Neuausrichtung auf dem Bauernhof mit Beeren und Wildhecken
Wildheckenfrüchte und Wildobstarten – Teil 3: Die Integration von Heckenfrüchten und alternativen Obstsorten in der p...
Wenn Andreas Eberle in diesen Augusttagen durch seine 40 Aren grosse Mini-Kiwi-Anlage schreitet, nimmt er immer wieder einzelne Kiwibeeren in die Hand und drückt sie mit Daumen und Zeigefinger leicht zusammen. «Bis in zehn Tagen sind sie so weit, dass wir sie ernten können», sagt er und erklärt, dass der Reifeprozess nicht ganz einfach zu managen sei. Bei der Vermarkterin, in seinem Fall in der Landi Seebachtal, müsse dann genaustens beobachtet werden, wann die essreifen Früchte schnellstmöglich zu den Detaillisten und damit zu den Konsumentinnen und Konsumenten gelangen. Seine Mini-Kiwis, die er in seinem Hofladen in Altnau verkauft, lässt er in der Plantage ausreifen und verkauft sie dann erntefrisch an seine Kundschaft: «Das ist natürlich die beste Lösung, unsere Stammkundschaft kennt die kleine Schwester der grossen Kiwi und schätzt sie.» Den Neukunden erkläre das Verkaufsteam die edlen Kiwibeeren und deshalb laufe der Verkauf im Hofladen gut und Liebhaber warten Ende August oft sehnsüchtig auf die Delikatesse.
Mini-Kiwis sind eigentliche Kiwibeeren, die unter der Schale stark der herkömmlichen Kiwi ähneln. Sie haben drei entscheidende Vorteile: Die Mini-Kiwi wird mit der Schale gegessen, das Schälen entfällt. Die mundgerechte Grösse der Kiwibeere erlaubt den Verzehr am Stück. Das Aroma ist intensiver und süsser als bei der behaarten Schwester. Ursprünglich stammt die Mini-Kiwi aus den Regenwäldern Südostasiens. Dort wird die Frucht schon seit Jahrhunderten angebaut. Mini-Kiwis werden von Hand geerntet sollten rasch konsumiert werden, verkauft werden sie ab Ende August.
Vor einigen Jahren hat Andreas Eberle auf seinem klassischen Obstbaubetrieb auf die Produktion von Mini-Kiwis gesetzt. «Wir waren überzeugt, dass wir mit den feinen Früchtchen die Konsumentinnen und Konsumenten begeistern können», sagt er heute leicht resigniert. Er war mit dabei, als Produzenten und die Landi Hüttwilen als Vermarkterin die Interessengemeinschaft Mini-Kiwi gründeten. Die IG hatte grosse Ziele und wollte die Wirtschaftlichkeit fördern, die Wertschöpfung in der Region behalten und den ökologischen und ökonomischen Anbau und die Vermarktung fördern und koordinieren. Die Mitglieder waren vom Potenzial der süssen Frucht überzeugt. Zum einen belebe sie mit ihrem hohen Vitamin-C-Gehalt, dem intensiven Aroma und dem praktischen von der Hand-in-den-Mund-Essen am Ende der Saison. Zum anderen sei die Kultur für die Produzentinnen und Produzenten zwar arbeitsintensiv, doch fallen die meisten Arbeitsschritte auf den Betrieben an und damit bleibe die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und sei für die Betriebe interessant. Die Gründung der IG erfolgte im Rahmen eines Projekts Regionale Entwicklung (PRE).
