Rückkehr eines traditionellen Herbstgemüses

Einst ein Grundnahrungsmittel, dann fast vergessen: Die Herbstrübe erlebt als Herbstgemüse ein kleines Comeback. Die Betriebsgemeinschaft Aare-Bio setzt auf die vielseitige «Räbe» und bringt sie als Frischgemüse auf den Markt. Trotz Herausforderungen im Anbau zeigt das Interesse der Konsumenten, dass die Herbstrübe Potential hat.
Zuletzt aktualisiert am 1. November 2024
von Renate Hodel
5 Minuten Lesedauer
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David Ramseier von der Betriebsgemeinschaft Aare-Bio auf dem Herbstrübenfeld. (rho)

Die Herbstrübe oder «Räbe» hat eine lange Geschichte in der europäischen Ernährung und Kultur. Im Mittelalter noch eine Hauptnahrungsquelle, wurde sie später von der Kartoffel verdrängt und geriet als Lebensmittel fast in Vergessenheit. Heute kennen viele die Herbstrübe nur als «Räbeliechtli», ein wichtiger Bestandteil herbstlicher Traditionen, bei denen Laternen ausgehöhlt und beleuchtet bei «Räbeliechtli»-Umzügen durch die Strassen getragen werden. Tatsächlich hat sie aber mehr zu bieten: Als schmackhaftes und vielseitiges Herbstgemüse. Die Betriebsgemeinschaft Aare-Bio, bestehend aus den Landwirten David Ramseier, Thomas Augstburger und Peter Hurni, hat sich dieser Aufgabe angenommen und bringt die Herbstrüben als Frischgemüse vom Feld auf den Markt.

Gemüse mit Potential

«Der Impuls zum Anbau der Herbstrübe kam von der Bio-Produzentenorganisation Terraviva, die nach Produzentinnen und Produzenten suchte», erklärt David Ramseier. So startete Aare-Bio letztes Jahr mit einer Pilotfläche auf rund 30 Aren. Die Herbstrüben aus dieser Testphase wurden über den Terraviva-Abholmarkt für Gastronomie, Marktfahrer und sonstige Händler vermarktet. Dieses Jahr wurde der Anbau nun auf 180 Aren ausgeweitet, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Die Herbstrüben werden nun über Terraviva an Coop geliefert.

«Die Herbstrüben laufen extrem gut», erklärt der Landwirt begeistert. Das Interesse und die Nachfrage seien gut und die Konsumentinnen und Konsumenten scheinen die vielseitige Verwendung der Herbstrübe bereits gut zu kennen. «Natürlich setzt das auch entsprechende Kommunikation beispielsweise von Coop voraus, aber das klappt bis anhin gut», meint David Ramseier weiter.

Ein robustes Gemüse – jedoch auch mit Herausforderungen

Die Herbstrübe ist an sich pflegeleicht und anspruchslos in der Kultivierung. Sie benötigt nur eine kurze Wachstumszeit von etwa 70 bis 80 Tagen, weshalb sie gut als Zweitkultur nach der Ernte einer Sommerhauptkultur wie Getreide oder Gerste oder wie bei der Betriebsgemeinschaft Aare-Bio nach Rüebli angebaut werden kann. «Im Herbst hat man meistens mehr Platz als im Sommer und so können wir die Herbstrüben noch nach einer Hauptkultur einplanen», erklärt Peter Hurni von Aare-Bio.

Das Gemüse hat wenig Probleme mit Unkraut und benötigt nur ein einmaliges Hacken, um das Feld sauber zu halten. Doch der Biolandbau bringt auch Herausforderungen mit sich: Die Hauptprobleme liegen bei den Schädlingen, insbesondere bei den Erdflöhen und den Larven der Kohlfliege. «Die Erdflöhe sind vor allem zu Beginn ein Problem, wenn die Käfer einfliegen und die feinen Blätter der noch jungen Räben kahlfressen», erklärt Thomas Augstburger, der Dritte im Bunde. Und später verursachen die Kohlfliegen Probleme, die ihre Eier unter anderem in den Boden legen. «Die geschlüpften Maden der Kohlfliege machen dann im Boden von untenher Frassschäden an den Herbstrüben», erläutert der Landwirt weiter.

