Die Zwiebel in der Krise
Die Zwiebel zählt zu den beliebtesten und meistgenutzten Gemüsesorten in der Schweiz – doch ihre Produktion steht vor...
Die Entwicklung der Anbauflächen von Schweizer Rosenkohl gleicht einer Achterbahnfahrt: Von 2010 mit rund 55 Hektaren verdoppelte sich die Fläche in acht Jahren fast und betrug 2018 nahezu 100 Hektaren, bevor sie wieder zusammenbrach. «Viele effiziente Wirkstoffe gegen die Kleine Kohlfliege oder die Weisse Fliege sind zurückgezogen worden – daher sind die Rosenkohlanbauflächen seit 2018 bis heute zurückgegangen», schildert Markus Waber, stellvertretender Direktor des Verbandes der Schweizer Gemüseproduzenten, die Lage. Auf 76 Hektaren wurde 2021 noch Rosenkohl angebaut.
Die beiden Schädlinge befallen Kohlgewächse und führen zu Qualitätseinbussen und Ertragsausfällen. So saugen die Larven der Weissen Fliege an den Pflanzen und scheiden unverdauten Zuckersaft aus. Dieser sogenannte Honigtau überzieht die Rosenkohlröschen und auf dem klebrigen Belag siedeln sich Schwärzepilze an, welche die Pflanze schwarz färben und das Erntegut verunreinigen.
Die Kleine Kohlfliege verursacht Frassschäden am Erntegut, welche die Rosenkohlröschen, aber auch die Köpfe von Kopfkohl und Chinakohl in der Folge unverkäuflich machen. «Die Schäden durch diese Insekten sind aufgrund der wärmeren Witterung in der Schweiz stark zunehmend», erklärt Markus Waber und ergänzt: «Zwischen 2018 bis 2019 wurden im Berner Seeland Ausfälle durch Qualitätseinbussen von rund 30 bis 45 Prozent beobachtet.»
Die Produktion habe tatsächlich Schwierigkeiten, den Schutz der Rosenkohlkulturen zu gewährleisten, seitdem im Jahr 2016 dem Wirkstoff Methomyl die Zulassung entzogen wurde, bestätigt auch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Es stünden zwar andere Produkte zur Verfügung, aber der Schutz der Kulturen sei schwierig. Insbesondere in Regionen, wo aufgrund des hohen Anteils von Kreuzblütlern in der Fruchtfolge der Schädlingsdruck durch die Weisse Fliege gross sei.
«Die Auswahl an bewilligten Pflanzenschutzmitteln ist zwar auch für andere Kohlgewächse stark eingeschränkt, allerdings haben andere Kohlarten wie zum Beispiel Broccoli eine kürzere Standzeit als Rosenkohl und sind demnach einer geringeren Zahl von Schädlingen und Krankheiten ausgesetzt», fügt Markus Waber an. Da Rosenkohl eine Pflanze mit sehr langer Kulturzeit ist, können die Weissen Fliegen mehrere Generationen bilden, was den Befallsdruck erhöht. Zwar lässt sich der der sogenannte Russtau abwaschen oder abrüsten, gilt aber trotzdem als Qualitätsmangel und die Produzentinnen und Produzenten haben so Mühe den Rosenkohl abzusetzen.
Im Rahmen des «Aktionsplan Pflanzenschutzmittel» des BLW werden in Bezug auf die Kohlfliege und die Weisse Fliege innovative Lösungen im Nacherntebereich gesucht, um die Qualitätsanforderungen der Abnehmer weiterhin zu erfüllen. Unter anderem sollen eine Rüstanlage für das automatische Nachrüsten sowie eine Desinfektionseinheit und Trocknungsanlage für die Minimierung der Keimbelastung nach dem Waschvorgang entwickelt werden. Ein entsprechendes Projekt wurde laut BLW dieses Jahr abgeschlossen.
«Tatsächlich wurden in den beiden Hauptanbaugebieten im Berner Seeland und St. Galler Rheintal eine Rüstanlage und eine Desinfektionseinheit respektive eine Entwässerungsanlage weiterentwickelt und haben in der Folge wichtige Erkenntnisse im Nacherntebereich von Rosenkohl aufgezeigt», meint Markus Waber. Zum Beispiel könne der Einsatz einer Entwässerungseinheit die Haltbarkeit und Qualität von Rosenkohl positiv beeinflussen. Das Bundesamt betont aber, dass noch weitere Versuche notwendig seien und auch im Bereich des Einsatzes eines Desinfektionsmittels seien aufgrund der Ergebnisse noch keine abschliessenden Empfehlungen möglich. Um den Rosenkohlanbau in der Schweiz nachhaltig erhalten zu können, brauche es noch weitere Anstrengungen.
Nun sollen auch bei Zwiebeln gewisse Pflanzenschutzmittel keine Zulassung mehr erhalten und der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten befürchtet bedeutende Ernte- und Qualitätseinbussen. «Durch den Wegfall wichtiger Pflanzenschutzmittel im Zwiebelanbau kann der Schutz der Kulturpflanze nicht gewährleistet werden», bekräftigt Markus Waber. Der Widerruf einer Bewilligung könne dazu führen, dass weniger Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um die Kulturen vor bestimmten Schadorganismen zu schützen, schätzt auch das BLW.
Allerdings könne in einem solchen Fall die Zulassungsstelle des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eine Ausnahmebewilligung gewähren, um den Schutz der betroffenen Kultur zu gewährleisten und eine ebensolche Notzulassung sei zur Bekämpfung des Falschen Mehltaus bei Zwiebeln auch erteilt worden, ergänzt das BLW.
In den letzten Jahren seien aber viele gemüsebaurelevante Pflanzenschutzmittel zurückgezogen worden, was den Gemüseanbau zunehmend vor grosse Herausforderungen stelle, gibt Markus Waber zu bedenken: «Insbesondere mit dem ÖLN-Verbot (Anm. der Redaktion: ÖLN bedeutet Ökologischer Leistungsnachweis) von Wirkstoffen mit erhöhtem Risikopotential ab 2023, werden noch weniger Pflanzenschutzmittel für die Gemüseproduzenten zur Verfügung stehen.»
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