25 Jahre nach Lothar: Wie ein Sturm die Schweizer Wälder prägte
Der Orkan Lothar hinterliess 1999 eine Spur der Verwüstung in den Schweizer Wäldern, brachte jedoch auch erstaunliche...
Im letzten Jahr haben Borkenkäfer in den Schweizer Wäldern 700'000 Kubikmeter Holz zugesetzt, meldet die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Über die ganze Schweiz hinweg mussten im Sommer 2023 rund acht Prozent mehr Fichten zwangsweise gefällt werden als im Vorjahr. Vor allem in den Regionen Jura und Mittelland waren die Schadholzmengen in den letzten drei Jahren zunehmend, wogegen die Zahlen für die Regionen Alpen, Voralpen und Alpensüdseite weitgehend leicht rückläufig waren.
Stellt sich die Frage, wie diese Entwicklung im aktuellen Jahr weitergeht? «Der vergangene Winter war der mildeste seit Messbeginn und brachte insbesondere im Februar einen Wärmerekord», sagt Simon Blaser, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim WSL. Die milden Frühjahrstemperaturen hätten dazu geführt, dass der Buchdrucker, die ökonomisch wichtigste in der Schweiz vorkommende Borkenkäferart, gebietsweise bereits ab Mitte März ausschwärmen und Fichten befallen konnten.
«Durch diesen frühen Flug könnte so in diesem Jahr gebietsweise sogar eine dritte Käfergeneration angelegt werden», sagt Simon Blaser. Denn in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass sich der Buchdrucker aufgrund der wärmeren Temperaturen schneller entwickeln und pro Jahr eine zusätzliche Käfergeneration anlegen kann.
Allerdings seien die Wetterbedingungen für den Flug der Käfer in diesem Frühling und Frühsommer oft ungeeignet gewesen und die Fichten im Vergleich zu den Vorjahren weniger Trockenstress ausgesetzt. Wie stark sich die Wetterbedingungen tatsächlich auf die Befallsdynamik auswirken werden, lasse sich jedoch erst am Ende der Saison zeigen, sagt Simon Blaser.
Die Website www.borkenkaefer.ch vermittelt ein aktuelles Bild der Borkenkäfer-Lage.
Doch eines hat sich in den letzten Jahren klar gezeigt: Es gibt zwei zentrale Faktoren, welche die Befallsdynamik beeinflussen. «Die wichtigsten beiden sind das Brutraumangebot für die Käfer sowie die Widerstandsfähigkeit der Fichten», sagt Simon Blaser. Beide Faktoren sind also vom Klima abhängig. Sturm-, Lawinen- oder Schneedruckschäden bieten dem Käfer viel geeignetes Brutmaterial. «Durch zusätzlichen Trockenstress der Fichten reduziert sich ihr Verteidigungspotenzial gegenüber dem Käfer», sagt Simon Blaser.
Das zeigt, wie wichtig es ist, nach einem Sturm- oder einem anderen Naturereignis - schnell zu handeln. Simon Blaser: «Können Sturmschäden rechtzeitig aufgearbeitet werden und neue Borkenkäferbefälle vor Ausflug der neuen Generation entdeckt und entfernt werden, so kann der Folgebefall deutlich reduziert werden». Doch stellen Grossereignisse wie der Sturm Lothar im Jahr 1999 oder schwieriges, unzugängliches Gelände dabei eine schwierige Herausforderung dar.
Auch die Grafik vom WSL zur Zwangsnutzung von Fichtenholz aufgrund Käferherden zeigt den starken Einfluss von Sturmereignissen und Trockenheitsperioden klar (siehe Grafik unten). Deutlich zu erkennen ist dabei der grosse Anstieg nach dem Sturm Lothar im Dezember 1999 und kurz darauf im Hitzejahr 2003 ein weiterer massiver Anstieg. 2018 waren es Herbst- und Winterstürme, die in Kombination mit den nachfolgenden Trockenjahren in der Schweiz grosse Käferholzmengen auslösten.
«Erst im feucht-kühlen Jahr 2021 hatte sich die Käfersituation etwas entspannt, allerdings beobachten wir seither schweizweit wiederum einen leichten Anstieg», sagt Simon Blaser. «Würde sich das gleiche Muster zeigen wie in den vergangenen Jahren, hätten die Zwangsnutzungen 2022 und 2023 eigentlich weiter zurückgehen müssen», bestätigt auch Thibault Lachat, Professor für Waldökologie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL. Warum das nicht so ist, lasse sich aktuell noch nicht beantworten.
