Schweizer Hülsenfrüchte haben es noch schwer

Hülsenfrüchte sind wertvoll für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung. In der Schweiz haben sie noch einen schweren Stand. Der Anbau ist risikoreich, die Verarbeitung aufwändig und der Grenzschutz fehlt.
Zuletzt aktualisiert am 19. November 2024
von Edith Nüssli
4 Minuten Lesedauer
20240619 Bohne Jin

In der Schweiz werden pro Jahr und Person rund 2 Kilogramm Hülsenfrüchte gegessen, die grössenteils importiert werden. Einen zehnmal höheren Konsum schlägt die Ernährungsstrategie 2024 des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen vor. Hülsenfrüchte sind nicht nur gut für eine nachhaltige Ernährung, sie haben auch agronomisch viel zu bieten. Dennoch fristen sie in der Schweiz noch ein Nischendasein, sowohl auf dem Feld als auch auf dem Teller.

Hülsenfrüchte sind noch eine Risikokultur

Agronomisch wertvoll sind Bohnen, Erbsen und Linsen primär, weil sie zur Familie der Leguminosen gehören und Stickstoff aus der Luft fixieren können. So düngen sie sich selber auf natürliche Art und liefern zudem noch Nährstoffe für die Folgekultur. 2023 wuchsen auf knapp 1,2 Prozent des gesamten Ackerlandes Erbsen, Linsen und Kichererbsen auf total 4’739 Hektaren (ohne Soja), meist auch für Futtermittel. 

Die Gründe sind vielfältig: Es fehlen Sorten, die sich für das Schweizer Klima eignen, sie sind anfällig auf Pilze, Viren und Schädlinge und rund um den Anbau ist noch wenig Wissen vorhanden. Entsprechend stark schwanken die Erträge von Jahr zu Jahr.

«Die Anbaubereitschaft ist da, das Risiko ist jedoch noch sehr gross», fasst Hans-Georg Kessler zusammen. Er ist Leiter Ackerkulturen der Biofarm Genossenschaft, die seit rund zehn Jahren den Anbau von Bio-Hülsenfrüchten fördert. Der Einzelkulturbeitrag, der seit 2023 auch für Hülsenfrüchte für Lebensmittel bezahlt wird, reicht nicht aus, um den Anbau auch wirtschaftlich attraktiv zu machen. Es braucht eine Schweizer Sortenzüchtung und Sortenprüfung sowie Pflanzenschutzmittel, welche auch im Bioanbau zuverlässig wirken, und Erfahrungsaustausch. Letzteres ermöglich das Netzwerk Power Protein, das von Strickhof Bereichsleiter Dany Schulthess initiiert wurde.

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Beim Soja konnte dank Züchtung die Ertragssicherheit verbessert werden. Auch Soja ist eine Leguminose, wird aber statistisch oft bei den Ölsaaten erfasst.(jin)

Infrastruktur aufbauen

Viele Herausforderungen stellen sich auch von der Sammlung der Ernte über deren Reinigung und Aufbereitung bis zur Vermarktung. Die Erntemengen vieler Betrieb sind klein, Qualitätsrichtlinien fehlen und für Bohnen, Linsen und Kichererbsen fehlen Richtpreise der Branchenorganisation.

Zudem muss für die Aufbereitung in passende Maschinen investiert werden. Das hat zum Beispiel das Eichmühle Getreidecenter in den letzten Jahren gemacht. Um ein fast 100Prozent reines Endprodukt zu erreichen, müssen Hülsenfrüchte nach Gewicht, Form, Grösse, Prallverhalten und Farbe getrennt werden.

Dafür müssten diese zehn Maschinen durchlaufen, informiert David Villiger, Geschäftsführer und Inhaber des Eichmühle Getreidecenter, auf agripedia.ch. Und verarbeitet werden können – je nach Produkt – erst Mengen ab zwei bis vier Tonnen. «Das alles führt dazu, dass Linsen, Erbsen und Kichererbsen aus der Schweiz doppelt bis dreifach so teuer sind als importierte Ware», sagt Hans-Georg Kessler.

Grenzschutz fehlt

Entsprechend schwer haben es Schweizer Hülsenfrüchte gegenüber importierten Produkten im Verkauf. Neben dem erwähnten Einzelkulturbeitrag bräuchte auch Grenzschutz und Absatzförderung, wie bei Getreide, Fleisch und Gemüse. Neue Zölle einzuführen, sei jedoch fast bis ganz unmöglich, sind sich alle Beteiligten einig.

Direkt essen oder für Alternativen

Ob auf Schweizer Äckern in Zukunft mehr Hülsenfrüchte wachsen, hängt auch davon ab, ob Lebensmittelhersteller und Detailhandel diesen den Vorzug geben und Konsumentinnen und Konsumenten diese auch kaufen. Für die Vermarktung gibt es verschiedene Strategien: Hülsenfrüchte für den Direktkonsum anbieten oder zu Produkten oder Rohstoffen für Milch- und Fleisch-Alternativen zu verarbeiten.

