Genfer Hightech-Salat
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Die Landwirtschaft befindet sich im Wandel. Der Druck, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, wächst und wird mit der Umsetzung des «Aktionsplans zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» mittlerweile auch verlangt. Und dieser regelt schreibt nicht nur die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln auf dem Feld vor, sondern bereits vorher bei der Saatgutbehandlung.
Ein Lösungsansatz ist die thermische Behandlung von Saatgut. So nahm UFA-Samen in Lyssach 2021 die erste Dampfanlage zur ökologischen Saatgutbehandlung in Betrieb. Die Dampftechnologie, die in Lyssach unter dem Namen ThermoSem läuft, wurde von einer Tochtergesellschaft der schwedischen Agrargenossenschaft Lantmännen entwickelt und behandelt respektive desinfiziert Saatgut ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Wirkstoffen.
Die ThermoSem-Anlage in Lyssach ist bislang die einzige Anlage in der Schweiz, die Saatgut thermisch pasteurisiert. Diese Methode bekämpft samenbürtige Krankheiten effektiv, ohne den Einsatz von chemischen Beizmitteln. «Mit dem dampfbehandelten Sortiment kommen wir dem starken Bedürfnis der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln entgegen», erklärt Jürg Jost, Leiter UFA-Samen. Er betont, dass der Biomarkt in der Schweiz stetig wächst und sich auch dank der neuen Dampftechnologie weiter entwickeln wird.
Die Dampfpasteurisierung tötet Krankheiten ab, die sich auf der Oberfläche des Saatguts befinden, wie Spelzenbräune, Schneeschimmel und Stinkbrand. Diese Methode hat sich als effiziente und sichere Alternative zur chemischen Saatgutbeizung erwiesen. Zusätzlich sorgt die Dampftechnologie dafür, dass das behandelte Saatgut frei von oberflächlichen Pilzsporen und Staub ist.
Die ThermoSem-Technologie bringt viele Vorteile, hat aber auch Einschränkungen. Jürg Jost erklärt, dass die Technologie vor allem bei samenbürtigen Krankheiten wirksam ist. «Wir können mit der ThermoSem-Technologie nur samenbürtige Krankheiten bekämpfen, keine bodenbürtigen», gibt er zu bedenken. Ausserdem zeigt die Technologie bei bestimmten Erregern, wie dem Flugbrand bei Gerste, Grenzen.
Seit der Inbetriebnahme der Anlage hat sich die Nachfrage nach ThermoSem-behandeltem Saatgut laut Jürg Jost kontinuierlich gesteigert. «Wir haben in den vier Jahren Getreide von über 17’500 Hektaren mit der ThermoSem-Technologie behandelt», berichtet er. Obwohl die Technologie derzeit hauptsächlich im Bio- und IP-Suisse-Anbau ohne Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird, handelt es sich noch um eine Nischenanwendung. Die Wirtschaftlichkeit der 3-Millionen-Franken-Anlage ist auf langfristiges Wachstum ausgerichtet. «Die Gesamtanlage respektive Investition ist auf der von uns geplanten Wachstumskurve – uns ist bewusst, dass es Zeit braucht, bis sich neue Technologien etablieren», so Jürg Jost.
Ein weiterer Faktor ist der Preis: Saatgut, das mit der ThermoSem-Technologie behandelt wird, ist im Vergleich zur konventionellen Behandlung deutlich teurer. Das mit ThermoSem behandelte Saatgut liege mit 15 Franken pro 100 Kilogramm gut 6 Franken über dem Saatgut mit konventioneller Behandlung, erklärt Jürg Jost. Wegen den Vorteilen in Bezug auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit seien viele Landwirtinnen und Landwirte aber bereit, mehr zu zahlen.
Während man bei der Fenaco-Tochter UFA-Samen auf die Dampfbehandlung setzt, bieten auch andere Verfahren wie die Elektronen- oder Warmwasserbehandlung vielversprechende Ansätze. Die Elektronenbehandlung soll mit einem geringeren Platz- und Energieaufwand auskommen, dabei aber eine ähnliche Wirkung wie herkömmliche Methoden erzielen. Allerdings wird die Elektronenbeizung aufgrund der ionisierenden Strahlung kontrovers diskutiert und die Warmwasserbehandlung ist aufgrund der Rücktrocknung des Saatguts energieaufwändiger.
Zukünftig dürfte wohl eine Kombination aus verschiedenen Verfahren der Schlüssel zu einer effektiveren und nachhaltigeren Saatgutbehandlung sein.
Die ThermoSem-Technologie hat das Potential, in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung zu gewinnen. Jürg Jost ist zuversichtlich, dass sich die Methode langfristig durchsetzen wird: «Wir zeigen den Landwirtinnen und Landwirten im Feld, dass diese Technologie dieselben Resultate bringt wie die konventionellen Beizungen». Dies geschehe durch faktenbasierte Überzeugungsarbeit und Feldversuche in der Praxis mit der neuen Technologie.
Ein weiterer Antrieb für die Verbreitung von ThermoSem ist die allgemeine Entwicklung hin zu einem reduzierten Einsatz von Pestiziden, getrieben durch Massnahmen wie den «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln». Jürg Jost weist darauf hin, dass innerhalb der EU Beizmittelwirkstoffe vor einem Bewilligungsentzug stehen. Sollte dies umgesetzt werden, kann die Nachfrage nach Alternativen wie ThermoSem erheblich steigen.
Der Besuch bei ThermoSem fand im Rahmen des Internationalen Agrarjournalistenkongresses 2024 in Interlaken statt. Gut 200 Agrarjournalistinnen und -journalisten aus 33 Ländern nahmen teil. Alle Infos findest du unter www.ifaj2024.ch.
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