Schweizer Klimastrategie 2050: Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit im Fokus

Die Schweiz verstärkt ihre Anstrengungen, die Ernährungssicherheit im Angesicht des Klimawandels zu sichern und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die «Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050» legt den Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette und verfolgt ehrgeizige Ziele für die kommenden Jahrzehnte.
Zuletzt aktualisiert am 5. September 2023
von Renate Hodel
3 Minuten Lesedauer
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Der Bund verstärkt seine Bemühungen zur Sicherung der Ernährung vor dem Hintergrund des Klimawandels mit einer neuen Klimastrategie. Diese Massnahme zielt darauf ab, die Herausforderungen des Klimawandels in der Land- und Ernährungswirtschaft anzugehen und gleichzeitig die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Die «Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050» legt den Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette in diesen Sektoren.

Anpassungen an den Klimawandel und Emissionsreduktion

Die Land- und Ernährungswirtschaft ist besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. So betont Jens Leifeld, Forschungsbereichsleiter Agrarökologie und Umwelt bei Agroscope, dass der Klimawandel bereits nachweisbare Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion hat: So seien beispielsweise die Vegetationsperioden heute im Durchschnitt 25 bis 40 Tage länger als vor einigen Jahrzehnten. «Dies eröffnet neue Möglichkeiten für den Anbau von Kulturen wie Sorghum oder Reis und trägt zur Diversifizierung der Landwirtschaft bei, was die Landwirtschaft wiederum widerstandsfähiger gegenüber Klimaextremen macht», erläutert er. Gleichzeitig entstünden der Landwirtschaft durch längere Trockenheitsperioden, häufigere Hitzetage und geringere Niederschläge pro Jahr sowie häufigere Starkniederschläge auch Herausforderungen. «Diese Probleme betreffen die Landwirtschaft weltweit und können zu Veränderungen in der Verfügbarkeit und Qualität von Lebensmitteln führen, was Versorgungsengpässe in der Zukunft nicht ausschliesst», erklärt Jens Leifeld.

Gleichzeitig spielt die Land- und Ernährungswirtschaft aber auch eine erhebliche Rolle bei den Treibhausgasemissionen. So macht die Primärproduktion in der Schweiz etwa 16 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen aus, wie im Agrarbericht 2021 festgestellt wurde. Die Ernährung, einschliesslich aller Schritte entlang der Wertschöpfungskette von der Produktion bis hin zum Konsum, trägt zusätzlich 18 Prozent zu den Gesamttreibhausgasemissionen bei, inklusive der Emissionen, die mit Importen und Exporten zusammenhängen.

Die vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und dem Bundesamt für Umwelt BAFU vorgestellte Strategie zielt nun darauf ab, die Land- und Ernährungswirtschaft besser an den Klimawandel anzupassen und die Emissionen zu senken. Dabei soll sich die Vielschichtigkeit der Massnahmen entlang der Wertschöpfungskette und im System Landwirtschaft und Ernährung in der neuen Strategie widerspiegeln.

 

Strategie zur Resilienz und Nachhaltigkeit in der Land- und Ernährungswirtschaft

Das BLW, BLV und BAFU haben gemeinsam mit Akteuren aus der Produktion, Detailhandel, Konsum, Branchenorganisationen und Verarbeitung, Forschung, Umweltorganisationen und Behörden eine sektorübergreifende Grundlage geschaffen, um das Ernährungssystem nachhaltiger zu gestalten und die Ernährungssicherheit umfassend zu stärken. «Für die Erarbeitung der Strategie haben wir aufgrund des Fokus auf das gesamte Ernährungssystem eine breit aufgestellte Gruppe von Akteuren in dieser Wertschöpfungskette beigezogen und haben gemeinsam mit ihnen die Strategie und dann auch die Massnahmen erarbeitet», erläutert Christian Hofer, Direktor Bundesamt für Landwirtschaft.