Zwangsnutzung bedeutet, dass das Holz vorzeitig geerntet wird, oft aus unvorhergesehenen Gründen wie Borkenkäfer-, Sturm- oder Schädlingsbefall, Dürreschäden oder anderen Ereignissen, die den Baum beeinträchtigen. Dies führt dazu, dass der Baum gefällt wird, bevor er seine volle Reife erreicht hat.
Meist kann dieses Holz von der Holzindustrie noch verwendet werden; doch das hängt von mehreren Faktoren ab:
Bei einem Befall durch den Borkenkäfer:
Es kommt also vor allem darauf an, dass das Holz möglichst rasch nach dem Feststellen eines Befalls geerntet wird. Besonders für Anwendungen, bei denen die Ästhetik weniger wichtig ist (z.B. Bauholz, Verpackungen, Brennholz), kann es aber meist noch gut verwendet werden.
Klar ist: Aufgrund des im Rahmen des Klimawandels erwarteten Temperaturanstiegs so wie der zunehmenden Intensität und Häufigkeit von klimatischen Extremereignissen wie Trockenheit wird der Druck auf die Fichten weiter zunehmen. Doch ist die Fichte nach wie vor der wichtigste Baum der Schweizer Holzproduktion und gleichzeitig auch Leibspeise des Buchdruckers.
Doch werden sich die Wälder vor allem in tieferen Lagen künftig in Richtung erhöhter Laubholzanteil entwickeln. «Insbesondere in tieferen Lagen, beispielsweise im Mittelland, wo die Fichte ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes in Reinbeständen vorkommt, erwartet man daher zunehmende Probleme für diese Baumart», sagt Simon Blaser.
Dem Borkenkäfer ist durch das intensive Anpflanzen von Fichten in der Vergangenheit sehr viel Nahrung zur Verfügung gestellt worden, sagt Thibault Lachat. «Aus der Sicht des Holzproduzentinnen und -produzenten sowie des Forstdienstes verstehe ich sehr gut, dass der Borkenkäfer viele Probleme mit sich bringt». Doch stelle sich aus Sicht des Waldökologen eher die Frage: Haben wir ein Fichtenproblem oder ein Käferproblem?
Mit dem fortschreitenden Klimawandel gelange der Borkenkäfer allmählich auch in höhere Lagen, sagt Thibault Lachat. Also in Lagen, wo die Fichten natürlicherweise vorkommen. «Dort handelt es sich dann definitiv um ein Käferproblem, denn die Buchdrucker reduzieren die Schutzfunktion der Wälder».
Auch Simon Blaser weist auf die besondere Problematik der zunehmenden Buchdruckerbefälle im Gebirge hin. «Fallen Schutzwälder durch Borkenkäferbefälle aus, kann dies eine indirekte Bedrohung von Mensch und Infrastruktur darstellen». Wiederaufforstungen seien in solchen Regionen eine besonders grosse Herausforderung. Dies vor allem auch durch den hohen Wilddruck und der damit einhergehenden Wildverbiss-Problematik.
«Um Fichten rechtzeitig fällen zu können, braucht es die zuverlässige Früherkennung eines Befalls in einem möglichst frühen Stadium», sagt Alessandra Bottero, Leiterin des WSL-Projektes «earlyBEETLE». Also bereits im Stadium «Green Attack», bei der die Bäume von aussen noch relativ gesund erscheinen, aber bereits befallen sind. Für die Früherkennung werden in diesem Projekt insbesondere Drohnendaten verwendet. Anhand von retrospektiven Analysen von Satellitenbildern, Untersuchungen der Waldstrukturveränderung sowie Jahrringanalysen werden zudem für einen Borkenkäferbefall begünstigende Faktoren ermittelt. Zudem ist aktuell schweizweit eine Datenbank im Aufbau, in welcher Käferausbrüche sowie Bekämpfungsstrategien festgehalten werden.
Ein weiterer innovativer Ansatz bei der Borkenkäfer-Früherkennung sind Spürhunde. Sie können mutmasslich aufgrund von Pheromonen einen Befall erkennen sogar bereits im «Green Attack»-Stadium. Mehr zu den Borkenkäfer-Spürhunden: www.hauptsachnatur.ch
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