Bessere Einkommen dank Milch und Fleisch
Der Arbeitsverdienst von Landwirtinnen und Landwirten ist zwischen 2015 und 2022 um rund ein Viertel gestiegen. Zwisc...
Bernard Lehmann ist als Vorsitzender der erste Schweizer im UNO-Gremium HLPE-FSN, seit es 2010 ins Leben gerufen worden ist. Das Gremium ist unter anderem dafür zuständig, den aktuellen Stand der Ernährungssicherheit und die Ursachen der Probleme zu analysieren und zu bewerten. Es liefert zudem wissenschaftliche Analysen und Vorschläge zu politikrelevanten Themen. «Das Ziel ist es immer, die identifizierten Probleme zu entschärfen», sagt Bernard Lehmann. Das HLPE-FSN habe auch den Claim «Where Science and Policy meet». Er habe in seiner Laufbahn beides gesehen (siehe Textbox) und könne jetzt in einer Brücke dazwischen arbeiten.
Das HLPE-FSN gehört zum Committee on World Food Security (CFS), einem Ernährungsausschuss der Vereinten Nationen. Vom HLPE-FSN entwickelte Guidelines gehen erst in dieses Parlament, in dem Staaten, UN-Organisationen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und die Privatwirtschaft vertreten sind, und erfahren dort eine Art Vernehmlassung. Nachdem sie diese durchlaufen haben, können sie von den Staaten angewendet werden.
«Das ist extrem wertvoll», sagte Bernard Lehmann an einer Veranstaltung von «SVIAL – My Agro Food Network» in Bern. «Gerade die armen Ländern betonen immer wieder, das sei genau, was sie für ihre Agrarpolitik bräuchten.» Diese Länder haben keine mit der Schweiz vergleichbaren Bundesämter, welche eine Agrarpolitik entwickeln. Sie können die Guidelines übernehmen und darauf basierend ihre Gesetzgebung ausrichten. Es sei zudem ein grosser Vorteil, dass die Agrarpolitiken der verschiedenen Länder in dieselbe Richtung gingen, wenn die Guidelines übernommen würden, so Lehmann.
Besonders wichtig im Gremium sei die multilaterale Zusammenarbeit, die einen Blick aufs Ganze ermögliche und zahlreiche Aspekte miteinbeziehe, betont Lehmann. Das ganze Food System sei riesig – da sprechen nicht nur Agronomen mit, sondern auch Mediziner oder Klimaexperten. Entsprechend reichhaltig ist denn auch die Anzahl an Organisationen, die im Food System tätig sind.
Die Ernährungssicherheit zu stärken, ist dringend nötig. 1,6 Milliarden Menschen leiden aktuell an Hunger und Mangelernährung. Das sei ein riesiges Problem, so Lehmann. Die Kinder entwickelten sich schlecht, was sich unter anderem auch auf die intellektuellen Fähigkeiten auswirke. «Es ist dramatisch», so Lehmann. Es gebe für die Situation direkte Gründe wie die mangelnde lokale Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln.
Aber ebenso bedeutend sind die indirekten Gründe, von denen Lehmann vor allem die mangelnde Kaufkraft hervorhob. Die Menschen können es sich schlicht nicht leisten, genügend oder richtig zu essen. Die Covid-Pandemie verschlechterte die Situation. «Viele Menschen weltweit arbeiten als Tagelöhner. Bei einem Lockdown verlieren sie sofort ihren Job», so Bernard Lehmann. Im Schnitt hätten diese Menschen noch drei Tage Geld für Nahrungsmittel gehabt, danach sei Schluss gewesen.
Ebenso ein Ernährungsproblem ist die Fehlernährung, die z.B. zu Übergewicht führt. Auch hier sind weltweit 1,6 Milliarden Menschen betroffen. «Zusammengenommen haben rund 40% der Menschheit wegen dem Essen ein echtes oder ein potenzielles Gesundheitsproblem», betont Lehmann.
