berechnung von Faire Märkte Schweiz im Jahr 2023 eine Importabwehrsumme von 4,8 Millionen Schweizer Franken.
Milchmarkt zwischen Freiheit und Regulierung
Laut Faire Märkte Schweiz trägt diese Massnahme jedoch dazu bei, dass Milchproduzentinnen und -produzenten letztlich weniger für ihre Milch erhalten und gleichzeitig den Detailhandel indirekt dabei unterstützt, Importprodukte mit höheren Margen zu bevorzugen.
Stefan Kohler, Geschäftsführer der Branchenorganisation Milch BOM, erklärt den Hintergrund dieser Abzüge: «Der Milchmarkt ist grundsätzlich liberalisiert, es gibt seit 2009 keine staatlichen Vorgaben für Preise, Mengen und Konditionen mehr – Käufer und Verkäufer von Milch verhandeln deshalb frei miteinander», erklärt er. Allerdings habe man sich in der Milchbranche auf einige Regelungen geeinigt. «Dazu gehört die Segmentierung, damit im teilliberalisierten Markt die Produkte im geschützten Bereich wie Trinkmilch, Rahm oder Butter preislich nicht unter Druck kommen, was den Produzentinnen und Produzenten zugutekommt», erläutert der BOM-Geschäftsführer weiter. Zu den Regelungen gehören aber auch die Richtpreise für die beiden Milchsegmente A und B sowie ein Mindestpreis für die verkäste Milch – Artikel der sogenannten Importabwehr wie Mozzarella seien aber Produkte, die in der Segmentierung etwas zwischen Stuhl und Bank fallen würden, so Stefan Kohler.
Importabwehr beim Käse: Schutzmechanismus oder Nachteil für Produzenten?
«Eigentlich müsste es für diese Produkte ein eigenes Segment geben, aber das System ist schon kompliziert genug», erklärt Stefan Kohler. Käse aus industrieller Produktion für den Inlandmarkt gehörten im System zum A-Segment. Weil hier aber ausländische Produkte zollfrei in die Schweiz kämen, beschreibe das Reglement den Fall, dass bei erhöhtem Importdruck der Milchpreis tatsächlich vom A-Preis abweichen könne.
Die Importabwehr ist eine Reaktion auf den Importdruck. Die Beurteilung, wie stark ein Importdruck aber tatsächlich sei, liege in der Verantwortung der Marktakteure, erklärt Stefan Kohler: «Hersteller von Mozzarella müssen sich also bei ihren Milchlieferanten rechtfertigen, wenn sie für die Herstellung von günstigen Produkten tiefere Milchpreise benötigen.»
Dennoch bleibt die Frage, wer wirklich von diesem Mechanismus profitiert. Pierre-André Pittet vom Genossenschaftsverband Schweizer Milchproduzenten SMP sieht die Praxis der Importabwehrabzüge als grundsätzlich sinnvoll, wenn es um die Sicherung der Marktanteile aus der Schweiz geht, betont aber die Notwendigkeit von Transparenz: «Die Praxis der Importabwehr-Abzüge ist durch das Reglement beschrieben und kann sinnvoll sein, wenn sie korrekt angewendet wird – allerdings gibt es nur wenige Erstmilchkäufer, die diese Abzüge gegenüber den Produzentinnen und Produzenten transparent machen.»
Importierter Mozzarella ist für den Detailhandel attraktiv
Die Analyse von Faire Märkte Schweiz zeigt, dass importierter Mozzarella, beispielsweise von Galbani, im Schweizer Detailhandel deutlich teurer verkauft wird als das Schweizer Produkt. Während ein 150-Gramm-Pack Schweizer Mozzarella bei Coop für 1.70 Franken erhältlich ist, kostet das italienische Pendant 2.25 Franken. In der Analyse von Faire Märkte Schweiz gehen Experten davon aus, dass die Margen auf importiertem Mozzarella mindestens doppelt so hoch sind wie beim inländischen Produkt. Der Verein Faire Märkte Schweiz weist darauf hin, dass dies den Detailhandel in eine komfortable Position bringt: Während Schweizer Mozzarella über Abzüge subventioniert wird, bleibt der Importkäse hochpreisig, wodurch sich attraktive Gewinnspannen ergeben.
Warum also sollte der Detailhandel den günstigen Schweizer Mozzarella bevorzugen, wenn mit dem Importprodukt höhere Gewinne erzielt werden können? Von Coop und Migros kamen darauf nur vage Antworten. Coop-Mediensprecher Thomas Ditzler wies die Darstellung des Vereins Faire Märkte Schweiz zurück: «Wir können dieses Bild so nicht bestätigen.» Auch Migros gab sich auf Anfrage wortkarg: «Wir können diese Aussage in Bezug auf unser Sortiment nicht bestätigen.»
