
«Spotlight»: Pilze pflücken mit KI
Die Wauwiler Champignons AG entwickelte mit dem Startup MycoSense eine KI-gestützte Erntehilfe. «Spotlight» zeigt den...
Auf etwa 40 Hektaren gibt es schweizweit rund 40 Trüffelplantagen. Etwa die Hälfte davon befindet sich in der Deutschschweiz, die anderen 20 Projekte liegen in der Westschweiz, schätzt Stefan Spahr. Er betreibt in Büren an der Aare das Unternehmen TrüffelGarten, über das er mykorrhizierte Setzlinge von Trüffelbäumen vertreibt und er ist Präsident des Verbandes Schweizer Trüffelproduzenten.
Trüffel sind Pilze, die ausschliesslich in Symbiose mit Wirtsbäumen vorkommen. An den Feinwurzeln bestimmter Baumarten gehen Pilz und Baum eine Verbindung ein – die Mycorrhiza. Diese Symbiose kontrolliert und künstlich herzustellen, bezeichnet man als inokulieren der Trüffelbäume. Die Technik bildet die Grundlage des modernen Trüffelanbaus und wurde in den 1970er-Jahren am Institut National de Recherche pour l’Agriculture, l’Alimentation et l’Environnement INRAE in Frankreich entwickelt.
«Die schweizweit ersten Trüffelplantagen wurden anfangs der 1990er-Jahre im Waadtland angelegt, erst rund zehn Jahre später folgten erste Projekte in der Deutschschweiz», sagt Stefan Spahr. Wichtigste Voraussetzung ist, dass die Bodenverhältnisse stimmen. Der Trüffel bevorzugt kalkreiche und wasserdurchlässige Böden mit einem pH-Wert von 7 bis 8,5. Das Mittelland verfügt über solche Böden und ist für Trüffel somit bestens geeignet. Bis zu einer Höhe von etwa 800 Metern gedeiht der Pilz, ein Anbau ist also auch in Alpentälern möglich.
Heute gibt es in unserem Land einige Kleinstplantagen, die höchstens einen halben Hektar gross sind. Etwa 20 Plantagen werden in grösserem Umfang auf Landwirtschaftsbetrieben bewirtschaftet. Diese umfassen zwei bis drei Hektaren und bilden jeweils einen Nebenerwerb. «Der Trüffelanbau ist hierzulande noch eine Nische, niemand kann von dieser Kultur allein leben», so Stefan Spahr.
Jürg Truninger ist einer der Landwirte, die sich ins Abenteuer Trüffelanbau gestürzt haben. Er übernahm 2010 den Landwirtschaftsbetrieb seiner Eltern im thurgauischen Hörhausen, auf dem Milchvieh und später Mutterkühe die Haupteinnahmequelle bildeten. Der Sohn richtete sich ebenfalls neu aus. Heute hält Jürg Truninger auf den insgesamt 14 Hektaren noch einige Rinder und baut Weizen, Mais, Gerste und Eiweisserbsen an. Die Hauptkulturen sind allerdings Erdbeeren, Kirschen und eben auch Trüffel.
2014 hat der innovative Landwirt von Stefan Spahr Baumsetzlinge bezogen, die mit Sporen von Burgundertrüffeln (Tuber Uncinatum) und Wintertrüffeln (Tuber Brumale) geimpft waren und sie hinter dem Wohnhaus angepflanzt. 700 Buchen, Eichen, Kiefern und Haselsträucher stehen nun in Reihen dicht an dicht auf den 70 Aaren. Die Abstände zwischen den Bäumen sind gering, da die Burgundertrüffel gut im Halbschatten gedeihen.
«Im sechsten Jahr habe ich die ersten Trüffel ernten können, der Vollertrag sollte ab 15 Jahren erreicht werden», sagt Jürg Truninger. Aktuell erntet er jährlich rund 10 Kilogramm der edlen Knollen, 20 bis 30 Kilogramm wären das Ziel.
Beim einheimisch vorkommenden Burgundertrüffel ist die Konkurrenz durch Wildfunde und Importe aus dem Ausland relativ hoch. Deshalb setzt Jürg Truninger zusätzlich auf Perigordtrüffel (Tuber Melanosporum). Diese Sorte ist kulinarisch und somit auch finanziell besonders spannend, gedeiht aber hauptsächlich im Mittelmeerraum. Auf einem Landstück etwas weiter vom Hof entfernt hat er auf eineinhalb Hektaren 2020 nochmals 600 Bäume gepflanzt, die mit Perigordsporen geimpft sind.
Auf 100 dieser Perigordtrüffelbäume und 100 Burgundertrüffelbäume vergibt Jürg Truninger Patenschaften. Für eine Jahresgebühr von 250 Franken erhalten die Paten den Trüffelertrag eines Baumes, werden aber auch zweimal jährlich zu einem Trüffelevent eingeladen. Im September wird auf Jürg Truningers Hof ein Dreigang-Trüffelmenu gezaubert und im Dezember treffen sich alle Paten zur Trüffelgrillade, zum Trüffelfondue oder zum Trüffelraclette. Momentan gibt es eine Warteliste auf die Trüffelbaumpatenschaften. «Nur dank des Patenschaftsystems kann die Trüffelplantage ertragsmässig mit den Erdbeeren und den Kirschen mithalten», erzählt Jürg Truninger.
