Tradition und Innovation mit Rüben
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Vor dreissig Jahren kamen Ruedi Schweizer mit seiner Frau Daniela, sein Bruder Stefan mit dessen Frau Pia und Philipp Birri zusammen nach Ernen. Als Forst- und Landschaftspflegeunternehmen erledigten sie Aufträge wie Schneeverbauungen, Aufforstung und Bergwaldpflege. Die heutige BG Birri/Schweizer wollte zusammen Geld verdienen, um sich den Traum vom eigenen Landwirtschaftsbetrieb zu erfüllen. «Wir haben gemerkt, dass wir gut zusammen können, gleiche Interessen haben und gerne zusammen in der Landwirtschaft arbeiten würden», erzählt Ruedi Schweizer.
Zum Wohnhaus im Dorfkern von Ernen gehörte etwas Land. «Allerdings zu viel zum Gärtnern und zu wenig zum Bauern», sagt Ruedi Schweizer weiter. So hätten sie ein paar Pro-Specie-Rara-Schafe gekauft, um das Land zu bewirtschaften. Über die Jahre sei ihnen aber hie und da wieder ein Stück Land oder ein «Gaden» mehr zur Pacht angeboten worden und zu den Schafen gesellten sich Hinterwälder Kühe, sodass der gelernte Landwirt Philipp Birri schliesslich zuhause blieb, um den wachsenden Kleinbetrieb zu bewirtschaften. Als es 1992 schliesslich starke Subventionskürzungen im Forstbereich gab, die auch die bundessubventionierte Arbeit im Bergwald betraf, musste sich die Lebensgemeinschaft neu orientieren.
«Zu dieser Zeit bewirtschafteten wir etwa zehn Hektaren Landwirtschaftsland – zu wenig, um eine Familie zu ernähren, geschweige denn drei», führt Ruedi Schweizer aus. Als zwei Nachbarn aufhörten zu bauern, konnten sie den Betrieb auf 18 bis 20 Hektaren vergrössern. Allerdings seien sie weiter auf andere Verdienste angewiesen gewesen. So sei Philipp Birri beispielsweise über seine Frau Ingrid, die in Ernen einheimisch und ausserdem Posthalterin war, zu einem Teilzeitpensum als Pösteler gekommen und er und seine Frau seien im Winter einer Skilehrer-Tätigkeit nachgegangen, erklärt Ruedi Schweizer weiter.
Genau wie die Lebensgemeinschaft ist auch der Landwirtschaftsbetrieb über die Jahre gewachsen. Irgendwann war der Betrieb grösser als 25 Hektaren und die Betriebsfamilien sahen sich erneut vor einer Herausforderung: In den 1990er-Jahren wurden Direktzahlungen nur für Betriebe mit einer Grösse von maximal 25 Hektaren ausbezahlt. So haben die Familien auf dem Papier zwei Betriebe gegründet und sind dann die Betriebsgemeinschaft Birri/Schweizer eingegangen. «So konnten wir unseren Bergbetrieb wie bis anhin weiter bewirtschaften und hatten trotzdem die Chance, davon zu leben», erklärt Ruedi Schweizer. Um drei ebenfalls wachsende Familien aber auch weiterhin zu ernähren, mussten dennoch andere Betriebszweige erschlossen werden. Birri-Schweizers fingen dann mit Maultier-Trekking an und betrieben diesen Betriebszweig lange sehr intensiv – bis Stefan Schweizer an MS erkrankte. «In den letzten Jahren haben wir diesen Betriebszweig darum wieder stark zurückgefahren und konzentrieren uns vornehmlich auf Tagestourismus», erklärt Ruedi Schweizer.
