Biomethanproduktion – Chancen und Herausforderungen für die Landwirtschaft
Mitte Januar 2025 luden der Verband der Schweizer Gasindustrie VSG, der Verband Biomasse Suisse und die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW zum Bioenergie-Forum nach Brugg im Kanton Aargau. Alles drehte sich um das Thema «Erneuerbare Energie aus dem Schweizer Gasnetz». Die Veranstaltung bot einen Einblick in die neusten Entwicklungen der Biomethanproduktion, die Herausforderungen der Dekarbonisierung und die politischen Strategien zur Förderung erneuerbarer Gase.
Neben Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik kamen auch Vertreter aus dem landwirtschaftlichen Bereich zu Wort. Denn das Schweizer Ziel der 100 Prozent erneuerbaren Gasversorgung bis 2050 wird nur möglich, wenn auf landwirtschaftliche Rohstoffe wie Mist und Gülle gesetzt wird. «Die Landwirtschaft verfügt über das grösste noch ungenutzte Biomassepotential zur energetischen Nutzung, ein Ausbau der Schweizer Biogasproduktion wird also zwangsläufig über die Landwirtschaft stattfinden müssen», sagte Simon Bolli in seiner Präsentation.
Simon Bolli ist Bereichsleiter Biometahn bei Ökostrom Schweiz, dem Fachverband für landwirtschaftliches Biogas. Er zitiert eine Studie, die vorrechnet, dass 15 Prozent des zukünftigen Biogasbedarfs aus Hofdünger produziert werden könnten. Wieviel Prozent dann tatsächlich wirtschaftlich genutzt werden können, sei allerdings eine andere Frage, die von den Rahmenbedingungen abhängt, so Simon Bolli.
Klimafreundlicher Betriebszweig
So oder so bietet die Biogasproduktion eine grosse Chance in mehrerlei Hinsicht für die Schweizer Landwirte, findet Simon Bolli. Für Betriebe mit Tierhaltung kann darin ein zusätzlicher Betriebszweig liegen. «In Deutschland bot die Biogasproduktion für viele eine Chance ihren Hof überhaupt erhalten zu können», sagt der Fachmann. Auch wenn in der Schweiz die Förderung nicht wie in Deutschland primär auf die Landwirtschaft ausgerichtet ist, kann es auch hier für etliche Betriebe eine finanziell interessante Ergänzung sein, ihren Mist oder die Gülle in einer Biogasanlage zur Energieproduktion zu nutzen. Er sei seit 13 Jahren für Ökostrom Schweiz tätig und sehe, wie die nachfolgende Generation an Landwirtinnen und Landwirten nun auch auf die Biogasproduktion setzen, so Simon Bolli. Sie bestätigen die positiven Aspekte, einer solchen Verwertung von Hofdünger.
Die Voraussetzungen stimmen schon mal, denn mit rund 130 landwirtschaftlichen Biogasanlagen ist die Dichte in der Schweiz gross. Und wo eine Einspeisung in ein Gasnetz nicht direkt machbar ist, gibt es neue Möglichkeiten, wie später noch aufgezeigt wird. Interessant ist die Herstellung von Bioenergie auch, weil so der Landwirt quasi zum aktiven Klimaschützer werden kann. «Die Biogasproduktion ist momentan sicher die effektivste und effizienteste Art der Treibhausgasreduktion in der Tierhaltung, weshalb auch die Milchbranche eine Befürworterin ist», erklärt Simon Bolli.
Positive Nebeneffekte der Hofdüngervergärung bestehen darin, dass dadurch die Geruchsemissionen stark reduziert werden. Der Dünger aus Biogasgärresten ist bei der Ausbringung lange nicht so geruchsintensiv wie etwa Gülle. Im Sinne einer geschlossenen und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft gelangt die vergorene Biomasse nämlich wieder zurück aufs Feld. Dort können die Pflanzen die Nährstoffe aus den Gärresten effizienter nutzen als aus dem herkömmlichen unvergorenen Hofdünger. 10 Prozent mehr Stickstoff als in unvergorener Gülle ist mineralisiert und so für die Pflanzen sofort verfügbar. «Insbesondere für die Biolandwirtschaft ist diese Art der Düngung sehr interessant», sagt Simon Bolli.
Teuer und arbeitsintensiv
Der Fachmann weiss aber auch, dass eine Biogasanlage, scherzhaft Betonkuh genannt, kein Selbstläufer ist: Sie will auch gefüttert, überwacht und betreut werden – dazu kommt der grosse administrative Aufwand. Die Bewirtschaftung ist zeit- und arbeitsintensiv und besonders während der Planungs- und Bewilligungsphase ist ein grosser Durchhaltewille gefordert.
