Warum Schweizer Ingwer nur kurz verfügbar ist
Thomas Käser geistern immer wieder Ideen im Kopf herum, die ihn nicht mehr loslassen. So war es mit dem Ingwer. Vor fünf Jahren kultivierte er die subtropische Pflanze das erste Mal im unbeheizten Folientunnel. Gezündet hat es bei ihm, als er in der Küche auf der Fensterbank einen Trieb an einer Knolle entdeckte.
Das Experiment Ingwer nahm seinen Lauf. Käser setzte die Knolle in einen Topf mit Erde und liess sie in der Stube wachsen. Sie trieb aus, entwickelte Rhizome und war nach einer Weile erntereif. Die Käsers waren motiviert und verlegten die nächste Testphase in den Folientunnel. In kleinem Umfang besorgten sie sich zunächst im Detailhandel einige Wurzeln. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und stiess auf Interesse bei Marktfahrern und Hofläden. Die Käsers trauten sich, den Ingwer in grösserem Umfang anzupflanzen.
Nachhaltiger Anbau im Folientunnel
Im fünften Anbaujahr wissen sie aus eigenen gesammelten Erfahrungen, welche Produktionsbedingungen einzuhalten sind, damit der Anbau gelingt. Bis heute sei es schwierig, an fundierte Informationen über den professionellen Ingweranbau zu gelangen, sagt Doris Käser.
Auf zwölf Aren im Folientunnel wächst der Ingwer in diesem Jahr. Im Vergleich zu den vorigen zwei Jahren passten sie den Anbau nach unten an. Der Grund: Zu Coronazeiten gab es einen regelrechten Run auf die gesunde Knolle, der besondere Heileigenschaften nachgesagt werden. Die Wurzel ist nicht nur eine beliebte Zutat für asiatische Rezepte, auch im Erkältungstee wirkt die Pflanze wohl Wunder. Sie wirke antiviral sowie entzündungshemmend und vertreibe Übelkeit, ist in wissenschaftlichen Studien nachzulesen.
Die Käsers betten den Ingweranbau in ihre Firmenphilosophie und die natürlichen Gegebenheiten ein. Die Folientunnel werden nicht beheizt. Die Pflanze muss mit den Bedingungen klarkommen. «Wir aber auch», damit meint Doris Käser die Abhängigkeit von den Launen der Natur.
Rhizome aus Peru
Die Rhizome kaufen sie auf dem Engrosmarkt in Zürich. Keine Ware aus China, sondern aus Peru, das sei der Grundsatz. In die chinesische Ware haben sie wenig Vertrauen. Die Wärme liebenden Ingwerwurzeln werden Ende April im Abstand von 50 cm in Reihen in die Erde gesteckt. Die Temperatur und Feuchtigkeit sind die entscheidenden Faktoren, wie lange es geht, bis die Pflanzen keimen.
Nach vier bis sechs Wochen schauen die ersten Keimlinge aus dem Boden heraus. Viele warme Tage und tägliche Wasserzufuhr führen zu einer guten Ernte. Allerdings gilt es, nicht zu viel Wasser zu geben, sonst beginnen die Rhizome zu faulen. Die Wasserzugaben erfolgen direkt an der Wurzel. Der Boden wird vor der Pflanzung mit Kompost versorgt. Das Unkraut jäten Käsers von Hand, geerntet wird ebenfalls von Hand. Die Bestandeskontrolle erfolgt wöchentlich. «Es sei denn, die Tage sind sehr heiss, dann müssen wir die Bewässerung gut im Auge haben», sagt Doris Käser.
Keine chemische Behandlung
Der Ingwer ist nur saisonal erhältlich. Ihn haltbar zu machen, sei schwierig, sagt Doris Käser. Vieles wurde probiert: Kalt und trocken gelagert, warm und trocken gelagert – alles Ausprobieren kam nicht zu einem befriedigenden Ergebnis. Den Ingwer, wie es in anderen Ländern vollzogen wird, chemisch zu behandeln und somit haltbar zu machen, kommt für die Käsers nicht infrage. Das entspreche nicht ihrer Philosophie.
Ihr Ingwer wird während der gesamten Vegetationsperiode nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. «Der Erntezeitpunkt und der Ertrag sind abhängig davon, wie warm es zur Pflanzzeit ist, wie viele warme Tage wir im Laufe der Vegetation haben.» Die Rhizome werden nicht so gross wie die, die man aus dem Detailhandel kennt. Die hiesigen Erntemengen liegen zwischen 400 und 500 g pro gepflanzter Knolle.
Der Gemüsebetrieb Käser
Die Käser AG in Birmenstorf (AG), die in der arbeitsintensivsten Zeit des Jahres bis zu 50 Mitarbeitende beschäftigt, sät, pflanzt und erntet 30 verschiedene Gemüsearten. Dazu zählen gängige Sorten wie Rucola, Kohlrabi, Chabis, Spinat oder Bundzwiebeln, aber auch Spezialitäten wie italienische Petersilie, Asia-Salate und Nischenprodukte wie den Ingwer. Doris Käser ist gelernte Blumengärtnerin. Auf dem Betrieb ist sie für die Administration und den Verkauf verantwortlich. Gemeinsam mit ihren Mann Thomas und Sohn Roman bewirtschaftet sie den Gemüsefachbetrieb. In diesem Jahr lud das Unternehmen an Pfingsten zu einem Tag der offenen Tür ein. Mit viel Aufwand in Sachen Werbung und Paratmachen von publikumsfreundlichen Schildern zeigte es der Öffentlichkeit, wie heute Gemüse angebaut wird. Rund 2000 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit.
Rosa und zart ohne Fasern
Wie sieht er denn nun aus, der Schweizer Ingwer? Er entwickelt grüne, lang gezogene Blätter ähnlich wie der Mais, nur viel kleiner. Die Pflanze wird aus der Erde gezogen. Die Farbe der Knolle ist bei der Ernte nach fünfmonatiger Vegetation hell- bis leicht rosa. 5 cm oberhalb der Wurzel wird das Grün abgeschnitten, anschliessend mit einem harten Wasserstrahl gewaschen. So landet der Ingwer im Harass. Die Konsumenten kennen den Ingwer aus dem Ausland mit einer festen Schale. Der frische hat keine Schale. Das Aroma ist nicht ganz so scharf. Er ist saftiger und hat keine Fasern.
Sobald die Temperaturen unter 15 °C rutschen, stellt die Pflanze das Wachstum ein, das Kraut wird schlecht. Spätestens dann muss der Ingwer aus der Erde.
Absatz auf Wochenmärkten und Hofläden
Abgesetzt wird die Ware auf dem Engrosmarkt in Zürich. Grosshändler, Wochenmarktfahrer, Hofladenbesitzer kaufen die Ware auf. Der Verkaufspreis für den Grosshändler liegt bei 15 CHF/kg. «Der Wochenmarktfahrer schlägt 50 bis 80 % drauf, was er auch muss», sagt Doris Käser.
Besonders die Frische und regionale Herkunft punkten bei den Kunden. Von der Ernte bis in den Einkaufskorb sind es rund 24 Stunden. Frisch geernteten Ingwer sollten die Konsumentinnen und Konsumenten zu Hause kühl und trocken lagern und innerhalb von drei Wochen aufbrauchen. Doris Käser gibt den Tipp, die Knolle einzufrieren und bei Bedarf aus dem Froster zu nehmen, die Menge, die man benötigt, zu raspeln und wieder zurück in den Froster. Und es sei wichtig, bei Erkältungen den Ingwer im heissen Wasser sehr lange auszukochen. Der Sud sei zwar recht scharf, aber helfe.