Grüne Milchalternativen: Ökohelden mit Nährstofflücken?
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Das Thermometer zeigt 35 Grad Celsius an und es ist trocken in der Region Alentejo im Süden von Portugal. In diesen Tagen, Anfang September, regnet es wenig, dennoch sind die Olivenplantagen genügend mit Wasser versorgt und versprechen eine gute Ernte. Die Olivenbäume erhalten über ein Tröpfchenbewässerungssystem Wasser. Man sieht die zwei Zentimeter breiten Kunststoffschläuche auf der Bodenoberfläche liegen, sie schlängeln sich neben den Stämmen die lange Baumreihe entlang nach hinten, bis sie kaum mehr erkennbar sind. Noch hängen die meisten Oliven grün an den Ästen. Manchmal zeigen die Steinfrüchte bereits einen Schimmer dunkel-violett. Die Ernte steht kurz bevor, sie beginnt Mitte September und dauert fast drei Monate.
Über die Baumreihen hinweg sieht man die Ölmühle heraufragen. An diesem Tag bekommt die Besuchergruppe, bestehend aus rund 30 Agraringenieuren aus aller Welt, einen Einblick in die Tätigkeiten von Bolschare, dem grössten Olivenproduzenten und -verarbeiter in Portugal. Vom Dach der Olivenmühle sehen wir hunderte von Meter weit und fast bis zum Horizont nur Olivenbäume, Reihe für Reihe, Baum neben Baum. Ab und zu werden die Reihen durch eine grosse Eiche unterbrochen. Korkeichen und Steineichen sind in Portugal geschützt und das Fällen der uralten Stämme muss von den Behörden genehmigt werden.
Der Verantwortliche für Nachhaltigkeit bei Bolschare, Diogo Pires, erklärt, dass das Unternehmen anstrebt, 15 Prozent der gesamten Fläche zum Zwecke des ökologischen Ausgleichs unberührt zu belassen. Bisher seien es etwa 10 Prozent. Allein mit dem Olivenanbau bewirtschaftet Bolschare heute eine Fläche zwischen 5’000 und 6’000 Hektaren in Portugal und teilweise im nahe gelegenen Spanien. Das Geschäft mit Avocado, Mandel und Haselnuss ist nebensächlich. Tatsächlich hat sich der Anbau von Oliven in Portugal in den letzten fünf bis sechs Jahren stark erweitert. In wirtschaftlicher Hinsicht ist Portugal inzwischen das fünftgrösste Exportland von Olivenöl mit einem Wachstum des Geschäftsvolumens von über 250 Prozent seit 2017, erklärt Vasco Fitas Da Cruz, Professor an der Universität in Évora und Mitorganisator der Exkursion. Dies sei auf eine verbesserte Effizienz beim Anbau, also eine bessere Olivenölausbeute pro Hektar Fläche, zurückzuführen. Trotzdem gibt es wachsende Besorgnis um die Umwelt- und Sozialverträglichkeit des intensiven Olivenanbaus in Portugal. Durch die jetzige Ernte, die bis in den November hinein reicht, wird das Land schätzungsweise rund 6 Prozent der weltweiten Olivenölmenge produzieren. Das entspricht einem Anstieg von 10 Prozent gegenüber der vorangegangenen Kampagne 2022/2023. Nur Spanien, Italien und Griechenland produzieren noch mehr Olivenöl.
Die portugiesische Anbaufläche blieb in den letzten drei Jahren nahezu konstant. Es waren rund 380’000 Hektaren, was etwa 4 Prozent der Landesfläche ausmacht. Doch wie kann es sein, dass auf derselben Fläche die Olivenölausbeute derart gesteigert werden konnte? Zum einen werden heute mehr Bäume pro Hektar gepflanzt, nämlich bis zu 400 Stück. In älteren Olivenanlage variierte die Anpflanzungsdichte zwischen 40 und 50 Bäumen pro Hektar.
Zusätzlich hat die Automatisierung wesentlich zur Steigerung der Olivenmengen beigetragen. Auf den Plantagen der Firma Bolschare werden alle möglichen Arbeitsprozesse teilautomatisiert. So fliegen regelmässig Drohnen über die Flächen. Diese erkennen Einzelbäume und, ob deren Wachstum eingeschränkt ist. In einem solchen Fall wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an welcher Stelle ein Bewässerungsschlauch verstopft sein könnte. Ohne die Drohnenunterstützung wäre die Kontrolle der Schläuche sehr zeitaufwändig und die Bäume müssten teils länger unter Trockenstress leiden.
