Mehrwerte und höhere Preissensibilität: Wie geht das zusammen?

Am traditionellen Podium des Berner Bauernverbandes stand die Frage im Zentrum, wie landwirtschaftliche Mehrwerte am Markt positioniert werden können. Und wie die Landwirtinnen und Landwirte davon trotz hoher Preissensibilität der Konsumentinnen und Konsumenten finanziell profitieren können.
Zuletzt aktualisiert am 16. Januar 2025
von Jonas Ingold
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Milchprodukte Coop Jin

Am Beispiel der Wiesenmilch von IP-Suisse verdeutlichte Hansjürg Jäger, Dozent für Agrarpolitik und -märkte an der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, welche Rolle Standards und Indikatoren beim Mehrwert spielen. Mit rund 10% Marktanteil generiert Wiesenmilch jährlich einen Mehrwert von 16 Millionen Franken, 4,7 Rappen sind es pro Kilo Milch. Diese preisliche Differenzierung ist jedoch nur durch klare Vorgaben möglich, die definieren, was Wiesenmilch leisten muss.

Mehrwerte kommunizieren: Label, Erklärung, Erscheinungsbild

Wie können solche Mehrwerte wie bei der Wiesenmilch den Konsumentinnen und Konsumenten vermittelt werden? Labels, eine erzählerische Vermarktung und ein ansprechendes Erscheinungsbild dienen als Orientierungshilfen. Die Mehrwerte müssten den Konsumentinnen und Konsumenten so weit wie möglich kommuniziert werden, so Jäger. Umso komplexer ein Mehrwert, umso schwieriger gestaltet sich dies. Auch was ein Mehrwehrt ist, ist eine Frage der Sichtweise. Für einige Discounter ist der Mehrwert ein günstiger Preis. Dies steht im Spannungsfeld zur landwirtschaftlichen Qualitätsstrategie, die höhere Standards mit Mehrkosten verbindet.

Zahlungsbereitschaft der Konsumenten

Eine Metastudie zeigt, dass Konsumentinnen und Konsumenten im Schnitt 29,5% mehr für nachhaltigere Produkte zahlen. Unterschiede bestehen je nach Weltregion: Nordamerika 25,5%, Europa 31,9%, Asien 31,8%, Australien 17,2%. In Asien trieb laut Hansjürg Jäger der chinesische Milchskandal 2008 die Nachfrage nach qualitativ hochwertiger Milch stark an und hält diese bis heute hoch. Auch wenn die Zahlen zunächst gut klingen: Es werden nicht alle, die sich bereit dazu erklären, wirklich mehr bezahlen. Ausserdem zeigt die Studie, dass ein Grossteil der Konsumentinnen und Konsumenten für Mehrwerte eben nicht mehr bezahlen will oder kann.

Herausforderungen für die Landwirtschaft

Die Landwirtschaftsbranche steht vor der Herausforderung, Differenzierung und Nischenstrategien zu nutzen, um im Markt zu bestehen. Produzentinnen und Produzenten müssen ihre Aufwände für strengere Label und höhere Auflagen in Wert setzen können, um davon auch leben zu können. Dass dann die Bundesbeiträge für freiwillige Tierwohlprogramme wie Besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS) gekürzt werden, sorgt für Kritik. Landwirt und Schweineproduzent Urs Haslebacher betont, dass gerade die Schweineproduzenten langfristig planen müssten. «Kurzfristige Anpassungen sind nicht möglich, solche Entscheide gefährden die langfristige Planung und sorgen für finanzielle Probleme», so Haslebacher, einer der Köpfe hinter den letztjährigen Bauernprotesten.

Er kritisiert auch, dass die Auflagen des Bundes und der Label immer strenger würden: «Der Label-Hype ist durch. Deshalb müssen wir darüber reden, ob wir nicht einige Punkte abbauen wollen, da es niemand mehr bezahlt.» IP-Suisse-Präsident Andreas Stalder widersprach. Das Interesse sei ungebrochen: «Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen diese Produkte und es gibt für uns keinen Grund, die Massnahmenkataloge zu überprüfen.» Stalder betonte, dass der grosse Wert einer Marke wie IP-Suisse darin liege, dass sie den Bäuerinnen und den Bauern und nicht den Detailhändlern gehöre.

Reto Sopranetti, Geschäftsleiter der Migros Aare, bestätigte, dass die Konsumentinnen und Konsumenten für Label-Produkte auch einen Mehrwert sehen wollten. Dann würden sie dafür mehr bezahlen, aber auch da müsse der Preis in einem gewissen Rahmen gehalten werden. Gleichzeitig betonte Sopranetti, dass die Konsumentinnen und Konsumenten preissensibler geworden seien und der Bio- und Label-Hype der Coronazeiten vorbei sei.

Konsumenten erreichen und informieren

Die Kommunikation von Mehrwerten bleibt eine Herausforderung. Babette Sigg Frank, Präsidentin des Konsumentenforums, merkte an, dass die Konsumentinnen und Konsumenten die harten Produktionsbedingungen oft nicht kennen. Es gebe zudem viele, die sich Labelware wie Bio schlicht nicht leisten könnten.

Die Diskussion zeigte, dass trotz stagnierender Label-Nachfrage und höherer Preissensibilität weiterhin Interesse an nachhaltig produzierten Lebensmitteln besteht. Die Land- und Ernährungswirtschaft steht vor der Aufgabe, Mehrwerte authentisch zu kommunizieren und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig zu bleiben.