Im Hofladen behalten die Bauernfamilien die Wertschöpfung in den eigenen Händen
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Seit letztem Sommer gibt es in der Region Bern ein neues Selbstbedienungs-Hofladenkonzept. Jürg Burri, seit vielen Jahren in der Frischwarenindustrie tätig, kennt schon lange den Druck, dem Landwirtinnen und Landwirte ausgesetzt sind, wenn sie an Grossverteiler liefern. «In der Obstproduktion sind die Qualitätskriterien fünf Jahre nach Vertragsabschluss nicht mehr dieselben. Wenn es blöd kommt, bleibt einer dann auf einem Drittel seiner Ware sitzen, weil er aus heutiger Sicht die falschen Bäume gepflanzt hat», beschreibt Burri die Situation. Gleichzeitig beobachtete er, dass Quartierläden mehr und mehr verschwinden. «In den letzten zwanzig Jahren hat sich ihre Zahl halbiert und die Grossverteiler sind an diese Standorte gerückt», sagt Burri.
Lösungen mussten her und gemeinsam mit seinem Partner Tom Winter tüftelte er an einem neuen Ladenkonzept. «Entstanden ist ein Hofladen im Containerformat, der Produkte vom Bauernhof direkt ins Quartier bringt.» Mit dem Konzept sparen er und sein Team nicht nur Verkaufsfläche und die damit verbundenen Mietkosten, sondern bieten vor allem «eine Alternative für Menschen, die sich bewusst und gesund ernähren wollen», fasst Burri ihre Absicht zusammen.
«Es macht Sinn, sich in die potenziellen Kunden hineinzudenken», sagt Manuela Stadelmann, die am landwirtschaftlichen Zentrum Arenenberg jahrelang Betriebe auf ihrem Weg in die Direktvermarktung begleitet hat und heute in einer Werbeagentur Kunden berät. «Um die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse abzuholen, muss man sich seiner Stärken und Alleinstellungsmerkmale voll und ganz bewusst sein.» Das könnte für einen bestehenden Hofladen bedeuten, dass die Kundschaft einmal analysiert und draus geschlossen wird, für welche Leute das aktuelle Angebot passt. «Danach kann man sich fragen, an welche Bedürfnisse man das Angebot anpassen soll. Als Beispiel nennt sie die Verpackungseinheiten: «Wenn viele ältere Einzelpersonen einkaufen, machen kleine Einheiten Sinn. Wenn hingegen Familien auf den Hof kommen, sind Familienpackungen gefragt.»
Burri spricht in diesem Zusammenhang derweil von «Customer Journey». Der Begriff aus dem Marketing bezeichnet die Zyklen, die ein Kunde durchläuft, bis er sich zum Kauf des Produktes entscheidet. «Bei uns beginnt das bereits, wenn jemand den Laden sieht und betritt. Obwohl die Ladenfläche mit 18 m2 klein ist, sind unsere Läden sauber und hell», erklärt er. «Wir verkaufen vor allem Frischprodukte. Die sollen dann auch frisch präsentiert werden.» Das Sortiment reicht von über 30 Sorten saisonalem Obst und Gemüse bis hin zu verarbeiteten Produkten von Kleinproduzenten aus der Region. So zum Beispiel Holzofen-Meringues oder Nussmischungen zum Knabbern. Oft sind es Produkte, die bei den grossen Detailhändlern nicht im Angebot sind. Und obwohl Regionalität einen hohen Stellenwert hat, gibt es im «Rüedu» auch Bananen und Zitronen: «Anstatt dass die Leute diese Dinge zusätzlich in einem anderen Laden kaufen müssen, können sie sie direkt bei uns haben», sagt er.
Nicht verkauftes Obst wird zu einem tieferen Preis angeboten. «Diese Tüten schonen das Familien-Budget», weiss Burri aus eigener Erfahrung. Was nicht verkauft wird, landet bei Koch und Foodwaste-Pionier Mirko Buri. Ausserdem will «Rüedu» flexibel bleiben und übernimmt auch nicht qualitätskonforme Ware wie gespaltene Rüebli. Das Obst wird offen, Milchprodukte möglichst im Glas verkauft, das wieder zurückgenommen wird. Dieses Konzept erfordert eine ausgeklügelte Logistik. «Wir haben ein System entwickelt, das automatisch Nachschub bestellt.» Nebst dem Sortiment und dem Engagement für regionale Produktion sind aber vor allem die Öffnungszeiten ein Pluspunkt. Mit einer App kann die Tür am Container geöffnet werden – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Bezahlt wird per Twint oder mit Karte.
Manuela Stadelmann sieht in diesem Ladenkonzept eine gute Ergänzung zu herkömmlichen Angeboten in der landwirtschaftlichen Direktvermarktung. Diese Form von Hofläden passe gut zu Leuten, welche die Anonymität wie bei Grossverteilern suchen und dazu auch flexible Öffnungszeiten bevorzugen. Natürlich gebe es aber auch Menschen, die den Kontakt zur Bauernfamilie schätzen und den Einkauf auf dem Hof zusätzlich als Freizeiterlebnis sähen.
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