KI und Co. – Zeitenwende in der Land- und Ernährungswirtschaft
Von der Drohne im Rebberg bis zum KI-gestützten Backprozess: Innovative Technologien revolutionieren die Land- und Er...
Die Berner Fachhochschule BFH-HAFL organisierte im Mai einen Workshop, der die «Revitalisierung der nordöstlichen Agrarflächen und Ökosysteme der Ukraine» zum Thema hatte. Der Austausch wurde durch Dr. Olena Melnyk, Senior Researcher des Institute of Environmental Decisions an der ETH Zürich, koordiniert.
Der Fachanlass fokussierte auf die Region Sumy. Olena Melnyk stellte dafür den Kontakt mit ihrer Stamm-Universität Sumy National Agrarian University (SNAU) her. Die Oblast (Region) Sumy konnte bereits am 8. April 2022 von der russischen Besetzung befreit werden. Ein erstes Projekt zur Wiederinstandsetzung der kriegsgeschädigten Ackerflächen setzt hier an und bezieht die Oblasten Sumy, Kharkiv und Chernihiv mit ein. Diese Regionen waren im Frühling 2022 teilweise russisch besetzt, die Ukraine befreite sie im Verlauf des letzten Jahres.
Im Rahmen des Workshops wurde ein laufendes Projekt zur «Land Remediation» (Bodensanierung) vorgestellt, eine Kooperation zwischen der Sumy National Agrarian University und der Royal Agricultural University RAU (UK).
20 ukrainische Bodenproben wurden seitens der SNAU an die Fachleute der RAU, ETH Zürich sowie BFH-HAFL und dem Kompetenzzentrum Boden (KOBO) übergeben, um sie mit verschiedenen Protokollen zu analysieren. Als nächster konkreter Schritt steht der Austausch von Ergebnissen und die Diskussion von Methoden zur Bodensanierung an.
Die Zerstörung des Kakhovka-Damms hatte die Verwüstung einer der wichtigsten Kultur- und Agrarlandschaften der Ukraine zur Folge. Mark Horton, Director of Research am «Royal Agrarian University» RAU, betont, dass jetzt rasche Unterstützung notwendig sei, weil ansonsten die Ackerflächen langfristig verloren gingen. «Es wird lange dauern, bis der Damm repariert ist, und wir müssen jetzt handeln, um den Fortbestand der Betriebe langfristig zu sichern. Wir weiten unser Projekt deshalb auf diese Situation aus. Wir sind besonders daran interessiert, wissenschaftliche Lösungen für die Aufrechterhaltung der landwirtschaftlichen Produktivität ohne Bewässerungssysteme zu erarbeiten und dafür zu sorgen, dass die ausgetrockneten Böden, die nun nicht mehr regelmässig bewässert werden, erhalten bleiben.»
Derzeit führten die SNAU und die RAU ein gemeinsames Forschungsprojekt durch, um die Auswirkungen des Krieges zu untersuchen - insbesondere die Auswirkungen von Granaten, Raketen und Flugkörpern auf die Agrarlandschaft, sagt Mark Horton, Director of Research an der RAU.
«Dazu werden mehrere Bodenproben entnommen, die wir mit Hilfe der Röntgenbeugung analysieren, um die Schwermetall- und Sprengstoffkontamination zu messen. Dies wird dazu beitragen, die Pläne für die Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Flächen zu untermauern und die Ernährungssicherheit in der Zukunft zu gewährleisten», erklärt Horton.
Der Workshop war das erste Treffen der beteilgten Institutionen, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame weitere Schritte zu planen. «Da auch die BFH seit rund fünf Jahren mit der SNAU zusammenarbeitet und über fundierte Fachkenntnisse im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft verfügt, haben wir darüber diskutiert, wie wir unsere Bemühungen bündeln können, um unsere Ideen zu verbreiten und Landwirte in der Ukraine zu unterstützen», sagt Olena Melnyk, die ein positive Bilanz des Treffens zieht.
Das CAS «Rebuild Ukraine» eine öffentlich-private Initiative unter der Leitung der Berner Fachhochschule BFH, unterstützt vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. Es befähigt die Teilnehmenden, Projekte zum Wiederaufbau der Ukraine zu evaluieren, mitzugestalten und zu leiten. Insgesamt 20 Partner aus dem öffentlichen und privaten Sektor unterstützen das Angebot, darunter weitere Schweizer und ukrainische Hochschulen sowie Schweizer Privatunternehmen.
