Tradition und Innovation mit Rüben
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Simone Reinhart wusste, wie ihr Tofu, für den sie in der eigenen Küche zu pröbeln begann, sein musste; weich und geschmeidig und nicht gummiartig und zäh. Sie merkte rasch, dass sich durch die Zubereitung von Hand, die Konsistenz und die Beschaffenheit ihres Produktes verfeinerte und sich vom industriell hergestellten Tofu abhob.
So kam sie ihrem Vorbild, dem Tofu aus dem asiatischen Raum, immer näher. Sie schaffte die ersten Gerätschaften an und weitete die Produktion aus. Ihre Eltern, die den Weiherhof in Amriswil bewirtschaften, boten der studierten Umweltingenieurin ein Stück Land für den Sojaanbau an.
2019 produzierte sie bereits 400 Kilogramm eigenen Tofu, den sie unter dem Namen «Soja-Atelier Weiherhof» an Wochenmärkten, in umliegenden Läden und später überregional verkaufte. Mit dem Erfolg kam der Wunsch nach Veränderung. «Es war nicht mehr das nette Hobby nebenbei, ich musste mich entscheiden, wie ich weitermachen will», sagt die 26-Jährige und so kam Lukas Rösch (27) wie gerufen.
Die beiden kennen sich aus der Schulzeit, hatten sich lange Jahre aus den Augen verloren. Der studierte Betriebswirtschafter arbeitete bei einem Online-Vertrieb für vegane Produkte und war ziemlich schnell vom Unternehmen seiner ehemaligen Schulkollegin begeistert. «Die Philosophie stimmt, das Produkt macht Sinn und die Sache macht enorm Spass», sagt er, der immer schon davon träumte, als Unternehmer Verantwortung zu übernehmen.
In der Zwischenzeit haben sie sich als Firma Ensoy (enjoy soy) als GmbH eintragen lassen, haben sich in einer stillgelegten Käserei in Amriswil eingemietet und produzieren pro Woche zwischen 100 und 180 Kilogramm Tofu. Beide sind sie zusammen mit einem Teilzeit-Mitarbeiter jeweils zwei Tage am Produzieren. Die Ausstattung reiche im Moment, doch Neuanschaffungen stünden an, erklärt Simone Reinhart, die an den übrigen Tagen für die Distribution zuständig ist und an Produktlösungen, neuen Rezepten und an Neuentwicklungen tüftelt.
Lukas Rösch übernahm die betriebswirtschaftliche Seite und kümmert sich um Marketing, Neugewinnung von Kunden und die Finanzen. Vom Lohn, den sie sich auszahlen, können sie noch nicht leben. Sie halten die Augen nach einem Partner und neuen Räumlichkeiten offen, damit sie expandieren und endgültig durchstarten können. Damit der Tofu endlich den Platz in der Ernährung bekomme, den er verdiene, sagt Lukas Rösch und Simone Reinhart nickt.
Die beiden Unternehmer produzieren Tofu im oberen Preissegment. Das Kilogramm kostet Natur 27 Franken und 30 Franken mariniert. Neben dem Online-Verkauf, der bereits einen Drittel ausmacht, Tendenz steigend, beliefern sie eine grosse Anzahl Detaillisten, Feinkostläden, Bio- und Hofläden zwischen St. Gallen, Frauenfeld, Winterthur und Kreuzlingen. Zudem sind ihre Produkte an verschiedenen Wochenmärkten anzutreffen.
Sie freuen sich, dass vermehrt die Gastronomie wie beispielsweise das Hotel Hof Weissbad oder das Restaurant Trauben in Weinfelden ihren Tofu serviert. Dass es ihnen gelungen ist, biologisch produzierte Sojabohnen aus der Thurgauer Landwirtschaft zu beziehen, freut die beiden besonders. «Damit bleibt die ganze Wertschöpfung im Thurgau, ein Verkaufsargument, das immer wichtiger wird.»
