Schweizer Wein im Fokus: Qualität fördern, Märkte erobern, Nachwuchs sichern
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Das Pandemiejahr 2020 setzte der Schweizer Weinbranche stark zu: Mit den wiederholten Lockdowns und damit den geschlossenen Restaurants und abgesagten Veranstaltungen brachen wichtige Absatzkanäle zusammen. Ein gewisser Teil dieser Ausfälle konnte durch eine Verlagerung in den Privatkonsum kompensiert werden. «Eine Umfrage vom März 2021 hat gezeigt, dass der Umsatz im Gastrobereich zwischen 30 bis 50 Prozent und im Eventbereich 50 bis 80 Prozent rückläufig war», schaut Jürg Bachofner, Geschäftsführer des Branchenverbandes Deutschschweizer Wein (BDW) zurück. Hingegen hätten die Betriebe beim Direktverkauf und Onlinehandel um 30 Prozent zulegen können und auch der Detailhandel und der Offenverkauf hätten sich 2020 positiv entwickelt.
So hätten die Grosskellereien und die kleinen Winzerbetriebe die Ausfälle auffangen können, während die mittleren Betriebe allerdings Umsatzverluste hinnehmen mussten, führt Jürg Bachofner weiter aus. Und der positive Trend in Direktvermarktung und Onlinehandel habe sich auch letztes Jahr fortgesetzt: «2021 ist die Nachfrage nach Direkteinkauf ab Hofladen sowie der Onlineverkauf anhaltend hoch geblieben.» Des Weiteren habe sich auch der Verkaufszuwachs im Detailhandel fortgesetzt. Das kann auch Ramona Cattaneo, Medienstellenleiterin der Landi Schweiz AG bestätigen: «Im Jahr 2021 haben wir rund 7 Prozent mehr Schweizer Wein verkauft als im Jahr zuvor. Bis anhin geht der Trend zu mehr Schweizer Wein weiter, wir erwarten jedoch nicht das gleiche Wachstum wie in den vergangenen zwei Jahren.» Und auch Discounter Denner hat ähnlicher beobachtet: «Denner hat im Jahr 2021 wiederum leicht mehr Schweizer Weine verkauft als im Vorjahr», sagt. Nadja Hauser, Projektleiterin bei der Unternehmenskommunikation bei Denner. Im aktuellen Jahr seien die Weinverkäufe im Handel bis jetzt allerdings allgemein rückläufig, darum rechne Denner auch bei den Schweizer Weinen mit leicht rückläufigen Mengen.
Neben Direktvermarktung, Onlinehandel und Detailhandel habe sich letztes Jahr auch die Gastronomie wieder deutlich erholt und so hätten sich die Absätze auch dort verbessert, ergänzt Jürg Bachofner. «Nur der Eventbereich blieb weiterhin tief und hat nach wie vor Mühe sich zu erholen», erklärt er weiter. Aktuell habe sich die Situation aber entspannt. Die Sorge der Deutschschweizer Winzer drehe sich aktuell eher darum, wie sie die bestehenden Kunden bedienen könnten.
Denn während die Traubenernte 2020 die Winzerbetriebe aufgrund vieler fehlenden ausländischen Arbeitskräfte vor Herausforderungen stellte, war letztes Jahr das Wetter der Spielverderber. Frost, Niederschlag und die Pilzkrankheit Mehltau sorgten 2021 für die tiefste Schweizer Weinernte seit über 60 Jahren. Die Produktion lag mit rund 610’000 Hektoliter fast 30 Prozent unter dem Vorjahr und um fast 40 Prozent unter dem 10-Jahresschnitt.
Der Arbeitskräftemangel 2020 habe sich vor allem im Welschland manifestiert, sagt Jürg Bachofner. In der Deutschschweiz sei der Weinbau mit vielen kleinen Betrieben etwas anders strukturiert und 50 bis 60 Prozent der Betriebe würden keine Saisoniers anstellen, sondern mit betriebseigenen Leuten arbeiten. Das vorhandene Personal hat letztes Jahr dann wohl auch ausgereicht, um die miserabel kleine Traubenernte einzufahren.
Der erneute Tiefschlag hat immerhin eine erneute Deklassierung von AOC-Weinen verhindert. Aufgrund der fehlenden Absatzmärkte und der vollen Weinlager aus den Vorjahren gab es 2020 eine Übermenge an Wein. Damit die Weinproduzentinnen und -produzenten einfacher Abnehmer für die grosse Mengen finden konnten, hatte der Bund eine Deklassierung von AOC-Weinen beschlossen. Über 100 Winzerbetriebe liessen so fast 6 Millionen Liter AOC-Wein zu Land- oder Tafelwein herunterstufen. «So konnten durch die Vermittlung des Branchenverbandes Deutschschweizer Wein eine halbe Million Liter Deutschschweizer Wein verwertet werden – 5,5 Millionen Liter wurden in der Westschweiz und dem Tessin verwertet», erklärt Jürg Bachofner. Eine solche Deklassierung sei allerdings nur eine Nothilfe, die dem Winzer oder der Winzerin etwas an den Schaden zahle. «Es ist ein Verlustgeschäft, aber es hilft, den Markt zu entlasten – 2021 war eine Deklassierung aber kein Thema mehr, da sich eine Minderernte mit den Frostwellen schon früh abzeichnete», führt er weiter aus. Die letzten zwei Jahre mit der Pandemie und der darauffolgenden schlechten Ernte würden ausserdem für eine gewisse Strukturbereinigung sorgen, glaubt Jürg Bachofner. «Betriebe, denen das Wasser schon vorher am Hals stand, werden deswegen aufgeben müssen», sagt er.
Gleichzeitig böten sich auch Chancen und so etwas wie ein Neuanfang. So hat unter anderem die Pandemie den Schweizer Weinen zu einem besseren Image verholfen. Schweizer Wein habe erstmals vom allgemeinen Trend zu mehr Regionalität profitieren können: «Die Pandemie hat etwas bewirkt, worauf wir seit 15 Jahren arbeiten», sagt Jürg Bachofner. So werde der Wein nun endlich ebenfalls als regionales Produkt angesehen und das Ansehen von Schweizer Wein sei gesteigert worden. Schweizer Wein werde sich nun vermehrt mit den Regioprodukten präsentieren und soll so nicht mehr von der Regionalität herausdividiert werden, meint Jürg Bachofner weiter. Und der Blick dürfe durchaus auch etwas erweitert werden: «Das Image von Schweizer Wein ist intakt und Schweizer Weine vermögen im internationalen Vergleich mitzuhalten und zu überzeugen – die Zeit ist nun reif, den internationalen Markt zu bewirtschaften.»
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