Im Biolandbau sind sie bei der Schädlingsbekämpfung eingeschränkt und dürfen gegen Schädlinge im Boden keine Mittel einsetzen. Um die Räben trotzdem etwas vor den Erdflöhen und Kohlfliegen zu schützen, setzt die Betriebsgemeinschaft Aare-Bio ein feinmaschiges, vlies-ähnliches Netz ein, um die Schädlinge fernzuhalten. «Die Herausforderung dabei ist, den richtigen Zeitpunkt zum Abdecken zu erwischen», erklärt Thomas Augstburger. Zu frühes Abdecken kann das Wachstum der Kultur hindern, bei zu spätem Abdecken, hat die Kohlfliege ihre Eier vielleicht bereits abgelegt und wütet dann ungehindert unter dem Netz.

Arbeitsintensive Ernte von Hand

Sind die Räben dann ausgewachsen, erfordert das Ernten der Herbstrüben dann viel Handarbeit und Geduld. Auf den Feldern der Betriebsgemeinschaft Aare-Bio wird jede Rübe von Hand gezogen, das Laub und die Wurzel werden direkt am Feld abgeschnitten. Anschliessend werden die Rüben in die betriebseigene Lagerhalle gebracht, wo sie sorgfältig gewaschen, auf Qualität geprüft und sortiert werden.

Die Qualitätsanforderungen sind hoch und gerade die Frassschäden, die durch Larven der Erdflöhe verursacht werden, sind darum ein Problem. «Es wird makellose Ware verlangt – aber da wir bis auf die Pilotfläche letztes Jahr noch keine Erfahrungswerte mit der Herbstrübe hatten, haben wir genug angebaut, damit wir einerseits genug liefern können und andererseits bereits auf unserem Betrieb grosszügig aussortieren können», erklärt David Ramseier. «Und wir sortieren lieber grosszügig aus und kompostieren die Herbstrüben, damit wir sie wieder zurück aufs Feld führen können, als dass sie irgendwo nach der Anlieferung und dem Ladenregal als Abfall enden», ergänzt Thomas Augstburger.

Die Herbstrübe bei Detailhändlerin Coop

Auf Nachfrage bestätigt Detailhändlerin Coop, dass sie ihr Biosortiment im Herbst mit Pro-Specie-Rara-Herbstrüben ergänzt hat. Die Bio-Herbstrüben werden parallel zu den ganzjährig erhältlichen Demeter-Bio-Kohlraben angeboten. Die Herbstrübe, in der Schweiz oft als «Räbeliechtli» bekannt, erfreut sich laut Medienstellenleiter Caspar Frey vor allem in der Westschweiz und im Mittelland einer gewissen Beliebtheit. «Die Nachfrage ist insgesamt und verhältnismässig aber auf einem eher tiefen Niveau», ergänzt der Coop-Mediensprecher. Eine gezielte Förderung zur Bekanntmachung des Produkts als Frischgemüse ist derzeit nicht vorgesehen, da Coop das Interesse für die Herbstrübe bereits als stabil einschätzt: «Wir stellen fest, dass das Produkt durchaus bekannt ist – das spiegelt sich auch in der Nachfrage wider», erklärt Caspar Frey.

Vom Räbeliechtli zum vielseitigen Frischgemüse

Obwohl Herbstrüben heute vorwiegend für die traditionellen «Räbeliechtli»-Umzüge im Herbst bekannt sind, eignen sie sich auch hervorragend als Gemüse. Die Herbstrübe hat zwar einen intensiven Eigengeschmack und bringt die für Kohlpflanzen typische Senfölnote mit, die sie einzigartig macht. Diese kräftige Schärfe verleiht der Herbstrübe einen besonderen Reiz und eröffnet vielseitige Verwendungsmöglichkeiten in der Küche. Im Mittelalter war sie Hauptbestandteil vieler Mahlzeiten, etwa als Räbenmus. Gerade in der heutigen Zeit, in der Geschmäcker oft eher mild ausgerichtet sind, kann sie durch ihre würzige Note aber eine interessante Bereicherung darstellen.

David Ramseier betont, dass der Erfolg des Gemüses auch von einer guten Konsumentenaufklärung abhängt. Doch bislang zeigen die Kundinnen und Kunden positive Reaktionen und sind neugierig auf die Verwendungsmöglichkeiten. «Unsere Herbstrüben werden als Frischgemüse und als ‹Räbeliechtli› verkauft – und tatsächlich scheinen die Konsumentinnen und Konsumenten zu wissen, was damit anzufangen ist», meint er schmunzelnd.

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