Drei Drohnenpiloten habe die Firma dafür im Einsatz, erklärt der Nachhaltigkeitsverantwortliche Diogo Pires. Mit der Ressource Wasser versucht Bolschare möglichst effizient umzugehen. «Wir verwenden das Wasser, das beim Olivenölpressen gebraucht wird, erneut für die Bewässerung», erklärt Pires. Immer mehr Olivenreihen sind in der Mitte mit Gräsern bewachsen. Das soll den Boden kühl halten und weniger Wasser verdunsten lassen. Pires fährt fort: «Auch zwischen den Bäumen wollen wir in der Zukunft begrünen, um Wasser sparen zu können.»
Olivenbäume tragen Früchte in Regionen, in denen das Klima genügend mild ist: In der Schweiz gibt es im Tessin Olivenhaine – die Olivenproduktion ist aber eine kleine Nische. Bis Mitte 2021 wurden laut einer Mitteilung der Associazione Amici dell Olivio knapp 7’700 Bäume gezählt. 2020 konnte erstmals seit Mitte des 19. Jahrhunderts wieder Schweizer Olivenöl gepresst werden.
Strom gewinnt Bolschare bisher über Photovoltaik auf den Maschinenhallen und der Ölmühle sowie an den Stationen, wo sich Wasserpumpen in der Plantage befinden. Die Lastwägen, die das Erntegut zur Mühle fahren, werden per GPS durch die Plantage gelotst, um den zeit- und energiesparendsten Weg zur Mühle zu finden. «Autonom fahren sie noch nicht, weil es Vorschrift ist, einen Führer im Führerhaus sitzen zu haben», erklärt Pires. Übrigens: Das Erntegut, das für Tischoliven in Salzwasser eingelegt wird und jenes, das für Vergine- oder Extra-Vergine-Olivenöl mechanisch gepresst wird, unterscheidet sich, zumindest in dieser Mühle, nicht voneinander. «Für die Gewinnung des Olivenöls darf die Ernte nicht länger als 24 Stunden zurück liegen», sagt Pires, während sich die Besuchergruppe mit zwei Kleintransportern auf den Weg durch die Plantage macht.
Die Teilnehmenden der Exkursion verbindet eines: Sie alle erforschen und entwickeln Methoden und Technologien für die Landwirtschaft von Morgen. Unter ihnen eine Arbeitswissenschaftlerin aus der Schweiz, die sich damit beschäftigt, wie sich neue Technologien auf den Arbeitszeitbedarf von Bäuerinnen und Bauern auswirken, denn nicht in jedem Fall wird durch den Einsatz das Arbeitsausmass geringer und die Arbeit leichter. Dieses Wissen ist essentiell für Landwirtinnen und Landwirte, wenn sie sich überlegen eine neue Maschine anzuschaffen, eine neue Kultur anzupflanzen oder wenn es darum geht, ob der Partner auswärts arbeiten kann, mit welchem Pensum und ob man ausserfamiliäre Unterstützung benötigt oder nicht. Die Agroscope-Wissenschaftlerin erklärt, der Arbeitskräftemangel in der Schweizer Landwirtschaft sei auch heute schon eine wesentliche Herausforderung.
Als nächstes interessieren die Anstrengungen von Bolschare beim Thema Artenschutz. Die Biodiversitätsförderflächen sind nicht sofort auffindbar, auch Wildtiere wie Wildschweine und Rehe begegnen uns an diesem Tag nicht. Dann erscheint die Biodiversitätsförderfläche doch noch vor uns − jedoch anders, als man Ausgleichsflächen aus der Schweiz kennt. Dürre Sträucher und Gräser wuchern wild übereinander – auf einer überschaubaren Parzelle. Zwei Palettenbauten für Wildbienen zieren den Rand, in der Mitte stehen einige Beuten für Honigbienen. Diese Flächen sind nicht bewässert und erscheinen deshalb etwas trostlos. In den temperaten Regionen der Welt leuchten bebuschte Parzellenränder oft grün und satt, es summt und zwitschert. So auch in der Schweiz und dort sind sie im Landschaftsbild noch öfters vorhanden als in dieser Plantage.
Der dänische Landwirt und Agrartechnik Professor Claus Aage Grøn Sørensen äussert sich überzeugt, dass die zukünftige Drohnen- und Maschinentechnik mit einer grossen Diversität auf dem Feld und auf den Höfen umgehen können muss. Auf die Frage, ob die Schweiz von der zunehmenden Präzisionslandwirtschaft profitieren kann oder ob sie Familienbetriebe wegen der teuren Investitionen nicht überleben lässt, antwortet er zuversichtlich. Die kleinstrukturierte Agrarlandschaft der Schweiz, könnte gerade diejenige sein, die zukunftsfähig ist. Laut Sørensen bedarf es jedoch Netzwerken für die gemeinschaftliche Nutzung von smarten Maschinen und innovativer Technik, sodass die Einzelbetriebe finanziell weniger belastet sind.
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