Die erarbeitete Strategie dient nun der Verwaltung als Leitfaden und weist der Politik die relevanten Handlungsfelder im Umgang mit dem Klimawandel auf. «Die Strategie ist abgestimmt auf verschiedene Arbeiten wie zum Beispiel die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik, den Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendung oder auch die Ernährungsstrategie», erklärt Christian Hofer weiter. Weiter solle die Strategie die Bauernfamilien unterstützen, trotz des Einflusses des Klimawandels längerfristig genügend und gesunde Nahrungsmittel für die Bevölkerung zu produzieren und einen Beitrag an das Netto-Null-Ziel, das von der Bevölkerung in diesem Jahr gesetzlich verankert wurde, zu leisten.

 

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Nicole Ramsebner von der IP-Suisse-Geschäftsstelle; Michael Beer, Vizedirektor und Abteilungsleiter Lebensmittel und Ernährung beim BLV; Christian Hofer, Direktor beim BLW; Susanne Blank, Abteilungschefin Ökonomie und Innovation beim BAFU; Lukas Kilcher, Leiter Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung sowie Delegationsleiter «Klima» der Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz KOLAS und Lorenz Hirt, Geschäftsführer Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrien (fial). (lid)

Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050

Die Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050 verfolgt drei Hauptziele, die bis 2050 erreicht werden sollen:

  • Die Landwirtschaft soll klima- und standortangepasst produzieren und einen Selbstversorgungsgrad von mindestens 50 Prozent erreichen.
  • Die Bevölkerung soll sich gesund und ausgewogen ernähren, wodurch der Treibhausgasfussabdruck der Ernährung pro Kopf bis 2050 um zwei Drittel gegenüber 2020 reduziert wird.
  • Die Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion im Inland sollen bis 2050 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden.

Die gesamte Wertschöpfungskette soll diesen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen. Die Strategie sieht vor, die Forschung zur Transformation des Ernährungssystems zu verstärken und bestehende politische Instrumente so weiterzuentwickeln, dass Produktion, Verarbeitung, Handel und Konsum das vom Bundesrat beschlossene Netto-Null-Ziel für Treibhausgasemissionen bis 2050 unterstützen und gleichzeitig die Klimarisiken minimieren. «Die Ziele sind miteinander vernetzt und ergänzen sich und das Ambitionsniveau wurde so gewählt, dass die Produktionsgrundlagen im In- und Ausland längerfristig gesichert werden sollen – ohne zusätzliche Verlagerung von negativen Effekten ins Ausland», führt Christian Hofer aus.

Teilziele und Massnahmenpaket

Die der Oberziele sollen in acht Teilzielen erreicht werden: So sollen Tier- und Pflanzenernährung verlustarm gestaltet, Wasserressourcen schonend bewirtschaftet, Bodenfruchtbarkeit erhalten und Kohlenstoffspeicherung erhöht, Energiebedarf reduziert und erneuerbare Energieträger gestärkt, Produktionsportfolios optimiert, Handelsbeziehungen nachhaltig ausgerichtet, ressourcenschonende Konsummuster erreicht und Food Waste minimiert werden. Die «Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050» umfasst auf der Massnahmenebene dann sowohl bereits eingeleitete als auch neue Massnahmen. «Es ist ausgeglichen zwischen produktions- und auch konsumseitiger Massnahmen und es gibt sowohl kurzfristige als auch längerfristig umsetzbare Massnahmen», erklärt Christian Hofer. Diese Massnahmen sollen die landwirtschaftliche Produktion widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels machen, Handelsbeziehungen nachhaltiger gestalten und Lebensmittelverluste reduzieren. Insgesamt wird erwartet, dass die Strategie die Politikentwicklung im Bereich des Ernährungssystems massgeblich beeinflusst.

Diese neu erarbeitete Strategie ersetzt die bisherige Klimastrategie Landwirtschaft des BLW aus dem Jahr 2011. Die Aktualisierung erfolgte im Rahmen der Strategie «Nachhaltige Entwicklung 2030» des Bundesrates und orientiert sich an den Prinzipien des Berichts zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik aus dem Jahr 2022 sowie der langfristigen Klimastrategie der Schweiz.