Gefragt sind Vielfalt, Wettbewerb und Freiraum

Neben staatlichen Interventionen braucht es Vielfalt und Wettbewerb damit sich die Landwirtschaft weiterentwickelt, sagt Robert Finger, Professor für Agrarökonomie und -politik an der ETH Zürich im Agrarpolitik-Podcast. Das richtige Mass zwischen Staat und Markt zu finden, sei anspruchsvoll.
Zuletzt aktualisiert am 9. Oktober 2024
von Hansjürg Jäger
3 Minuten Lesedauer
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«Das Ziel kann nicht sein, alle glücklich zu machen», sagt Robert Finger im Gespräch mit Andreas Wyss im Agrarpolitik-Podcast. Robert Finger ist Professor für Agrarökonomie und -politik sowie Leiter des World Food System Centers an der ETH Zürich. Viel wichtiger als die Zufriedenheit aller seien klar formulierte Ziele. Dafür brauche es sowohl staatliche Rahmenbedingungen als auch Impulse für die Marktorientierung.

Zur Person

Robert Finger ist Professor im Department für Umweltsystem Wissenschaften und im Department für Management Technologie und Ökonomie und Leiter des World Food System Centers an der ETH Zürich. Der Agrarökonom lehrt an der ETH Zürich, forscht zu agrarökonomischen Fragestellungen und produziert mit seinem Team einen Blog über Agrarpolitik.

Politik könnte auch Verarbeitung und Konsum beeinflussen

Auf den Markt ausgerichtet heisst für Finger, dass die Bauern und Bäuerinnen Produkte und Dienstleistungen produzieren, die nachgefragt werden, und sich nicht nur auf den Staat verlassen. Hier bestehe ein Spannungsfeld: «Es braucht weniger Staat, dass es mehr Markt geben kann», sagt der Agrarökonom. Was der Markt möchte und was die Bevölkerung konsumieren möchte, sei kein fixer Zustand. Deshalb müsse der Markt weiterentwickelt werden. Dazu könne auch gehören, dass die Politik nicht nur auf Ebene der Produktion, sondern auch bei Verarbeitung und Konsum eine Rolle spiele.

Der Staat soll genug Raum für den Markt lassen

Das Produktionsziel wird laut Finger weiterhin erreicht, obwohl sich der Staat teilweise zurückgezogen und dem Markt mehr Raum gelassen hat. Er erwähnt den Käsefreihandel mit der EU seit Juli 2007 und die Aufhebung der Milchkontingentierung 2009. «Der Selbstversorgungsgrad konnte auf solidem Niveau gehalten trotz schwierigen Rahmenbedingungen», stellt der ETH-Professor fest.

Liberalisiert wurde dort, wo die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft komparative Vorteile hat. In der Folge haben sich die Akteure spezialisiert und ihre Position am Markt verbessert. Positiv seien auch die viele Label, durch die am Markt Mehrwerte abgegolten werden.

Staatlich geschickt intervenieren

Wie stark der Staat Labelproduktion mit Direktzahlungen fördern soll um den Absatz zu steigern, lässt sich laut Finger nicht so einfach beantworten. Der Staat soll eingreifen, «wo Leistungen erbracht werden, die nicht am Markt entschädigt werden können». Es bleibt aber auch hier ein schmaler Grat. Denn «gleichzeitig ist wichtig, dass genug Raum für den Markt besteht, damit der Markt Leistungen entschädigen kann», so Finger weiter. «Der Impuls, was Konsumentinnen und Konsumenten wollen, muss vom Markt kommen», erklärt er.

Agrarpolitik auf dem Prüfstand

Die bestehende Agrarpolitik aus verschiedenen Blickwinkeln auf Herz und Nieren prüfen: Das ist Thema der 12. Staffel von Agrarpolitik – der Podcast. Wer weiss, was funktioniert und was nicht, kann besser entscheiden, was bleiben kann und was geändert werden sollte.

Lenkungsabgaben statt Vorschriften

Die geforderte Vereinfachung kann laut Finger nur erreicht werden, wenn vielen agrarpolitischen Instrumenten abgeschafft werden, vor allem Direktzahlungsprogramm und Marktinterventionen. Dafür müssten jedoch andere Instrumente eingeführt werden. Potential sieht er in einem stärkeren Fokus auf Ziele und Resultate. Staatliche Vorschriften könnten durch Anreize ersetzt werden, was die Freiheitsgrade der Landwirtinnen und Landwirte erhöhen würden. Eine Alternative sind für den Wirtschaftswissenschafter Lenkungsabgaben, die externe Effekte mit einem Preis belegen und so in die Preisbildung integrieren. «Wenn man diese Dinge aufpreist, dann kann man ganz viele andere Instrumente abschaffen», so Finger.

Grenzschutz als zentrales Instrument

Interessant ist für den ETH-Professor, dass der Grenzschutz in der Diskussion eine eher untergeordnete Rolle spielt. Dabei sei er eines der zentralsten agrarpolitischen Instrumente. Der Grenzschutz führt zu höheren Produzentenpreises und kurbelt so die Produktion an. Gleichzeitig ist er eine Last für die Bevölkerung, weil er zu höheren Verkaufspreisen führt. Auch sei der Grenzschutz kein Impulsgeber für nachhaltige Produktion. Insgesamt sei «viel Raum, Dinge besser zu machen», so Finger. Basis sei, alle Akteure zu berücksichtigen. «Wir brauchen Vielfalt, Wettbewerb und Diversität, und das kann man schnell unterbinden, wenn man zu viel reguliert», fasst Finger zusammen.