Vielfältige Laufbahn: Verband, Forschung, Politik
Bernard Lehmann hat in seiner Laufbahn die Landwirtschaft aus verschiedenen Perspektiven kennengelernt. Aufgewachsen auf einem Waadtländer Bauernhof holte er nach dem Abbruch einer landwirtschaftlichen Lehre die Matura nach und schloss an der ETH Zürich das Studium der Agrarökonomie ab. Nach der Dissertation ging er zum Schweizerischen Bauernverband, bevor er sieben Jahre später als ordentlicher Professor für Agrarökonomie an die ETHZ zurückkehrte. Nach der Arbeit in Verband und Bildung trat er 2011 die Stelle als Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) an, die er 8 Jahre lang innehatte. Aktuell beschäftigt er sich hauptsächlich mit Fragen der globalen Ernährung, so unter anderem als Vorsitzender des UNO-Gremiums High Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition (HLPE-FSN).
Ein Blick in die Zukunft birgt wenig Hoffnung für Optimismus: Regionen, wo aktuell bereits Hunger herrscht, sind auch am stärksten vom Klimawandel betroffen und weisen das höchste Bevölkerungswachstum auf. Und wieder zurück zum Geld: Es sind die Staaten, in denen auch die grösste Armut herrscht. «Wenn man das alles zusammen anschaut, zeigt sich: Wir haben ein grosses Problem», sagt Lehmann klar. Das Hungerproblem verschärfe sich, es sei eine enorme Herausforderung. Wenn man nicht handle «laufen wir an die Wand.»
Klar ist für Lehmann: Der Status Quo ist keine Option. Es brauche eine grundlegende Transformation der Ernährungssysteme. Kleine Anpassungen seien nicht ausreichend. Es brauche bessere Rahmenbedingungen für die lokale Produktion und den Zugang zu Nahrung in den defizitären Welt-Regionen, wozu u.a. Armutsbekämpfung, bessere Rechte und Ausbildung ebenso gehören wie die Verhinderung von Food Losses. Zudem sei es nötig, die Resilienz der Ernährungssysteme zu stärken, damit Schocks wie etwa der Ukraine-Krieg abgefedert werden könnten.
Grundsätzlich würden mehr als genügend Kalorien produziert, 5900 pro Mensch und Tag. Nachernteverluste oder auch die Nutzung als Bioethanol verringern den Wert. Lehmann plädiert dafür, den Konsum von den tierischen zu den pflanzlichen Proteinen zu verschieben. «60% der pflanzlichen Proteine werden gefressen, 40% gegessen», so Lehmann. Das sei korrigierbar, wenn man den möchte. «Wir müssen nicht mehr produzieren, es aber anders einteilen.»
SVIAL-Geschäftsführer Marcel Anderegg warf die Frage auf, wieso die teils schon länger bekannten Lösungsansätze es schwierig hätten, den Weg in die Praxis zu finden. Lehmann sprach diverse Probleme an. So habe der Anteil der Menschen mit Hunger wegen längerer oder öfter auftretenden Dürren zugenommen. Auch behinderten Konflikte etwa in Afrika, Pakistan oder Afghanistan die Produktion und Verteilung der Nahrungsmittel. Das seien nicht Probleme, welche die Agronomen alleine lösen könnten, da brauche es viel Interdisziplinarität. Teils müsse der Druck auf die Länder erhöht werden, damit sie handelten und sie müssten sich erklären, wieso es keinen Fortschritt gebe.
Bernard Lehmann betonte weiter, dass Nothilfe, Investitionen, Entwicklungszusammenarbeit sowie Ausbildung und Forschung von grosser Bedeutung für den globalen Süden seien. So ergänzten sich auch die Arbeit des CFS und der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO gut (siehe LID-Artikel «Vom Ziel weit entfernt» vom 24. Februar 2023). Diese leistet technische Hilfe vor Ort, während das CFS die Rahmenbedingungen dafür schafft.
Auch wenn die Probleme globaler Natur sind, nicht alle Staaten leisten gleich viel. Die Beiträge der Schweiz, Frankreichs oder Deutschlands seien enorm wichtig für die Arbeit des HLPE-FSN. Andere Staaten foutierten sich aber darum, so Lehmann. So hat die HLPE-FSN aktuell 13 Gönnerstaaten.
Der Arbeitsverdienst von Landwirtinnen und Landwirten ist zwischen 2015 und 2022 um rund ein Viertel gestiegen. Zwisc...
Neben staatlichen Interventionen braucht es Vielfalt und Wettbewerb damit sich die Landwirtschaft weiterentwickelt, s...
Die Schweizer Landwirtschaft protestiert auf dem Bundesplatz in Bern gegen die geplanten Sparmassnahmen des Bundesrat...