Auch wenn mit der Agrarreform 2014 ein neuer Kulturcode «Trüffelanlagen in Produktion» eingeführt wurde. Unter diesem Code können Trüffelanlagen auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche deklariert werden, sofern bereits Trüffel geerntet werden. Für diese Flächen werden Kulturlandschaftsbeiträge und Versorgungssicherheitsbeiträge ausgerichtet. Bisher erwirtschafte er mit der Trüffelernte die Direktkosten, seine Arbeit sei aber momentan noch nicht bezahlt, so der Thurgauer Landwirt.
Und an dieser mangelt es nicht: Mit jährlich etwa 100 Stunden pro Hektare ist der Aufwand beim Anbau von Trüffeln sicher höher als bei Kartoffeln, jedoch geringer als bei Reben, zieht Stefan Spahr den Vergleich. Neben der Ernte, die bei Jürg Truningers Trüffelsorten zwischen September und Februar möglich ist, bei Frühlingstrüffeln (Tuber Borchii) im März geschieht und bei Sommertrüffeln (Tuber Aestivum) zwischen Mai und August, nimmt der Baumrückschnitt viel Zeit in Anspruch. Im Sommer muss das Gras zwischen den Bäumen regelmässig gemäht und das Unkraut gejätet werden.
Aufwändig ist jeweils auch das Ausbringen der sogenannten Trüffelfallen. Dazu werden bei jedem Baum Löcher gegraben, um darin Trüffelsporen zu legen, welche die Befruchtung anregen sollen. «Ich hätte mir die Bewirtschaftung eines Trüffelhains weniger arbeitsintensiv vorgestellt», resümiert Jürg Truninger.
Oft seien es Landwirtinnen und Landwirte der jungen Generation, die sich für den Anbau von Trüffeln interessieren, sagt Stefan Spar. Von zehn Interessenten, die jeweils an einen Infoanlass kämen, würden sich dann nur einer bis zwei tatsächlich für das Anlegen einer Plantage entscheiden. Der hohe Arbeitsaufwand und die grossen Fachkenntnisse, die benötigt werden, schrecken viele potentielle Neueinsteiger ab.
Abschrecken möchte Jürg Truninger gerne die zahlreichen Schädlinge, die sich an den Trüffelbäumen und den Trüffeln zu schaffen machen. Wenn die Bäume noch klein sind, führen wurzelknabbernde Mäuse zu Ausfall und durch die Trüffel schlängeln sich hungrige Maden. «Fast die Hälfte der Trüffelernte ist jeweils verwurmt», klagt der Trüffelbauer. Bei diesen Trüffeln zweiter Klasse schneidet er die Schadstellen aus und verarbeitet sie zu Trüffelbutter oder Trüffelwürsten. Diese Produkte verkauft Jürg Truninger direkt über seinen Hofladen. Früher sei er damit auch auf den Markt gefahren.
Für die Frischtrüffel interessieren sich Privatpersonen und Gastronomiebetriebe. Für Schweizer Trüffelproduzenten steht zudem die Verkaufsplattform «Trüffel vom Hof» zur Verfügung. Gerade beim Burgundertrüffel ist die Konkurrenz durch Importware aus Italien hoch. «Heute werden in der Schweiz zehnmal mehr importierte als inländische Frischtrüffel verwertet», sagt Stefan Spahr. «In unseren Nachbarländern Frankreich und Italien sind Trüffelplantagen seit Jahrzehnten etabliert, diese Länder haben eine tiefer verwurzelte Trüffelkultur als wir», erklärt Jürg Truninger. Auch in Österreich und Deutschland gibt es deutlich mehr künstlich angelegte Trüffelhaine als in der Schweiz, da dort das Suchen wilder Trüffel verboten ist.
Trotz des Aufwandes und der Konkurrenz, Jürg Truninger bereut es keineswegs, eine Trüffelplantage angelegt zu haben. Die Pionierarbeit mit den Wirtsbäumen und den edlen Pilzen sei spannend und erlaube es, Forschungsarbeit zu leisten. Schön sei auch das grosse Interesse an dieser Kultur und beispielsweise am Trüffelschnüffel-Coaching, das Jürg Truninger gemeinsam mit seiner Hündin Nubia anbietet. Auf der Plantage dürfen sich noch wenig erfahrene Mensch-Hunde-Paare im Trüffelsuchen üben – Nubia zeigt ihren Hundekollegen vor, wie es funktioniert. «Zudem bietet mir die Trüffelplantage arbeitstechnisch die ideale Ergänzung zu meinen anderen Kulturen», resümiert Jürg Truninger.
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