Forschung für die Zukunft: Landwirtschaftliche Biomasse besser nutzen

Der neue Biomasse-Forschungshub der HAFL in Zollikofen vereint Wissenschaft und Landwirtschaft, um nachhaltige Lösungen für Klimaschutz, Energiegewinnung und die Industrie zu entwickeln. Von der Nutzung von Hofdünger für Biogas über Mikroalgen als CO₂-Binder bis hin zur Herstellung erneuerbarer Kunststoffe – der Hub will zeigen, wie Biomasse zur Grundlage einer umweltfreundlichen Zukunft werden kann.
Zuletzt aktualisiert am 10. Januar 2025
von Renate Hodel
4 Minuten Lesedauer
Forschung Biomasse Forschungshub HAFL Fermentationslabor 01 Rho
Ein Mitglied des Forschungsteams erklärt im Fermentationslabor, wie aus Mikroalgen Lipide gewonnen werden. (rho)

Die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen hat einen neuen Biomasse-Forschungshub eröffnet. In den modernen Labors widmet sich die Forschung den zahlreichen Möglichkeiten, Biomasse für eine nachhaltige Zukunft zu nutzen. Die Forscherinnen und Forscher arbeiten daran, Lösungen für die Energiewende, den Klimaschutz und die Landwirtschaft zu entwickeln. Ziel ist es, die Forschungsergebnisse in konkrete Anwendungen zu überführen, die sowohl wirtschaftlich als auch umweltfreundlich sind.

Energie direkt vom Hof

Eines der zentralen Themen ist die Nutzung von Hofdünger wie Gülle. Laut Prof. Dr. Michael Studer, Leiter des neuen Biomasse-Forschungshubs, wird bisher nur ein Bruchteil der Gülle in der Schweiz effizient genutzt. «Gülle macht etwa die Hälfte der ungenutzten Biomasse in der Schweiz aus – wir arbeiten daran, diese Ressourcen zu erschliessen», erklärt Michael Studer. «Gülle ist jedoch ein herausforderndes Substrat», betont er weiter, «sie besteht zu 95 Prozent aus Wasser und ist geografisch stark verteilt – unsere Aufgabe ist es, Technologien zu entwickeln, die diese Nachteile überwinden und Gülle als Ressource nutzbar machen.» Dazu entwickelt das Team kleine Biogasanlagen, die direkt auf den Bauernhöfen installiert werden können. Diese Anlagen wandeln Gülle vor Ort in Methan um, das anschliessend ins zentrale Erdgasnetz eingespeist werden kann.

Der Kanton Bern, der laut Michael Studer schweizweit die grösste Menge an Hofdünger produziert, ist der ideale Standort für dieses Projekt. «Der Kanton Bern hat das grösste Biomasse-Potential des Landes, weshalb es nur logisch ist, hier anzusetzen», so Michael Studer. Bereits befindet sich eine erste Demonstrationsanlage im Bau, um die Praxistauglichkeit der Technologie zu testen.

Forschung Biomasse Forschungshub HAFL Nasslabor Steam Gun 01 Rho

Biomasse als Kohlenstoffquelle

Ein weiteres vielversprechendes Forschungsfeld liegt in der Nutzung von Biomasse als erneuerbare Kohlenstoffquelle für die chemische Industrie. «Die Industrie ist auf Kohlenstoff angewiesen, der bisher fast ausschliesslich aus fossilen Quellen wie Erdöl stammt», erklärt Michael Studer und ergänzt: «Biomasse ist die einzige erneuerbare Alternative, die in grösserem Umfang verfügbar und wirtschaftlich ist.»

Am Biomasse-Forschungshub werden neue biotechnologische Verfahren entwickelt, um Biomasse in organische Chemikalien und Kunststoffe umzuwandeln. Diese könnten fossile Rohstoffe ersetzen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gleichzeitig wird untersucht, wie die Nutzung von Biomasse in der Industrie effizienter gestaltet werden kann, um Ressourcen zu schonen.

Negative Emissionen: CO₂ dauerhaft speichern

Die Forschung in Zollikofen beschäftigt sich ausserdem mit sogenannten Negativemissionstechnologien. Diese Technologien ziehen ausgestossenes CO₂ aus der Luft und binden es dauerhaft, zum Beispiel in Pflanzenkohle. «Selbst wenn wir die CO₂-Emissionen in vielen Bereichen senken, wird es immer Reste geben, insbesondere in der Landwirtschaft», sagt Michael Studer. Pflanzenkohle könnte helfen, diese Überschüsse zu kompensieren und gleichzeitig die Bodenqualität zu verbessern.

Zusätzlich erforscht das Team Methoden, wie Biogasanlagen negative Emissionen erzeugen können, indem sie CO₂ dauerhaft aus der Atmosphäre entfernen.

Mikroalgen: Kleine Helfer mit grossem Potential

Ein besonders innovatives Projekt im Biomasse-Forschungslabor befasst sich mit Mikroalgen. Diese winzigen Organismen können CO₂ binden und dabei Lipide produzieren, die als nachhaltige Alternative beispielsweise zu Palmöl dienen. «Mit einem speziellen Verfahren lassen wir Mikroalgen in einem Biofilm wachsen, wodurch die Effizienz deutlich gesteigert wird», erklärt Michael Studer. Die gewonnenen Lipide könnten beispielsweise in der Herstellung von Flugzeugtreibstoff eingesetzt werden – ein wichtiger Schritt hin zu einer fossilfreien Zukunft.

Zusätzlich könnten Mikroalgen bei der Reinigung von Abwässern eingesetzt werden, wodurch sie einen doppelten Nutzen bieten: die Reduzierung von CO₂ und die Verbesserung der Wasserqualität. Diese Ansätze befinden sich jedoch noch in der Grundlagenforschung und benötigen weitere Jahre der Entwicklung.

Forschung Biomasse Forschungshub HAFL Fermentationslabor Bioreaktor Mikroalgen 01 Rho
In den Bioreaktoren wachsen Mikroalgen, die wertvolle Lipide produzieren. (rho)

Landwirtschaft als Teil der Lösung

Der neue Biomasse-Forschungshub zeigt eindrucksvoll, wie Landwirtschaft und Wissenschaft gemeinsam an Lösungen für globale Herausforderungen arbeiten. Neben der Produktion von Lebensmitteln kann die Landwirtschaft auch einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz leisten. «Unser Ziel ist es, der Landwirtschaft nachhaltige und praktikable Lösungen bereitzustellen», betont Peter Spring, Agronomieleiter an der HAFL.

So will der Biomasse-Forschungshub ein Beispiel dafür sein, wie durch interdisziplinäre Zusammenarbeit innovative Lösungen entstehen können, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind.