Schweizer Schaumweine: Qualität mit wachsendem Potential
Noch immer sind viele Schweizer Schaumweine kaum bekannt und die heimische Produktion bleibt eine Nische. Doch der Ma...
Die Landwirtschaft muss sich aufgrund der Klimaerwärmung immer neuen Herausforderungen stellen: auf extreme Nässe folgt extreme Trockenheit, auf Hitzetage folgen Gewitter und Hagel. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen oder zumindest die Verhältnisse wieder etwas auszugleichen, werden intensiv Forschung betrieben und Projekte aufgegleist, welche die Landwirtschaft fit für die Zukunft machen sollen.
Unter anderem sogenannte Agroforstsysteme sollen unserer Landwirtschaft einerseits wieder mehr Biodiversität bringen, unsere Kulturen andererseits aber klimaresistenter machen und den Boden verbessern. Der Begriff «Agroforst» bezeichnet die Kombination von Bäumen oder mehrjährigen verholzenden Strukturen mit landwirtschaftlichen Unterkulturen auf derselben Fläche. In der Schweiz ist diese Landnutzung eigentlich nicht neu, sondern prägt wie in Form der Waldweiden im Jura, Kastanienselven im Tessin oder den klassischen Hochstammobstgärten, vielerorts seit Jahrhunderten die Kulturlandschaft. Auf intensiven bewirtschafteten Ackerflächen oder auch in Rebbergen ist diese Mischform allerdings verschwunden, erhält durch die Klimaerwärmung aber wieder neuen Aufschwung.
In den Kantonen Genf, Jura, Neuenburg und Waadt wurde 2020 das interkantonale Projekt «Agro4esterie» zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen gestartet. Das Ressourcenprojekt hat zum Ziel, die Praxis der modernen Agroforstwirtschaft zu fördern: Das Projekt und die Agroforstsysteme sollen widerstandsfähig, an die lokalen Bedingungen angepasst, wirtschaftlich interessant und auf gezielte Umweltprobleme ausgerichtet sein. So machen auch verschiedene Winzerinnen und Winzer mit und haben in ihren Rebzeilen Obst- und andere Laubbäume gepflanzt. Der sogenannte Vitiforst soll den Boden nähren, die Biodiversität erhöhen und die Reben vor Frost und Hitze schützen.
Mit dem «FLS-Fokus Agroforst» hat der Fonds Landschaft Schweiz FLS dieses Jahr einen Sensibilisierungs- und Förderakzent lanciert, damit der landwirtschaftliche Trend zur Anlage neuer Agroforstflächen vermehrt auch zur ästhetischen und ökologischen Aufwertung der Kulturlandschaft beiträgt. Im Rahmen dieses Fokus beteiligt er sich auch am interkantonalen «Agro4esterie»-Projekt, unterstützt daneben aber noch weitere Projekte und hat in der Region Nyon so in den letzten Jahren mehrere Agroforst-Projekte auf Ackerland und Rebflächen unterstützt:
• Rund 450 Hochstammobstbäume in einem klassischen Obstgarten und daneben in elf Baumreihen mit 600 Büschen dazwischen in Gland (Teilprojekt des regionalen Agroforst-Projekts, das im Rahmen des ökologischen Vernetzungsprojekts Nyon Région realisiert wird)
• Ein Vitiforstprojekt (Reben und Bäume) in einem Rebberg in Luins (Teilprojekt des ökologischen Vernetzungsprojekts Coeur de la Côte)
• Ein Vitiforstprojekt in einem Rebberg in Begnins (realisiert im Rahmen des «Agro4esterie»-Projekts)
Die moderne Agroforstwirtschaft (im Rebbau Vitiforst) ist ein nachhaltiges, an die Mechanisierung angepasstes Produktionssystem, das mehrjährige Holzpflanzen einbezieht, die auf der Landwirtschaftlichen Nutzfläche oder im Sömmerungsgebiet angebaut werden. Sie ermöglicht es, die landwirtschaftliche Produktion und den Schutz der natürlichen Ressourcen miteinander in Einklang zu bringen und gleichzeitig die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft zu verringern und zur Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels beizutragen.
Bei Agroforstsystemen wird unterschieden zwischen der Unternutzung mit Wiesen und Weidehaltung oder mit Feldkulturen. Die Agroforstsysteme in Kombination mit Tierhaltung werden «sylvopastoral» genannt. Agroforstsysteme in Kombination mit Feldkulturen werden «sylvoarabel» genannt.
Im Rahmen des «Agro4esterie»-Projekts belebt auch Noémie Graff vom Weingut Domaine du Satyre in Begnins ihren Weinberg mit Obstbäumen. Sie ist überzeugt, dass Bäume in einer Zeit, die von Umweltverschmutzung, Hitzewellen und Dürreperioden geprägt ist, erhebliche Vorteile für ihre Reben mit sich brächten, diesen Schatten spendeten und dazu beitragen würden, das Klima in der Umgebung zu temperieren und CO2 zu binden. «Bäume können nicht nur CO2 binden, sie haben auch die Fähigkeit, durch Photosynthese Wasser freizusetzen», erklärte der Biologe und Landschaftshistoriker Yves Bischofberger anlässlich eines vom Fonds Landschaft Schweiz organisierten Anlasses auf dem Weingut Domaine du Satyre.
Da das Projekt erst seit zwei Jahren laufe, sei es entsprechend noch etwas zu früh, um daraus wirkliche Lehren ziehen zu können, meint die beim Projekt mitarbeitende Alice Dind vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL Westschweiz. «Was wir bis jetzt beobachten konnten, ist, dass wir beispielsweise den Bäumen bei der Pflanzung und in den ersten Jahren besondere Aufmerksamkeit schenken müssen», erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin. So seien ein angemessener Schutz, Stützen und eine ausreichende Bewässerung wichtig. «Die Bewässerung war in diesem Jahr ein besonders wichtiger Punkt, vor allem bei den jungen Bäumen», erklärt Alice Dind und ergänzt: «Dafür brauchte es die richtige Ausrüstung und auch viel Zeit – auch wenn es keine grossen Verluste gab, fühlten sich einige Landwirte angesichts der Dringlichkeit der Situation etwas überrumpelt.» Auch Noémie Graff stellt sich darauf ein, dass sie noch einige Zeit auf konkrete Ergebnisse und positive Auswirkungen ihrer Obstbäume im Weinberg warten muss: «Es wird ein ziemlich langer Prozess sein – ich hoffe, dass ich die Ergebnisse sehen werde, wenn ich in Rente gehe», so die Winzerin.
LID: Agroforst ist vielseitig und ist in Kombination mit Ackerkulturen, Tieren und Rebbergen denkbar – wie viele Betriebe machen beim «Agro4esterie»-Projekt mit und welche Systeme sind vertreten?
Alice Dind: 140 Landwirte und Landwirtinnen haben sich für das Projekt angemeldet und alle Systeme sind über die verschiedenen Wahlmassnahmen, die im Rahmen des Projekts angeboten werden, vertreten. Ein Grossteil pflanzte Ackerkulturen in Kombination mit forstwirtschaftlichen Systemen wie Hochstammobstbäume oder Baumarten für die Holzwirtschaft, andere pflanzten Büsche und Bäume für die Futtermittelproduktion. Daneben gibt es Teilnehmende aus dem Weinbau, aber auch aus dem Gemüseanbau. Und auch in Kombination mit Tierhaltung – beispielsweise zur Strukturierung der Laufwege von Geflügel und Schweinen – wurden Bäume gepflanzt.
LID: Welche Vorteile erwarten Sie bei den jeweiligen Systemen zusammen mit Agroforst?
Alice Dind: Im Rahmen des Projekts «Agro4esterie» müssen die eingeführten Systeme auf «Defizite» reagieren, die auf der ausgewählten Parzelle beobachtet wurden. Bei Systemen mit Nutzpflanzen wird insbesondere versucht, die Biodiversität zu fördern, indem Ressourcen wie Nahrung und Lebensräume für Bestäuber- und Nützlingspopulationen bereitgestellt und natürliche Gebiete wieder verbunden, Erosion und Nährstoffauswaschung bekämpft werden und Kohlenstoff in Bäumen und im Boden gebunden und gespeichert wird.
Bei Systemen mit Tieren wird versucht, eine interessante zusätzliche Futterquelle zu haben, das Wohlbefinden der Tiere beispielsweise mit Schatten und Wetterschutz zu verbessern und eine bessere Nutzung des Auslaufs zu fördern.
Bei Weinreben wird erwartet, dass die Integration von Bäumen zusätzlich zu den Elementen der Biodiversität eine Lösung für die Anpassung der Produktion an die globale Erwärmung durch die Schaffung eines Mikroklimas und vorteilhafter Interaktionen zwischen Bäumen und Weinreben darstellt. Bisher sind die wissenschaftlichen Ergebnisse jedoch dürftig, es besteht ein Bedarf, diese Systeme besser zu untersuchen.
LID: Welche Nachteile sind allenfalls für die jeweiligen Produktionssysteme zu erwarten?
Alice Dind: Wenn das System schlecht geplant und verwaltet wird, besteht die Gefahr, dass die Bäume mit der Kultur konkurrieren, insbesondere auf der Ebene der Wurzeln. Daher ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Wurzeln der Bäume in die Tiefe und nicht nur oberflächlich wachsen. Nach 15 Jahren ist auch ein Wettbewerb um Licht möglich und die Kulturen, die zwischen den Bäumen stehen, müssen eventuell angepasst werden. Bis dahin sind wir aber vielleicht im Vorteil, weil wir die Intensität der Sonneneinstrahlung ein wenig verringern können.
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