Jetzt müssen neue Sorten her
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Information und Verlässlichkeit – darauf setzt Bio Suisse, um Betriebe zur Umstellung zu bewegen. Denn das wird anspruchsvoll, lautete doch die Botschaft der Bio-Organisation noch von wenigen Jahren: «Haltet euch zurück, stellt jetzt nicht um.» Doch heute sei die Situation völlig anders, sagte Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli anlässlich der traditionellen Jahresmedienkonferenz des Verbands.
Vor allem im Ackerbau gebe es grosse Chancen für Bio-Betriebe, aber auch in der Milch- und Fleischproduktion. Das zeigten die Zahlen von 2022: Der Marktanteil von Bio stieg von 10,9 auf 11,2 Prozent. «Der Umsatz ging jedoch leicht zurück von vier auf 3,87 Milliarden Franken», so Balz Strasser, Geschäftsführer von Bio Suisse. «Konsumentinnen und Konsumenten gaben 2022 aber trotz Energiekrise oder den Krieg in der Ukraine 439 Franken pro Kopf für Bio-Produkte aus.»
Heute gibt es in der Schweiz 7560 Bio-Betriebe, die 18 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften. «Bei Bio Suisse ist die Stimmung gut.» Und das liege auch daran, dass die Preise vor allem von Brotgetreide und von Milch stiegen. Strasser sagte: «Gerade beim Bio-Getreide ist die Nachfrage hoch. Migros und Coop etwa wollen in naher Zukunft nur noch Bio-Brote produzieren.»
Im Ackerbau sei aber noch mehr gefragt, zum Beispiel Hafer für alternative Drinks. «Es ist enorm wichtig, zu kommunizieren, dass die Nachfrage wirklich da ist. Und dass wir einen guten Trend in Richtung Bio haben und dass der Mehraufwand auch entschädigt wird», so Strasser. Er hofft, in den nächsten fünf Jahren 500 Betriebe mit einer Fläche von rund 15'000 Hektaren zu finden, die auf Bio umstellen wollen.
Urs Brändli räumte ein, dass die Umstellung auf Bio-Ackerbau anspruchsvoll sei: «Im Ackerbau braucht es viel zusätzliches Wissen, um den Betrieb umzustellen. Trotzdem: Der Plafond ist noch lange nicht erreicht.» Und Balz Strasser betonte, dass es bei Bio wichtig sei, über den Mehrwert zu sprechen, nicht nur über Preise. «Auch das müssen wir noch besser kommunizieren. Im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft verwenden wir keine synthetischen Pestizide und Dünger und das Tierwohl ist enorm wichtig.»
Und Urs Brändli doppelte nach: «Bio-Betriebe hatten letztes Jahr im Gegensatz zu vielen anderen gute Ernten. Das lag auch daran, dass unsere Pflanzen nicht mit Kunstdünger in die Höhe schiessen, sondern tiefe Wurzeln bilden – und so auch bei Trockenheit noch Wasser finden.»
Timo Pekgüçer, Leiter Marketing und Kommunikation bei Bio Suisse, ergänzte, dass im gesamten Markt ein Konsolidierungsprozess stattfinde. «Das haben wir beim Konkurs von Reformhaus Müller gesehen. Wir erleben eine neue Geschwindigkeit, da muss der Fachmarkt mithalten. Es geht nicht mehr darum, Nischen zu bedienen, denn Bio ist keine Nische mehr. Discounter haben ihren Bio-Umsatz seit 2019 zum Beispiel um 150 Millionen gesteigert», betonte er. «Bioläden müssen sich neu erfinden, um zu überleben. Etwa noch speziellere Produkte anbieten, Events organisieren, mehr online verkaufen.» Eine Erfolgsgarantie sei das aber nicht. «Doch man muss sich bewegen.»
Bewegen müssen sich auch Landwirtinnen und Landwirte, denn die Direktvermarktung, die während Corona boomte, ist rückläufig. Es werde heute weniger in Hofläden eingekauft, sagte Balz Strasser. Um den Konsumentinnen und Konsumenten trotzdem Bio-Produkte nahe zu bringen, verwies er auf Biomondo.ch, eine Plattform, auf der Produzentinnen und Produzenten ihre aktuellen Angebote in der Region und darüber hinaus auflisten und verkaufen können.