Das Bewusstsein über die Auswirkungen der Lebensweise auf die Umwelt, die Tier- und Pflanzenwelt wachse ständig und Nachhaltigkeitsthemen würden immer wichtige, sagen sie. Deshalb sei Tofu auch nicht nur ein Produkt für Veganer oder Vegetarier. «Tofu ist ein Produkt für alle und hat eine deutlich bessere Ökobilanz als andere Lebensmittel mit hohem Proteingehalt», erklärt Lukas Rösch. Je länger je mehr wolle die Kundschaft wissen, woher ihr Essen kommt.
Gemäss Daniel Fröhlich, Leiter Biologischer Landbau am Kompetenzzentrum der Thurgauer Landwirtschaft Arenenberg, haben die Anbauflächen für Biosoja im Thurgau stark zugenommen. Es werde mit 63,44 Hektaren schon fast die doppelte Menge Biosoja angepflanzt als im konventionellen Anbau, sagt er.
Bei der Speisesoja konnte die erhöhte Nachfrage mit zusätzlichen Produzenten abgedeckt werden, demgegenüber gebe es aber zu wenig Produzenten für den Futteranbau. Der sprunghafte Nachfrage-Anstieg bei Bio-Futtersoja führt er auf die verschärften Richtlinien für Wiederkäuer zurück, für die ab diesem Jahr das ganze Futter aus der Schweiz stammen müsse.
Schweizweit sei eine steigende Beliebtheit bei Biospeisesoja zu beobachten, erklärt Lukas Inderfurth, Bereichsleiter Kommunikation von Bio Suisse. Im vergangenen Jahr wurden dank zunehmender Flächen fast 1100 Tonnen Sojabohnen geerntet. Damit hat sich die Menge seit 2015 mehr als verdoppelt.
Simon Weilenmann ist Landwirt in Basadingen und hat vor acht Jahren auf seinem Bio-Hof angefangen, auf zwei Hektaren Speisesoja zu produzieren. Er war auf der Suche nach Leguminosen, denen eine wichtige Funktion in der Fruchtfolge zukommt. Da er nebst seiner Mutterkuhhaltung verschiedene andere Getreidearten und Gemüse produziert, ist er maschinell ausgerüstet und musste für die Bearbeitung des Sojafeldes nur kleinere Anpassungen an den Geräten vornehmen.
Er verkauft seine Soja an die Mühle ins zürcherische Marthalen, ein Teil des Ertrages aber direkt an Ensoy. «Die direkte Zusammenarbeit mit dem Abnehmer gefällt mir», sagt er. Er sei gerne ein Teil eines regionalen Produktes, das zu ihm und seinem Betrieb passe. Er mache dasselbe mit Brotgetreide und beliefere auch eine Dorfbäckerei mit dem eigenen Mehl. Natürlich müsse dieser Mehraufwand auch bei der Preisgestaltung abgegolten werden, sagt er.
Leguminosen haben die Fähigkeit, in Symbiose mit Knöllchenbakterien Luftstickstoff im Boden zu binden und diesen pflanzenverfügbar zu machen – für sich selbst wie auch für die Pflanzen, die nachfolgend angebaut werden. Durch die intensive Bewurzelung des Bodens und die Fähigkeit der Leguminosen, schwer verfügbare Phosphorverbindungen im Boden aufzuschliessen, wirkt sich der Anbau zudem positiv auf die Bodenfruchtbarkeit aus. Ziel dabei sei, dass Soja und heimische Körnerleguminosen wie Erbsen, Ackerbohnen und Süsslupinen in der hiesigen biologischen Land- und Ernährungswirtschaft einen festen Platz bekommen und dass sie für die tierische und menschliche Ernährung als Alternative zu importierten Eiweissquellen oder als Rohstoffe für innovative Produkte eine Verwendung finden.
Quelle: Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL www.fibl.ch
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