Auch auf die Frage, ob eine moderate Preiserhöhung des Schweizer Mozzarellas – um die Abzüge zu reduzieren – eine Lösung sein könnte, hielt sich Coop bedeckt: «Wir setzen uns für faire und marktgerechte Preise ein, sowohl gegenüber den produzierenden Unternehmen als auch gegenüber unseren Kundinnen und Kunden.» Migros hingegen verwies darauf, dass Preisverhandlungen mit den Produzentinnen und Produzenten geführt würden und sich der Detailhandel dazu nicht äussern könne.
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Transparenz bleibt Mangelware
Eine weitere zentrale Frage ist die Transparenz der Preisbildung. Faire Märkte Schweiz fordert eine offenere Deklaration der Margen, unter anderem auch um das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten zu stärken. Auch hier zeigt sich der Detailhandel verschlossen. Coop erklärt auf Anfrage lediglich, aus «Konkurrenzgründen» keine Angaben zur Kostenstruktur zu machen. Migros argumentierte ähnlich und betont: «Die detaillierten Berechnungen von Margen und Kosten gehören zu den sensiblen Daten jedes Unternehmens – es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Detailhandel als einzige Branche diese Zahlen publik machen sollte.» Ausserdem würden diese Transparenzforderungen tief ins Wettbewerbsgeheimnis der Unternehmen eingreifen. Zudem sei der Wettbewerb in der Schweiz durch Discounter und Einkaufstourismus ohnehin intensiv, wodurch überhöhte Margen nicht realistisch seien.
Der Verein Faire Märkte Schweiz ist hingegen überzeugt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten die Qualität von Schweizer Mozzarella schätzen und eine faire Preisgestaltung akzeptieren würden – vorausgesetzt, dies wird kommunikativ begleitet. Eine moderate Preiserhöhung von 10 bis 15 Rappen pro 150-Gramm-Packung könnte laut Faire Märkte Schweiz für die Milchbäuerinnen und Milchbauern eine spürbare Entlastung bedeuten. Dadurch würden auf ihren Milchabrechnungen 6,5 bis 10 Millionen CHF an Abzügen entfallen.
Verlierer sind die Produzentinnen und Produzenten
Und auch Pierre-André Pittet von den Schweizer Milchproduzenten sieht Potential für eine fairere Preisgestaltung. «Wir beobachten, dass Importmozzarella im Detailhandel oft zu deutlich höheren Preisen verkauft wird als Schweizer Mozzarella – es braucht bessere Kommunikation über die Qualität des Schweizer Produkts und eine faire Preisgestaltung», erklärt er und ergänzt: «Die höheren Markterlöse sollten 1:1 zu den Milchproduzentinnen und Milchproduzenten fliessen, indem tiefere Abzüge für die Importabwehr gewährt werden.»
Die Frage, ob die Importabwehr tatsächlich den inländischen Milchmarkt stärkt oder lediglich den Detailhandel profitieren lässt, ist laut BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler auch eine Angelegenheit der Marktpartner. «Es wird jeweils zwischen den Milchlieferantenorganisationen und den Käseherstellern verhandelt, ob und in welchem Umfang man auf dem Markt für Importabwehr-Produkte mithalten möchte», erklärt er. Das Ergebnis spiegle sich in den Regalen wider – mal gibt es Importware, mal Schweizer Produkte in den preisgünstigen Linien.
Allerdings sieht Kohler Verbesserungspotential, vor allem in der Preisgestaltung und Kommunikation: «Es ist störend, wenn ein qualitativ hochwertiger Schweizer Mozzarella, hergestellt aus 100-prozentig nachhaltiger Milch, im Laden günstiger angeboten wird als ein Importprodukt aus Massenproduktion – da gibt es noch Luft nach oben.»
Komplexität im Milchmarkt: Vereinfachung möglich?
Viele kritisieren die komplizierte Struktur des Milchmarktes und fordern mehr Transparenz und einfachere Mechanismen zur Unterstützung der Produzentinnen und Produzenten. Stefan Kohler zeigt Verständnis für diese Forderung, betont jedoch, dass die Segmentierung, Richtpreise und Marktstabilisierungsfonds dazu dienen, für die Milchbäuerinnen und Milchbauern, für die Verarbeitungsbetriebe und insbesondere die exportorientierten Unternehmen das bestmögliche aus einem teilliberalisierten Markt herauszuholen. «Weil der Milchmarkt unter besonderer politischer Beobachtung steht, bemühen wir uns um grösstmögliche Transparenz – was jedoch oft zu weiteren Regelungen führt», erklärt Stefan Kohler.
Pierre-André Pittet betont, dass die SMP sich ebenfalls für eine höhere Transparenz bei den Milchpreisverhandlungen einsetze. Unter anderem die Umsetzung der Motion «Die Zulagen für verkäste Milch an die Richtpreise der Branchen koppeln, damit sie an die Milchproduzentinnen und -produzenten zurückgegeben werden» von Nationalrat Jacques Nicolet solle helfen, diese Situation zu verbessern. «Zudem müsste der Detailhandel seinen Beitrag leisten und eine Anpassung der Verkaufspreise vornehmen, die dann direkt den Produzentinnen und Produzenten zugutekommen sollte», appelliert Pierre-André Pittet.
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