«Das CAS Rebuild Ukraine hat eine Plattform für ein wachsendes Netzwerk von schweizerischen und ukrainischen Akteuren geschaffen, die an einer Zusammenarbeit für Projekte zum Wiederaufbau der Ukraine interessiert sind», so die positive Bilanz von Dr. Mariana Melnykovych ist als Wissenschaftliche Mitarbeiterin der BFH-HAFL, im CAS-Programm verantwortlich für die Kontakte mit den ukrainischen Partnerorganisationen.
Für die nächste CAS-Durchführung ist eine Ausweitung des CAS-Schwerpunkts geplant, kündigt Dr. Mariana Melnykovych an: «Im nächsten Semester werden landwirtschaftliche Projekte im Mittelpunkt stehen. Wir laden die Schweizer Agrarindustrie zur Mitarbeit ein.»
Jan Grenz weist auf eine wichtige Auswirkung des russischen Angriffskriegs hin, die in den Front-Schlagzeilen oft zu kurz kommt: Viele der härtesten Kämpfe finden in landwirtschaftlich vorteilhaft flachen Agrargebieten mit einem hohen Anteil an Schwarzerde-Ackerflächen statt.
Olena Melnyk zur global wirksamen Bedeutung, welche dem Erhalt der ukrainischen Agrarflächen zukommt. «Wussten Sie, dass etwa 30% des ukrainischen Bodens, d. h. 17,4 Millionen Hektar, aufgrund des Krieges potenziell gefährlich sind? Dies stellt eine erhebliche Bedrohung für die Umwelt und den Boden der Ukraine dar, wenn man bedenkt, dass das Land ein wichtiger Getreideproduzent weltweit ist», sagt Olena Melnyk zur globalen Bedeutung der ukrainischen Agrarflächen. Neben offensichtlichen Gefahren wie verminten Feldern, Blindgänger-Granaten gebe es auch weniger gut sichtbare Kontaminationen der betroffenen Böden.
Seit mehreren Jahren unterhält die Berner Fachhochschule BFH-HAFL Kooperationen mit ukrainischen Partnerorganisationen. Trotz des Krieges werden diese aufrecht erhalten, wie Prof. Dr. Jan Grenz, Dozent für Nachhaltigkeit, sagt: «Die HAFL hat ein Mobilitätsprogramm lanciert, um ukrainische Forschende zu unterstützen, die weiterhin in der Ukraine bleiben und arbeiten. Im letzten Winter besuchten vier dieser Forschenden mit ihren Familien für zwei Monate die HAFL, als die russischen Angriffe regelmässig Stromausfälle verursachten. An der HAFL konnten die ukrainischen Fachleute neue Kontakte knüpfen und ihre Forschungstätigkeit fortführen.»
Kooperationsfeld Nachhaltige Landwirtschaft
Jan Grenz gibt eine Übersicht zu Forschungskooperationen: «Die Zusammenarbeit mit der Ukraine ist uns ein zentrales Anliegen. Das kurz vor dem Abschluss stehende Projekt «Advancing sustainable agriculture in Ukraine» fördert nachhaltige Landwirtschaft im Rahmen einer öffentlich-privatwirtschaftlichen Partnerschaft, koordiniert durch das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO.»
Am Sitz der Schweizer Botschaft in Kyiv stellt Viktor Shutkevych als Verantwortlicher vor Ort im Auftrag des SECO, die Umsetzung sicher. Die Industriepartner dieses Projekts sind Nestlé Ukraine, Nestlé HQ und PepsiCo. «Wir hatten über einen Wirtschaftsbeirat den Kontakt zu zahlreichen weiteren potenziellen Partnern etabliert. Leider musste diese Vernetzung wegen des Krieges auf Eis gelegt werden», so Grenz.
Die Ukraine - und die Welt – könne nicht warten, bis der Krieg beendet sei, so Olena Melnyk. Die Grundlagen für die Wiederherstellung des Bodens müssten schon heute geschaffen werden, indem man mit den Menschen vor Ort zusammenarbeite, die in der Lage sind, operativ und agil zu arbeiten.
Als erste Schritte gelte es, die landwirtschaftlichen Flächen zu kartieren, um Gefahren und Kontaminationen zu dokumentieren und Prioritäten für die Produktion, die Sanierung und den Schutz der Flächen zu setzen. «Die Wiederherstellung einer sicheren und produktiven Landwirtschaft in der Ukraine erfordert eine Investition, die in Umfang und Ausmass einem Marshall-Plan entspricht», so Melnyk.
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