Knappe Kassen: Wie Schweizer Bauernfamilien mit steigenden Kosten ringen

Die finanzielle Lage vieler Schweizer Bauernfamilien ist angespannt: Steigende Kosten, Preisdruck, Wetterereignisse und schwankende Einkommen erschweren das Überleben der Betriebe. Der Bauernverband fordert, dass der Fokus der nächsten Agrarpolitik auf der ökonomischen Nachhaltigkeit liegt.
Zuletzt aktualisiert am 6. Januar 2025
von Jonas Ingold
4 Minuten Lesedauer
20250103 Gabi Schuerch Jin

Gabi Schürch ist Vizepräsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes. Auf ihrem Hof im bernischen Kirchberg empfängt sie Anfang Januar eine Medienschar. Im Rahmen der Jahresmedienkonferenz des Schweizer Bauernverbandes will sie den Journalistinnen und Journalisten transparent aufzeigen, wie ihr landwirtschaftliches Einkommen aussieht und damit auf die schwierige Situation vieler Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz aufmerksam machen. Zusammen mit ihrem Mann bewirtschaftet sie den 33 Hektar grossen Biobetrieb mit Schwerpunkt Milchwirtschaft.

«Die Finanzen galt es schon immer im Griff zu behalten. Jede Investition muss gut überlegt sein. Die Herausforderungen werden allerdings immer grösser», sagt Gabi Schürch. Sie führt das auf die immer schwierigeren Witterungsbedingungen, die deutlich gestiegenen Produktionskosten, den administrativen Aufwand und den Preisdruck durch den Detailhandel zurück.

Stark schwankende Einkommen

72% der Einnahmen bei Schürchs kommen von den Produkten, die restlichen 28% von den Direktzahlungen. Das landwirtschaftliche Einkommen des Hofs lag 2023 bei 78’027 Franken, dies bei 1,48 Arbeitskräften.

Schürch betont, dass die Einkommen in der Landwirtschaft stark schwanken. So lag jenes aus dem Jahr 2023 klar unter dem Vorjahr. «2022 konnten wir grössere Nutzholzverkäufe tätigen, 2023 nicht mehr», nennt sie ein Beispiel. Auch gab es zusätzliche Kosten für Saatgut, weil die erste Aussaat von den Krähen gefressen wurde.

Gabi Schürch und ihr Mann Beat teilen sich das Einkommen hälftig auf und investieren in die Vorsorge für beide. «Wir tragen die Verantwortung gemeinsam. Uns ist es wichtig, dass wir beide abgesichert sind», sagt sie. Das sei insbesondere auch für Beat bedeutend, da sie die Alleineigentümerin des Hofes sei.

Das landwirtschaftliche Einkommen auf ihrem Betrieb entspricht laut Schürch 18 Franken pro Stunde. «Damit lassen sich keine grossen Sprünge machen. Wir müssen mit dem Erlös nicht nur unseren Lebenserhalt bestreiten, sondern unter anderem auch Investitionen tätigen», so Schürch. Diese werden teils durch neue Vorschriften nötig wie etwa beim Güllelager. «Solche Investitionen generieren uns aber keine Mehreinnahmen», erklärt sie.

Aber auch andere Investitionen braucht es: So könnte es sein, dass statt des aktuellen Melkstandes dereinst ein Melkroboter zum Einsatz kommt, wie Beat Schürch erzählt. Aber zunächst analysieren Schürchs genau, ob die Investition sinnvoll ist oder ein Ersatz des alten Melkstandes sinnvoller ist.

Beat Schuerch Jin

«Einkommensschere geht auf»

Gemäss Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbandes SBV, geht die Einkommensschere zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Bevölkerung immer stärker auf. «60 Prozent der Bauernfamilien erreichen das Vergleichseinkommen nicht», sagt er. Essenziell für Rufer sind faire Produzentenpreise.

«In vielen Bereichen, besonders im Pflanzenbau, sind die Preise klar zu tief und decken die zunehmenden Produktionsrisiken nicht ab», so der SBV-Direktor. Das hat unter anderem mit den in den letzten Jahren stark gestiegenen Kosten zu tun. Gleichzeitig haben die zunehmenden Wetterextreme zu grösseren Ernteschwankungen und Ausfällen geführt. Davon sind nicht nur die Pflanzenbaubetriebe betroffen, sondern auch die Tierhalter, weil der Futterbau ebenfalls betroffen ist. Hinzu kommen immer grössere Einschränkungen beim Pflanzenschutz. 

Aber auch die jüngsten Preissenkungen im Detailhandel bereiten dem Bauernverband Sorge. «Diese lassen bezüglich fairer Entlöhnungen der Bauernfamilien nicht viel Gutes erwarten», schätzt Rufer die Lage ein.