Dazu kommt ein beträchtliches finanzielles Risiko: «Der Bau einer Biogasanlage setzt Investitionen voraus, die deutlich höher ausfallen als für den Bau eines neuen Milchviehstalles», so Simon Bolli. Mit mehreren Million Franken müsse schnell einmal für die Erstellung einer neuen Anlage gerechnet werden. Und danach ist man von einer langfristigen Abnahmegarantie sowie einer angemessenen Zahlungsbereitschaft der Gasversorger abhängig.
Dazu kommt, dass die nahe gelegene Infrastruktur für eine Einspeisung ins Gasnetz von der Kapazität und vom Gasdruck her vorhanden und passend sein muss. Ein mobiler Biogastransport zu einer bereits bestehenden Anlage könnte eine sinnvolle Alternative bieten, wie sie im MoBioGas-Projekt von Ökostrom Schweiz momentan in Planung ist. Im Jura wird der Aufbau und Betrieb eines ersten mobilen Biomethan-Hub vorbereitet. Der Start wird auf das Frühjahr 2026 anvisiert. «Ein solcher mobiler Gastransport schafft Unabhängigkeit und soll als Vorzeigeprojekt Anreiz für die Entwicklung weiterer mobiler Biomethan-Hubs in anderen Regionen bieten», sagt Simon Bolli.
Dung verpufft nicht in der Luft
Mit einem solchen Projekt sind allerdings nicht alle Herausforderungen der landwirtschaftlichen Biogasproduktion beiseitegeschafft. Philip Gassner ist Geschäftsführer der SwissFarmerPower Inwil AG, einer seit 2008 aktiven Biogasanlage, die unter anderem von 75 Landwirten aus der Region mit Biomasse beliefert wird. In der von ihm geführten «Energie-Zukunfts-Anlage» werden neben Grüngut und Speiseresten hauptsächlich Rinder-, Geflügel- und Pferdemist sowie Schweinegülle zu Bioenergie umgewandelt. «Da der Kanton Luzern sehr tierintensiv ist, fanden wir dies eine ideale Art der Rohstoffverwertung», sagt Philip Gassner.
Dies bringe Vorteile wie die Reduktion der CO2-Emissionen oder eine bedarfsgerechte Abgabe des Düngers mit sich, aber auch einige Herausforderungen, weiss Philip Gassner mittlerweile aus Erfahrung. «Es gilt zu bedenken, dass die Nährstoffe nach der Fermentation nicht einfach verschwunden sind, nur etwa 10 Prozent des Kohlenstoffes wird gasförmig – sämtliche Nährstoffe bleiben erhalten», so Philip Gassner. Der Mist löst sich also nicht einfach in Luft auf.
Während aus Rindermist einiges an Energie gewonnen werden kann, liefert Schweinegülle wegen des geringen Gehaltes an organischer Substanz kaum Energie. Dazu komme, dass der Schweinebestand in der Region so gross ist, dass die Schweinegülle in der Anlieferung überschüssig ist. «Alle unsere 75 Aktionäre sind berechtigt, ihren Hofdünger zu uns in die Anlage zu liefern – ich bin aber froh, dass nicht immer alle die volle Menge abgeben», sagt Philip Gassner. Mist und Gülle zu Bioenergie umzuwandeln sei machbar, finanziell interessant werde es aber erst, wenn noch andere organische Abfälle zur Erhöhung des Energiegehaltes ergänzt werden können. Biogas produziert aus reiner Schweinegülle müsste zu einem horrenden Preis auf den Markt gebracht werden, da sind sich Simon Bolli und Philip Gassner einig.
Standort genau evaluieren
Dazu kommt, dass der sogenannte Güllentourismus in dieser tierreichen Region durch die Biogasanlage nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Da die Landwirte keinen Dünger zurücknehmen, müssen die Nährstoffe in andere Regionen transportiert werden, um dort auf die Felder ausgebracht zu werden. Durch die spezielle Gärrestaufbereitung der SwissFarmerPower Inwil wird viel Wasser entzogen, womit die Transportmenge reduziert wird. Doch der Transport bleibt notwendig und damit geht eine Umweltbelastung einher.
Philip Gassner rät also beim Bau einer Biogasanlage, bezüglich Zulieferer und Verbraucher, den Standort genau zu evaluieren. Sandrine Werner von der ETH Zürich stellte am Bioenergie-Forum ein innovatives GIS-basiertes Entscheidungstool vor, das die Planung landwirtschaftlicher Biogasanlagen erleichtert. Das Tool, das demnächst online abrufbar sein wird, berücksichtigt Hofdüngerpotentiale, Umweltauswirkungen sowie rechtliche und technische Rahmenbedingungen. Es ermöglicht eine datenbasierte Standortanalyse und unterstützt so die nachhaltige Entwicklung von Biogasanlagen in der Schweiz.
Es gilt also erst einige Vor- und Nachteile abzuwiegen, bevor der Sprung in die Biogasproduktion aus landwirtschaftlichen Stoffen gewagt wird. Ist alles gut durchdacht, kann diese Art der Energiegewinnung aber durchaus gewinnbringend sein.
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