Betriebsform: Betriebs- und Lebensgemeinschaft BG Birri/Schweizer bestehend aus drei Familien in Ernen im Wallis
Betrieb: Rund 50 Hektaren mit Tierhaltung, Gemüse- und Kräuterbau sowie sanftem Tourismus – Knospe- und KAG-Zertifizierung seit 1992 sowie Demeter-Zertifizierung seit 1998
Tiere: Hinterwäldler Rinder, Walliser Landschafe, Wollhaarige Weideschweine, Maultiere und ein paar Hühner
Direktvermarktung: Rind- und Schweinefleisch, Gemüse, Tee- und Gewürzkräuter, Früchte und Blumen
www.berglandhof.ch
Nebenbei sind auch andere Betriebszweige gewachsen: Auf rund 1,5 Hektaren entstanden die Berglandhof-Gärten, auf denen Kräuter, Frisch- und Lagergemüse gezogen und anschliessend zu Gewürz- und Teemischungen oder Suppengemüse weiterverarbeitet werden. Nicht nur einkommensmässig, sondern auch marketingtechnisch seien die Gärten über die Jahre zu einem sehr wichtigen Betriebszweig geworden: «Unsere Produkte erlangten Bekanntheit und wurden durch den Agrotourismus auch über die Regionsgrenzen hinausgetragen», erklärt Ruedi Schweizer.
2017 kam dann auch noch das Hotel dazu. Und obwohl für das kleine Hotel mit Restaurant eigens eine Aktiengesellschaft gegründet wurde und Landwirtschaft und Hotel also zwei verschiedene paar Schuhe sind, so profitieren die beiden Betriebe doch von Synergien. Der Hotelbau beherbergt die Verarbeitungsanlage für das Gemüse und die Kräuter und das Hotel ist natürlich auch ein weiterer Kanal, wo die BG Birri/Schweizer ihre Produkte verwerten und vermarkten kann. Heute umfasst der Berglandhof in Ernen rund 50 Hektaren und wird nach biologisch-dynamischen Prinzipien bewirtschaftet: Die Knospe- und KAG-Zertifizierung besitzt der Betrieb seit 1992, die Demeter-Zertifizierung seit 1998.
«Die Bezeichnung Betriebs- und Lebensgemeinschaft ist einerseits einfach eine Bezeichnung für das was wir sind, darstellen und machen. So sind wir einfach gewachsen – ursprünglich aus einer simplen Wohngemeinschaft heraus», erzählt Ruedi Schweizer weiter. Obwohl die BG Birri/Schweizer keine typische Betriebsgemeinschaft sei, profitierten sie dennoch von all den Vorteilen, die eine (Betriebs-)Gemeinschaft ausmache.
«Die Arbeit und die Verantwortlichkeiten verteilen sich auf verschiedene Schultern», meint Ruedi Schweizer und ist überzeugt, dass der Betrieb ohne die Gemeinschaft heute nicht das wäre, was er ist. «Ohne die Gemeinschaft wäre der Betrieb, wie wir ihn führen, so nicht denkbar und machbar.» Die Demeter-Bewirtschaftung sei als Gemeinschaft und entsprechend mit mehr Leuten, die anpacken können, einfacher und Neidsituationen sowie Druck von aussen sei mit der Betriebs- und Lebensgemeinschaft besser auszuhalten. «Man ist resilienter, man kann sich austauschen und ist weniger angreifbar», sagt Ruedi Schweizer weiter.
Regelmässiger Austausch sei trotz Lebensgemeinschaft und zum Teil Familienbande aber trotzdem wichtig und so machten sie regelmässige Arbeitssitzungen. So könne auch die Arbeit geplant werden und allenfalls Personalkraft je nach Spitze des jeweiligen Bereichs untereinander ausgetauscht werden: «Zum Beispiel, wenn im Gemüsegarten 1’500 Kohlsetzlinge gesetzt werden müssen oder wenn es ums Heuen geht.»
Auch grössere Investitionen und so weiter müssten natürlich besprochen sein – durch die langjährige Gemeinschaft sei aber natürlich viel Vertrauen da und ausserdem habe die Betriebsgemeinschaft eine spezielle Lohnstruktur: «Alles was wir verdienen, geht in einen Topf und wird zu gleichen Teilen verteilt – egal wer, wann, welchen Job macht oder gemacht hat», erklärt Ruedi Schweizer. Da alle in dieselbe Kasse wirtschafteten, könne sich auch niemand auf Kosten der anderen bereichern. Das Ziel sei schliesslich simpel: «Dass der Betrieb läuft und dass wir davon leben können.»
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