Für einen höhere Direktkonsum müssten mehr Menschen öfters Bohneneintopf, Kichererbsen-Salat und Linsensuppe auftischen. «Viele Menschen sind sich nicht an die Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan gewohnt», stellt Reto Ryser von IP-Suisse fest.

Das Joint Venture, in dem sich IP Suisse für die Förderung von Schweizer Hülsenfrüchten engagiert, setzt deshalb auf Fleisch-Ersatzprodukte. Seit Anfang Jahr produziert es «Pflanzenhack» und «Pflanzengeschnetzeltes». In der Gemeinschaftsverpflegung wurden damit laut Ryser gute Erfahrungen gemacht, auch wenn der Preis eine wichtige Rolle spiele.

Auf die dritte Strategie setzt Fabas, ein Pionierunternehmen für die Förderung von Schweizer Hülsenfrüchten. Es hat in den letzten zwei Jahren einen Rohstoff für Milchalternativen entwickelt. «Gute Rohstoffe sind noch nicht so einfach erhältlich», begründet Anik Thaler, Mit-Gründerin von Fabas, die Neuausrichtung. Wichtig seien eine gute Funktionalität und ein überzeugender Geschmack.

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Produktion von Leguminosen zur Körnergewinnung. Während sie bis 2022 fast ausschliesslich als Futtermittel verwendet wurden, flossen 2023 erstmals grössere Mengen in den Nahrungsmittelkanal. (Grafik: Agristat)

Konsum fördern

Um den Konsum zu fördern, braucht es auch mehr Wissen, was Hülsenfrüchte sind, welche Vorteile sie haben und wie sie gekocht werden. Dieses Wissen und die Lust auf Hülsenfrüchte zu fördern, hat sich der neu gegründete Verein Schweizer Hülsenfrüchte auf die Fahnen geschrieben. In ihm sind Unternehmen von Anbau bis Verkauf zusammengeschlossen.

Ein erster Schritt ist das Logo für Schweizer Hülsenfrüchte. Das soll zeigen, wo überall Hülsenfrüchte drin sind und welche aus der Schweiz stammen. Weitere Ideen sind eine Hülsenfrüchte-Challenge wie Bike-to-Work, um Konsumentinnen und Konsumenten anzuregen, mehr Hülsenfrüchte zu konsumieren. Angedacht sind auch Informationsmaterialien, um an Schulen und Veranstaltungen zu informieren. Anik Thaler hofft, dass 2025 die Basis geschaffen werden kann, damit der Verein operativ tätig werden kann.

Vom Anbau über die Verarbeitung bis zum Konsum sind vielfältige Herausforderungen zu bewältigen, damit der Hülsenfrüchte-Anbau in der Schweiz echt nachhaltig wird. Basis sind sichere Erträge, damit der Anbau wirtschaftlich wird. Das dies möglich ist, zeigt die Entwicklung des Sojaanbaus in der Schweiz. «Die neuen Sorten haben auch in nicht optimalen Anbaugebieten und bei verschiedenen Wetterverhältnissen die Ertragssicherheit verbessert», sagt Biofarm-Experte Hans-Georg Kessler.

Hülsenfrüchte-Anbau organisiert sich

Das Netzwerk Power Protein organisiert am 29. November die 4. Fachtagung unter dem Titel «Wie bringen wir einheimische Proteine auf den Plan?» Themen sind sowohl Anbau als aus Förderung des Konsums.

Das Netzwerk will Wissen und Zusammenarbeit fördern für die Versorgung der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten mit Proteinen aus Pflanzen, angebaut in der Schweiz. Lanciert wurde es Ende 2021 von Strickhof-Bereichsleiter Dany Schulthess als Projekt von «Innovativi Puure».

Als Ergänzung wurde im September 2024 der Verein Schweizer Hülsenfrüchte gegründet, ein Verein für mehr Hülsenfrüchte in der Schweizer Ernährung. Kennenlernen kann man die vier Gründungspersonen und die Ziele an der Auftaktveranstaltung, anschliessend an die Fachtagung Power Protein. Den Abschluss bildet ein Apéro mit Hülsenfrüchten.

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Warum sind Hülsenfrüchte nachhaltig?

Hülsenfrüchte sind botanisch gesehen Körnerleguminosen. Leguminosen sind Pflanzen, die mithilfe von Bakterien Stickstoff aus der Luft im Boden binden können. Dieser Stickstoff ist als natürlicher Dünger für die Folgefrucht nützlich. Dadurch verbessert sich die Bodenqualität. Felder mit Hülsenfrüchten sind ein Paradies für Bienen, Bodenbakterien und Regenwürmer.

Weitere grundlegende Informationen sind auf der neuen Thementafel Hülsenfrüchte zu finden. Diese kannst du hier kostenlos bestellen oder downloaden.