Mit Hightech zu mehr Nachhaltigkeit auf dem Feld
Die Swiss Future Farm in Tänikon TG vereint Forschung und moderne Landtechnik, um Herausforderungen wie Klimawandel, ...
Es habe als Spinneridee begonnen, sagt Landwirt Hans Fuhrer. Der Anstoss kam ursprünglich vom Tropenhaus in Frutigen, welches kurz die Idee von regionalem Wurmfutter für seine Störzucht verfolgte. So sollten Landwirtinnen und Landwirte im Kandertal rund 120 Tonnen Würmer als Futter für die Störe produzieren – auch Hans Fuhrer wollte es probieren. Weil aber viele Fragen offen blieben, reifte die Idee nie ganz aus: Es wurde unter anderem nie ausgearbeitet, wie die Bewirtschaftung oder die Ernte der Würmer genau funktionieren sollte und auch finanzielle Fragen wurden nicht geklärt. «Schlussendlich scheiterte die Idee dann – auf den Wurm sind wir aber trotzdem gekommen», erzählt Hans Fuhrer.
Anstatt auf Wurmfutter setzte der Berner Oberländer Landwirt mit seinen Kompostwürmern fortan aber auf die Herstellung von Biodünger. Dazu lässt er den Mist seiner Mutterkühe auf dem Miststock «vorrotten» und verfüttert ihn anschliessend an seine Würmer. Diese fressen und verwerten den Kuhmist und scheiden ihn als nährstoffreichen Humus wieder aus. So entsteht eine organisch-mineralische Erde, die viele aktive Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze enthält und besonders wasserspeichernd ist.
«Für die ersten Würmer haben wir den Miststock entsprechend bearbeitet, damit sich die Würmer dort gut vermehren, haben diese dann gesammelt und der Anlage zugeführt», erklärt Hans Fuhrer. Dann dauerte es allerdings seine Zeit, bis die Würmer erste nennenswerte Resultate lieferten: Rund eineinhalb Jahre nach der ersten Anfütterung konnte die erste Wurmernte geerntet werden. Die ersten paar Hundert gesammelten Würmer mussten sich nämlich zuerst vermehren. Zwei Würmer würden bei Laborbedingungen jährlich rund tausend Nachkommen zeugen – in seiner Anlage seien es vielleicht 500 bis 700 Würmer pro Jahr, erläutert Hans Fuhrer weiter.
Den ersten Prototyp ihres Wurmstalls bauten Fuhrers 2009 und liessen die Anlage im Frühling desselben Jahres ein erstes Mal laufen. Der kleine Prototyp funktionierte bereits nicht schlecht, sodass Fuhrers ein Baugesuch für einen grösseren Wurmstall einreichten. Das Baubewilligungsverfahren gestaltete sich allerdings nicht ganz einfach: Unter anderem weil vergleichbare Anlagen selten waren und bei den Ämtern Unklarheit herrschte, welche Anforderungen erfüllt sein mussten. Ausserdem sollte die Anlage in einer Ökovernetzung zwischen Bäumen zu stehen kommen und der angedachte Folientunnel, in dem der Wurmstall untergebracht werden sollte, würde in der Landschaft etwas fremd wirken. 2010 konnten Fuhrers die Anlage aber schliesslich verwirklichen, realisierten vorerst aber nur die halbe Anlage – dreissig Meter statt der bewilligten sechzig Metern.
Darin steht nun das modulare Konstrukt aus übergrossen Holzkisten auf Stelzen, in denen sich die Würmer durch den eingefüllten Mist arbeiten. Je nachdem wie viel Wurmerde produziert werden soll, kann Hans Fuhrer mehr oder weniger Module befüllen. «Da unser System ab Boden ist, ist die Luftzufuhr immer gewährleistet und das zu verwurmende Material erstickt nicht – anders als bei der klassischen Kompostierung beispielsweise mit Feldrandmieten», sagt der Landwirt. Die Würmer fressen jeweils in den obersten zwanzig Zentimeter – alles unterhalb ist gefressen und verwertet. Von unten her kann der Wurmhumus dann geerntet und oben wieder neuer Mist zugefüttert werden – so wandern die Würmer quasi immer von unten nach oben.
Rege Würmer
Der Regenwurm ist eines der stärksten Tiere der Erde. Zumindest im Verhältnis zu seiner Körpergrösse. Regenwürmer sind feuchtigkeitsliebende Bodentiere und reagieren sehr empfindlich auf Lichtreize. Da sie die überwiegende Zeit mehr oder weniger tief in der Erde leben, ist ihre Bezeichnung als Regenwürmer leicht irreführend. Viel treffender wäre Erdwürmer – wie im Englischen mit «earthworm», im Französischen mit «ver de terre» oder im Spanischen mit «lombriz de tierra».
