Mist und Gülle haben Potential, Treibhausgase zu vermeiden

Wird Mist und Gülle in Biogasanlagen vergärt, werden die Treibhausgasemissionen bei der Hofdüngerlagerung minimiert. Das Biogas könnte auch aufbereitet werden und der chemischen Industrie als erneuerbare Kohlenstoffquelle dienen. Diese und weitere Möglichkeiten, den Treibhausgasausstoss der Landwirtschaft zu vermindern, erklärt HAFL-Forscher Michael Studer im Agrapolitik-Podcast.
Zuletzt aktualisiert am 3. Dezember 2024
von Edith Nüssli
4 Minuten Lesedauer
Michael Studer HAFL Zvg

«Die grössten Hebel, den Ausstoss von Klimagasen in der Landwirtschaft zu senken, sind der Energieverbrauch, die Nutztierfütterung und die Hofdüngerlagerung», stellt HAFL-Forscher Michael Studer fest. Der Schwerpunkt seiner Forschung ist, Technologien zu entwickeln, um nicht essbare Biomasse wie Abfallholz, Hofdünger oder Maisstroh in hochwertige Chemikalien und Energieträger umzuwandeln.

Zur Person

Michael Hans-Peter Studer ist Forschungsgruppenleiter «Labor für Bioenergie und Biochemikalien» und Dozent für erneuerbare Rohstoffe und Energieträger an der Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften.

Biomasse als Energiequelle

Ein grosser Teil der Emissionen kommt in Form von Methan und Lachgas aus der Hofdüngerlagerung und der Verdauung von Kühen. Michael Studer rechnet, dass allein durch die bessere Lagerung von Hofdünger der Treibhausgasausstoss der Landwirtschaft um eine Million Tonnen CO2-Äquivalente reduziert werden könnte. «In Biogasanlagen werden Hofdünger in einem geschlossenen Raum gelagert und Verluste vermieden», erklärt er. In der Schweiz werden jedoch erst 5 Prozent der Hofdünger in Biogasanlagen vergärt.

Der HAFL-Forscher sieht drei Möglichkeiten, wie Landwirte und Landwirtinnen Biomasse besser nutzen können. Erstens als Energiequelle, zweitens als erneuerbare Kohlenstoffquelle und drittens könnte Biomasse verbrannt und das CO2 aufgefangen und gespeichert werden.

Biogasanlagen für die Stromproduktion können laut Michael Studer Sinn machen, wenn sie dann Strom produzieren, wenn dieser gefragt ist. «Für die Treibhausgasreduktion würde es jedoch mehr bringen, das Biogas zu verbrennen», hält der Forscher fest. Dabei würde im besten Fall gleich viel CO2 in die Luft abgegeben, wie durch die Pflanzen gebunden worden ist. Der Bau von Biogasanlagen wird jedoch vom Staat nur gefördert, wenn aus dem Gas Strom produziert wird.

Biomasse als erneuerbare Kohlenstoffquelle

Kohlenstoff ist für die chemische Industrie unabdingbar, denn er kommt in allen organischen Verbindungen vor. Eine Entkarbonisierungsstrategie wie beim Verkehr ist für diese Industrie deshalb nicht möglich. «Sie muss sich auf eine Defossilisierung fokussieren», so Michael Studer – also den Kohlenstoff aus erneuerbaren Quellen beziehen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Kohlenstoff aus Biomasse gewinnen oder CO2 aus der Luft akkumulieren. Da Biogas eine Mischung von Methan und CO2 ist, müsste es gereinigt werden, damit die Industrie es wie Erdgas verwenden kann, das überwiegend aus Methan besteht. Die Forschungsgruppe um Michael Studer arbeitet an neuen technischen Lösungen dafür. «Methan zu produzieren ist lukrativer als Strom», begründet er.

Für die Reinigung gibt es zwei Ansätze: Entweder werden grosse Biogasanlagen mit Reinigungen gebaut, die von vielen Bauernhöfen gespiesen werden. Dafür muss der Hofdünger transportiert werden. Oder viele kleine dezentrale Anlagen produzieren mit dem vor Ort verfügbaren Hofdünger das Biogas und dieses wird zu einer zentralen Reinigungsanlage transportiert. Die Forschung und Entwicklung gehen derzeit in beide Richtungen. Michael Studer fokussiert auf die Strategie mit dezentralen Biogasanlagen.

Politische Rahmenbedingungen anpassen

Wird Biomasse sequestriert, also verbrannt, das CO2 aufgefangen und in einem Bohrloch versenkt, könnte die Landwirtschaft Negativemissionen produzieren, die sie verkaufen könnte. Dafür braucht es jedoch neue technische Lösungen. Schon bekannt ist die Technik aus Holz Kohle herzustellen und darin CO2 zu binden. Holzkohle und Pflanzenkohle könnten der Wald- und Landwirtschaft als CO2-Senken angerechnet werden. «Wenn die Landwirtschaft schon grosse Biomassebesitzerin ist, dann könnte sie damit auch Geld verdienen», findet der HAFL-Forscher.

Notwendig sind dafür nicht nur neue technische Lösungen, sondern auch andere politischen Rahmenbedingungen. Der Staat müsste den Bau von Biogasanlagen auch dann mitfinanzieren, wenn das Biogas zu biogenem Methan aufbereitet wird. Für den Strom aus Biogas gibt es ausserdem einen gestützten Preis, nicht aber für CO2 oder Methan aus Biogas. Ausserdem sei es auf dem privaten Markt sehr teuer, zu einem Zertifikat für negative CO2-Emissionen zu kommen, so Michael Studer. Um die Kosten für alle Akteure zu senken, plädiert er deshalb für einen staatlich bereitgestellten Marktplatz.

Ist eine klimaneutrale Landwirtschaft möglich oder utopisch?

Dieser Frage geht die 14. Staffel von Agrarpolitik – der Podcast nach. Im Gespräch mit Fachpersonen wird ausgelotet, wie und wie weit die Landwirtschaft den Ausstoss von Treibhausgasen reduzieren kann.

Landwirtschaft kann klimaneutral werden

«Wir haben uns im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu bringen – es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob, sondern wie wir die Emissionen reduzieren können», betont Michael Studer. Für die Landwirtschaft sei er relativ zuversichtlich, dass sie klimaneutral werde. «Aber es bleibt noch viel zu tun», so der Forscher. Er geht davon aus, dass die Schweiz 2050 noch etwa 10 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausstossen wird. Die Landwirtschaft werde dazu etwa 5 Millionen beitragen.

Relativ nimmt der Anteil der Landwirtschaft also zu, absolut trägt die Landwirtschaft dazu bei, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Die 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente entsprechend dem Ziel, ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu reduzieren. Damals verursachte die Landwirtschaft 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, 2020 noch rund 7,2 Millionen Tonnen. Müsste die Landwirtschaft Netto-Null erreichen, müssten Treibhausgase sequestriert werden, so Michael Studer.