Für Bauernverbandsdirektor Markus Ritter ist aufgrund der Situation klar, dass in der Agrarpolitik ab 2030 die ökonomische Nachhaltigkeit und damit die Einkommen im Zentrum stehen müssen. Bei den drei Säulen der Nachhaltigkeit sei die Landwirtschaft ökologisch auf gutem Weg. Ökonomisch und sozial hingegen nicht. «Irgendwann gibt es niemanden mehr, der für 17 Franken pro Stunde fast Tag und Nacht zu arbeiten gewillt ist», so Ritter.

Ein Blick zum Junglandwirten

Autorin: Pascale Bieri/AGIR, Übersetzung und Anpassungen LID

Damien Rey ist Präsident der Junglandwirtekommission (JULA) des Bauernverbandes. Trotz der schwierigen Einkommenssituation will er sich voll der Landwirtschaft widmen.

Derzeit teilt Rey seine Zeit zwischen einer 60%-Stelle beim Waadtländer Bauernverband Prométerre und dem Familienbetrieb in Châtonnaye im Kanton Freiburg auf. Ab März nächsten Jahres wird er seine Bürotätigkeit auf 20% reduzieren, um sich zu 80% dem Bauernhof zu widmen. In vier oder fünf Jahren möchte er den Milchviehbetrieb, auf dem Milch für die Produktion von Gruyère AOP produziert wird, vollständig übernehmen.

Aber warum hat er sich so entschieden, obwohl er anderswo deutlich mehr verdienen könnte? «Landwirt zu sein ist nicht nur ein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung», sagt er. «Ich arbeite mit der Natur, kümmere mich um die Tiere und produziere Nahrungsmittel. Es ist ein Beruf, der meinem Leben einen echten Sinn gibt.»

«Ich habe mich zunächst aber tatsächlich gefragt, ob sich der Aufwand lohnt», räumt Damien Rey ein. «Einen Betrieb zu übernehmen bedeutet nicht nur, ein Familienerbe fortzuführen. Es bedeutet, Prozesse zu überdenken, Strukturen anzupassen und langfristig zu planen. Und all das kann nur funktionieren, wenn die Produzentenpreise die Produktionskosten und Risiken decken können.»

Auch die Direktzahlungen spielen eine grundlegende Rolle. Auch wenn 80 Prozent des Einkommens der Bauernfamilien aus dem Verkauf ihrer Produkte stammen. «Mit diesen Hilfen werden die von uns erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen, wie die Landschaftspflege, abgegolten. Aber jedes Jahr gegen Budgetkürzungen kämpfen zu müssen, ist unhaltbar», sagt Damien Rey. Es brauche Stabilität, um in die Zukunft blicken zu können.

Braucht es Nebenerwerb?

Die Suche nach qualifiziertem Personal bleibt eine grosse Herausforderung. «Im Herbst haben wir jemanden gesucht. Wir haben nicht viele Anrufe erhalten. Dabei hatten wir das Angebot breit gestreut», sagt der junge Freiburger weiter. Er fragt sich auch, ob er nach der Übernahme und den notwendigen Investitionen Vollzeit auf seinem Betrieb arbeiten kann. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich eine zusätzliche Arbeit haben muss, um ein ausreichendes Einkommen und eine gewisse Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Es ist ein frustrierend, dass ich ein externes Einkommen suchen muss, um genug zu produzieren, um die Bevölkerung zu ernähren», sagt er.

Da der Betrieb in Châtonnaye aktuell zu dritt bewirtschaftet wird, gibt es gelegentlich eine freien Sonntag: «Ich hoffe, dass ich diesen Komfort beibehalten kann, wenn ich die Zügel des Hofes wieder voll in die Hand nehme. Ansonsten frage ich mich, ob ich in 15 Jahren mit meinem Ingenieurdiplom immer noch für 17 Franken pro Stunde arbeiten möchte...»

In der Zwischenzeit zieht es Damien Rey trotz aller Schwierigkeiten vor, «das Glas halbvoll zu sehen». Und sich aktiv für den Beruf einsetzen. Als Präsident der Junglandwirtekommission des SBV setzt er sich insbesondere dafür ein, die städtische Bevölkerung für die landwirtschaftlichen Realitäten zu sensibilisieren: «Wir müssen weiterhin zeigen, dass wir im Gegensatz zu gewissen Klischees unser Bestes geben, um das Wohlergehen der Tiere zu gewährleisten und die Natur zu schützen. Unsere Priorität ist es, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu produzieren, aber die breite Öffentlichkeit muss verstehen, dass dies seinen Preis hat.»