Die deutsche Namensgebung hat wahrscheinlich aber auch nur bedingt etwas mit nassem Wetter zu tun: So wurden das Tierchen im 16. und 17. Jahrhundert im Volksmund als «reger Wurm» genannt – weil er ständig arbeitet und frisst. Daraus soll sich dann im Laufe der Zeit der Begriff «Regenwurm» entwickelt haben. Andere Vermutungen legen aber nahe, dass der Wurm heute auch deswegen Regenwurm genannt wird, weil Regenwürmer nach starkem Regen oft massenhaft aus dem Boden kommen. Einige mutmassen, dass die Regenwürmer ihre Wurmröhren bei Regen verlassen, um vor dem Erstickungstod zu flüchten, der durch die Überschwemmung ihrer Gänge verursacht wird. Allerdings haben schon Regenwürmer im Boden überlebt, der fast ein Jahr lang überschwemmt war. Heute wird eher davon ausgegangen, dass die Würmer auf das Prasseln der Regentropfen empfindlich reagieren und durch die Vibration aus der Erde an die Oberfläche gelockt werden.
In der Schweiz gibt es rund 50 verschiedene Regenwurmarten – weltweit sind es mehrere hundert verschiedene Arten. Regenwürmer sind blind, taub, stumm und unterschiedlich lang. Je nach Art können Regenwürmer ausgewachsen beispielsweise nur gerade rund 1,5 Zentimeter lang sein oder eine Länge von einem halben Meter erreichen.
Der Gemeine Regenwurm (Lumbricus terrestris) ist die bekannteste und eine der häufigsten und grössten in Europa heimischen Regenwurmarten. Er ist 12 bis 30 Zentimeter lang, lebt in Wiesen, Gärten und Obstanlagen und gräbt bis zu drei Meter tiefe Gänge und durchwühlt den Boden sehr intensiv. Auch in Nordamerika kommt er heute vor, verändert dort aber als invasive Art Nahrungsketten und die dortige Pflanzenwelt.
Der Kompost- oder auch Mistwurm (Eisenia foetida) ist mit 4 bis 14 Zentimetern Länge etwas kleiner als der Gemeine Regenwurm. Er kommt fast ausschliesslich in Kompost- und Misthaufen vor, denn er braucht zum Überleben Erde, die sehr reich an organischem Material ist. Hauptsächlich ihm haben wir es zu verdanken, wenn aus Küchenabfällen fruchtbare Erde wird und kommt entsprechend in der Wurmkompostierung zum Einsatz.
Je nach Jahreszeit fressen sich die bis zu sechs Millionen Würmer in der 134 Quadratmeter grossen Anlage in zwei Monaten durch fünfzig Zentimeter Kuhmist – im Jahr fällt so rund 120 Kubikmeter qualitative Wurmerde an. Damit die Tiere auch bei Minustemperaturen überleben, kann die Anlage, wenn nötig, beheizt oder im Sommer bei grosser Hitze und Trockenheit mit Luftzufuhr gekühlt und bewässert werden. Das Knowhow, wann welche Massnahmen geboten sind, wann Erde geerntet werden kann und wann es eine Auffütterung braucht, musste sich Hans Fuhrer über die Jahre selbst aneignen.
Nach über zehn Jahren zieht Hans Fuhrer ein positives Fazit: «Andere haben ihren Alpkäse oder ihre Dauerwurst – ich habe Würmer und Kühe», meint er schmunzelnd. Ein paar Sachen würde er anders angehen, von den Würmern ist er aber nach wie vor voll überzeugt. Das zeigten die eigenen Erfahrungen mit dem Wurmdünger, aber auch die Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden. «Wurmerde ist im Vergleich zu Kunstdünger wie ein gesunder und nahrhafter Apfel zu einem Fast-Food-Hamburger: Beim Kunstdünger verpufft die Wirkung schnell – die Wirkung von Wurmerde ist zwar träg, dafür umso nachhaltiger», erklärt der Landwirt.
Trotzdem ist das biozertifizierte Produkt nach wie vor wenig verbreitet, auch wenn es den aktuellen Nachhaltigkeitsgedanken in der Landwirtschaft eigentlich gut trifft. Und bis heute haben Fuhrers nicht die ganzen bewilligten sechzig Meter ihrer Anlage gebaut: «Wir wollten zuerst schauen, wie’s läuft und heute sind wir froh haben wir nicht die ganze Anlage gebaut, denn die Nachfrage und damit auch der Absatz für die ganze Anlage sind bis heute nicht da», meint Hans Fuhrer weiter. Es sei noch zu wenig bekannt, was Wurmerde überhaupt sei und wie gut sie als organischer und mineralischer Dünger funktioniere. So sei beispielsweise bei mit Wurmerde gedüngtem Gemüse ein erhöhter Vitamin-C-Gehalt und bei Rosen weniger Blattläuse festgestellt worden.
Fuhrers vermarkten ihre feingesiebte Wurmerde einerseits über den Direktverkauf, aber auch über Gartencenter schweizweit. Teilweise setzen auch Gartenbauunternehmen den Biodünger ein. Und Hans Fuhrer brachte seine selbst angeeignete Expertise auch bei einem gemeinsamen Projekt des Zürcher Unternehmens Wormup und Coop ein, die zusammen eine ähnliche Wurmanlage realisiert haben. Wie Coop-Mediensprecherin Melanie Grüter mitteilt, verzeichnet das Detailhandelsunternehmen seit der Einführung des Oecoplan-Wurmkomposts eine stabile Nachfrage – allerdings noch auf tiefem Niveau. Ein grosser Player wie Coop könnte das Produkt Wurmerde aber natürlich einiges bekannter machen, meint Hans Fuhrer: «Wir waren vielleicht einfach zehn Jahre zu früh dran, das Umdenken kommt aber langsam.»
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