Heute, fünfeinhalb Jahre später sieht die Sache etwas anders aus. Nach den grossen Ernten in den Jahren 2018 von 30 Tonnen, im Jahr 2019 von 20 Tonnen habe sich im Jahr 2020 die Erntemenge geradezu halbiert, sagt Rudolf Grunder, Geschäftsführer der Landi Seebachtal, wie die Landi Hüttwilen heute heisst. Seither sei die Menge auf ungefähr sieben Tonnen zusammengebrochen. Gründe dafür gebe es viele, sagt Rudolf Grunder. Auch sei man möglicherweise zu euphorisch die Sache angegangen. Die IG Mini-Kiwi hätten möglicherweise das Potential überschätzt, zudem war die Mini-Kiwi bei den Konsumentinnen und Konsumenten noch unbekannt. Was bei einem Hofladen gut funktioniert, indem man der Kundschaft die spezielle Frucht erklärt, sie kosten lässt und schliesslich auch zum richtigen Zeitpunkt frisch, süss und fruchtig verkauft, sei bei den Detaillisten enorm viel schwieriger, schildert Rudolf Grunder die Situation. Als grüne, eher unscheinbare Frucht, brauche die Mini-Kiwi im Ladengestell einen besonders guten Standort um neben den knalligen Erdbeeren, Himbeeren und Brombeeren überhaupt beachtet zu werden. Den Konsumenten fallen die roten Beeren eher ins Auge als die grünen Mini-Kiwis. Zudem sei der Reifegrad wichtig und diesen optimal zu erwischen sei eine hohe Kunst des Vermarkters. Und wenn Konsumentinnen und Konsumenten nur einmal eine überreife oder eine steinharte Mini-Kiwi im Körbchen haben, lassen sie sie das nächste Mal links liegen. Bei einigen Produzenten seien auch Frostschäden dazugekommen und so sei die Anzahl Produzenten im Thurgau auf eine Handvoll Betriebe gesunken. Rudolf Grunder rechnet, dass sich die mögliche Vermarktung bei ungefähr zehn Tonnen einpendelt.
In einer Welt, in der die Menschen ständig nach neuen Geschmackserlebnissen suchen, führt uns die diesjährige LID-Sommerserie ins Reich der Nischenfrüchte und auf eine faszinierende Reise durch die unentdeckte Welt des ungewöhnlichen Obstes. Wir tauchen ein in eine verlockende Welt voller Farben, Aromen und Überraschungen, die jenseits der gewohnten Obstregale liegt.
Jede Episode widmet sich einer spezifischen Nischenfrucht oder Beere, von der viele Menschen noch nie gehört haben oder die nicht so leicht in den Ladenregalen zu finden ist. Unsere Reise führt uns zu speziellen Obstanlagen und zu passionierten Produzentinnen und Produzenten, die diese aussergewöhnlichen Köstlichkeiten hervorbringen.
Andreas Eberle hat seine frühere Plantage von einer Hektare auf 40 Aren mehr als halbiert. Auch er hatte schon Frostschäden, doch geheizt werde die Plantage nicht mehr. Die Kosten seien zu hoch. Auch wenn er in seinem Hofladen, der fünf Tage pro Woche offen und bedient ist und ein grosses Sortiment an eigenen Produkten wie auch von benachbarten Betrieben anbietet, selbstverständlich auch die Mini-Kiwis im Sortiment hat, braucht er die Landi Seebachtal als Vermarkterin. Die von Rudolf Grunder genannten zehn Tonnen sind auch für ihn realistisch. Im Moment lässt er sich Zeit und schaut, wie sich die Situation entwickelt. Sollte die Vermarktung weiterhin nicht optimal funktionieren oder vermehrt Frost auftreten, würde auch er sich von seiner Mini-Kiwi-Plantage trennen und stattdessen andere (Strauch-)Beeren pflanzen. Ein anderer Produzent aus dem Thurgau hat seine Mini-Kiwi-Plantage ganz aufgegeben. Er ist überzeugt, dass nicht das Produkt gescheitert sei, sondern die Umstände, dass man es nicht geschafft habe, den Detaillisten und den Konsumentinnen und Konsumenten die Vorzüge der Mini-Kiwis aufzuzeigen. Auch er hatte Frostschäden an seinen Kulturen und musste irgendwann feststellen, dass es kein Geschäft mehr ist, weiterhin an den Mini-Kiwis festzuhalten, trotz viel Herzblut, Zeit und Engagement, das er der süssen kleinen Frucht widmete.
Beim Schweizerischen Obstbauverband heisst es, dass weder Flächen noch Mengen zum Mini-Kiwi-Anbau gesamtschweizerisch vorhanden seien, da diese bei Nischenprodukten nicht gesammelt werden. Hingegen schreibt Peter Schwegler, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Landwirtschaft BLW, dass im Jahr 2017 die grösste Fläche der Mini-Kiwi-Plantagen mit 10,7 Hektaren verzeichnet wurde. Seither sinke die Zahl kontinuierlich und sei nun bei 6,8 Hektaren angelangt. Das sei ein Minus von 4,2 Prozent, während die Flächen bei anderen Erd- und Strauchbeeren ungefähr gleichgeblieben seien. Weder die Anzahl Produzenten noch die Menge der Mini-Kiwis, die gesamtschweizerisch geerntet werden, sei bekannt, schreibt Peter Schwegler weiter.
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