Körnerleguminosen im Praxistest

Auf dem Hof Rinderbrunnen werden Körnerleguminosen wie Kichererbsen, Bohnen und Platterbsen im Rahmen des Projekts IntegraL in die Fruchtfolge integriert. Trotz Herausforderungen wie Pilzkrankheiten, fehlender Infrastruktur und schwieriger Vermarktung liefert der Versuch wertvolle Erkenntnisse für eine diversifizierte und nachhaltige Landwirtschaft.
Zuletzt aktualisiert am 20. November 2024
von Renate Hodel
5 Minuten Lesedauer
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Auf dem Hof Rinderbrunnen wachsen unter anderem auch Linsen. (Hof Rinderbrunnen)

In einer Zeit, in der Klimawandel und Extremwetterereignisse die Landwirtschaft zunehmend herausfordern, wird die Diversifizierung der Agrarsysteme zu einer zentralen Strategie. Körnerleguminosen wie Erbsen, Bohnen und Kichererbsen bieten durch ihre Stickstofffixierung, ihren hohen Proteingehalt und ihre Anpassungsfähigkeit grosses Potential. Doch ihr Anbau steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen.

Das Projekt IntegraL setzt auf einen partizipativen Ansatz, um diese Kulturen gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten, der Wissenschaft sowie Züchterinnen und Züchter voranzutreiben und in die Praxis zu bringen. Das Projekt wurde 2022 von der Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk) und weiteren Partnern initiiert. Ein Beispiel für die praktische Umsetzung findet sich auf dem Hof Rinderbrunnen, wo Stephan Gysi die Chancen und Herausforderungen dieser innovativen Ansätze aus erster Hand erlebt und im Rahmen einer Veranstaltung in Bern rund um das Projekt IntegraL präsentierte.

Die Bedeutung von Körnerleguminosen für die Landwirtschaft

Körnerleguminosen könnten der Schweizer Landwirtschaft helfen, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu werden. «Körnerleguminosen fixieren Luftstickstoff und haben einen hohen Proteingehalt, was sie zu einer nachhaltigen Alternative zu tierischen Proteinen macht», erklärte Sebastian Kussmann, Züchter bei der gzpk, an der Veranstaltung.

Doch in Europa machen Körnerleguminosen nur rund zwei Prozent der Ackerflächen aus, während der Grossteil der Proteine für die Tierfütterung importiert wird. Dieses Ungleichgewicht will IntegraL beheben, indem es Sorten evaluiert und lokale Wertschöpfungsketten fördert. Neben der ökologischen Bedeutung besteht auch eine kulturelle: Körnerleguminosen waren in der Vergangenheit ein zentraler Bestandteil der menschlichen Ernährung und könnten dabei helfen, die Abhängigkeit von importierten Futtermitteln zu reduzieren.

Praxis auf dem Hof: Erfahrungen mit Kichererbsen, Bohnen und Platterbsen

Stephan Gysi vom Landwirtschaftsbetrieb Rinderbrunnen im zürcherischen Grüt hat im Rahmen des Projekts mit verschiedenen Körnerleguminosen experimentiert und arbeitet aktiv daran, Körnerleguminosen in seine Fruchtfolge zu integrieren – stösst dabei aber auch auf verschiedene Herausforderungen.

Ein zentrales Problem sind die klimatischen Bedingungen. Kichererbsen etwa benötigen ein warmes und trockenes Klima, um gut zu gedeihen. «Die Sorte Flamenco fiel dieses Jahr komplett den Pilzkrankheiten zum Opfer, während sich die Sorte Olga hingegen unter denselben Bedingungen besser geschlagen hat», berichtete Stephan Gysi und ergänzte: «Auch wenn die Erträge gering waren, ist das eine wertvolle Erkenntnis.» Gleichzeitig konnte Stephan Gysi auch mit der Bohnensorte «Black Turtle» positive Erfahrungen sammeln: «Sie überzeugt, weil sie sehr früh dreschreif ist», erklärte er. Solche Erkenntnisse helfen, robuste Sorten für lokale Bedingungen auszuwählen.