Einen weiteren Grund für die rückläufige Direktvermarktung sieht Balz Strasser darin, dass weniger selbst gekocht und wieder vermehrt in Restaurants gegessen werde. Und dort sei Bio noch zu wenig im Angebot. Dafür gebe verschiedene Gründe, erklärte Reto Thörig, Projektleiter Gastronomie bei Bio Suisse: «Rohprodukte sind kaum vorverarbeitet erhältlich, Zutaten sind nicht immer dann vorhanden, wenn sie benötigt werden, und häufig fehlt schlicht das Wissen über die Saisonalität. Zudem sind Bio-Produkte auf den Plattformen, die Gastronomen verwenden, kaum erhältlich.»
Diese Ausgangslage hat Bio Suisse dazu bewogen, das Label «Bio Cuisine» zu lancieren. «Mit diesem neuen Label bedient der Verband ein grosses Bedürfnis nach mehr Bio-Produkten auch in der Gastronomie», so Thörig. «Gemäss unserer Analyse kämen rund 7000 Gastrobetriebe in Frage. Unser Ziel ist es, bis 2027 rund 700 Betriebe zu gewinnen.»
Die Schwelle, um das Label «Bio Cuisine» zu erhalten, werde bewusst tief gehalten. Es gibt drei Stufen; die erste Stufe erfordert 30 Prozent Bio, die zweite Stufe bedingt 60 Prozent Bio und die dritte verlangt 90 Prozent. «Wir zertifizieren nicht den Prozess der Bio-Produkte, sondern den Gastronomen», betonte Thörig. Und Urs Brändli erläuterte: «Dieser Ansatz hat sich zum Beispiel in Dänemark bewährt, wo in der Stadt Kopenhagen in der Gemeinschaftsgastronomie bereits 90 Prozent Bio verarbeitet wird.»
Zu den Anforderungen des Labels gehört die Unterzeichnung einer Charta und eines Vertrags sowie die Verpflichtung, immer fünf Bio-Produkte vorrätig zu haben, um dem Gast auf Wunsch jederzeit ein einfaches Bio-Gericht servieren zu können. Zudem müssen Gastronominnen und Gastronomen jährlich eine Weiterbildung besuchen und für das Label im Schnitt 300 Franken jährlich bezahlen. Kontrolliert werden Betriebe alle drei Jahre. «Auch touristisch ist das Label interessant», sagte Thörig. Beispielsweise für Radwege oder Wanderungen entlang von «Bio Cuisine»-Restaurants.
Vier Monate nach der Einführung des Labels erfüllen seit Anfang April die ersten rund 20 Betriebe die Bedingungen. «Wir rennen mit dem Konzept offene Türen ein», freute sich Projektleiter Reto Thörig. Zu den Interessenten gehörten das ganze Spektrum: Die Kantine des Unispitals Basel, Spitzengastronomen und -gastronominnen im ganzen Land, zum Beispiel das Culinarium Alpinum oder auch Bio-Pioniere wie das Kornhaus in Dussnang, wo das Konzept vorgestellt wurde.
Lisa Schicker, Leiterin Hauswirtschaft/Gastronomie im Kornhaus, freute sich, zu den ersten zu gehören, die ein «Bio Cuisine»-Label besitzen. Der Weg dahin sei für sie allerdings eine Herausforderung gewesen. «Bio und saisonal haben wir im Kornhaus schon immer gekocht. An unseren geschützten Arbeitsplätzen verarbeiten wir auch alle Produkte selber. Doch der Lehrgang, den ich absolvieren musste, war anspruchsvoll», erklärte sie.
«Er war aber auch spannend und lehrreich. Mich schockierte es zum Beispiel, zu erfahren, dass in der Schweiz jedes Jahr Lebensmittel vernichtet werden, die 70'000 40-Tönner füllen würden.» Seit kurzem werden die Kornhaus-Gäste nun gefragt, ob sie zu ihrer Mahlzeit Brot wünschen. «Seither haben wir 50 Prozent Brot gespart», zog Lisa Schicker ein positives Fazit.
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