Derweil sticht die Platterbse, eine weitgehend vergessene Kultur, zwar durch ihre Robustheit hervor, bringt jedoch auch ihre agronomischen Herausforderungen mit sich: «Die Stützkultur Hafer knickte unter der Last der Platterbse um – hier müssen wir noch die Aussaatverhältnisse optimieren», erläuterte Stephan Gysi. Zudem sei unter anderem die Platterbse noch wenig bekannt und schwer zu vermarkten, was ihren Anbau ökonomisch unsicher macht.

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Linsen funktionieren im Anbau gut und lassen sich auch im Hofladen relativ einfach vermarkten. (Hof Rinderbrunnen)

Infrastrukturelle und logistische Hürden

Neben den agronomischen Herausforderungen ist auch die Infrastruktur eine grosse Hürde. Körnerleguminosen müssen nach der Ernte getrocknet und gereinigt werden. «Die Landi nimmt solche Kulturen nicht an und selbst wenn sie noch bereit wären, so sind ihre Trockner auf viel grössere Mengen ausgelegt, als wir produzieren können», beschrieb Stephan Gysi. Diese fehlende Infrastruktur zwingt gewillte Landwirtinnen und Landwirte, alternative Lösungen zu suchen, was Zeit und Kosten erhöht.

Zudem fehlt oft auch Knowhow und so braucht es auch da viel Tüftelarbeit. «Als wir das erste Mal Linsen gedroschen haben, ging die Hälfte der Ernte auf dem Feld verloren, weil weder wir noch der Lohnunternehmer Erfahrung damit hatten», erzählte Stephan Gysi vom Hof Rinderbrunnen weiter. «Dieses Jahr haben wir mit demselben Lohnunternehmer einen Schwadendrusch ausprobiert, obwohl wir Bedenken hatten, dass wir wiederum die ganze Ernte auf dem Feld verstreuen – das hat aber sehr gut funktioniert», ergänzte der Landwirt.

Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Vermarktung. Viele Körnerleguminosen, wie die Platterbse, sind auf dem Schweizer Markt unbekannt. «Solange keine Nachfrage von Gastronomie oder Verarbeitung besteht, macht es wenig Sinn, Kulturen wie die Platterbse anzubauen», betonte Stephan Gysi. Auch etablierte Kulturen wie Bohnen oder Linsen stellen Herausforderungen dar, da die Wertschöpfung oft ausserhalb der ländlichen Gebiete stattfindet. «Die Tierhaltung ist im ländlichen Bereich ein grosser Arbeitgeber – das heisst, wenn wir Körnerleguminosen nachhaltig als eine Alternative etablieren wollen, dann müssen wir uns Strukturen überlegen, die auch Arbeitsplätze im ländlichen Raum halten», erklärte Sebastian Kussmann von der gzpk. «Es bringt uns nichts, wenn die Erbsen in städtischen Zentren verarbeitet werden und die Wertschöpfung den ländlichen Raum verlässt», ergänzte er.

Chancen für die Zukunft

Trotz der Herausforderungen zeigen die Ergebnisse des Projekts IntegraL das Potential der Körnerleguminosen auf. Neben ökologischen Vorteilen könnten sie neue Wertschöpfungsketten und Märkte schaffen. Um dieses Potential auszuschöpfen, sind jedoch weitere Investitionen und Anpassungen nötig und das Ziel ist, nicht nur den Anbau, sondern auch die Verarbeitung und Vermarktung dieser Kulturen in den ländlichen Regionen zu etablieren.

Für Stephan Gysi bietet die Arbeit mit Körnerleguminosen eine Möglichkeit, die Fruchtfolge auf dem Hof Rinderbrunnen diversifizierter und nachhaltiger zu gestalten. «Es ist spannend, neue Kulturen zu testen und zu sehen, wie sie sich entwickeln – trotz aller Herausforderungen», fasst er zusammen.

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Stephan Gysi vom Hof Rinderbrunnen präsentierte erste Praxiserfahrungen aus dem Projekt IntegraL: Unter anderem wurde beim Anbauversuch mit Speisesoja erkannt, dass sich das Zürcher Oberland wohl schon jenseits der klimatischen Grenze befindet, wo sich Soja noch anbauen lässt. (rho)