Es steckt viel Zucker im Boden
Die Schweizer Zuckerrübenbranche hatte zuletzt eher Negativschlagzeilen geschrieben: Trotz grosser Anstrengungen ist die Anbaufläche der Zuckerrüben in der Schweiz auch auf dieses Jahr erneut zurückgegangen. Krankheiten, strengere Auflagen bei Pflanzenschutzmitteln wie dem Verbot der Gaucho-Beizung und ein tiefer Zuckerpreis, der zu tiefen Rübenpreisen führte, haben dafür gesorgt, dass die Kultur in den letzten Jahren an Attraktivität verloren hat. Für die Rübenproduzentinnen und -produzenten sehen die aktuellen Aussichten auf die diesjährige Ernte nun aber doch günstig aus.
Warmer Frühling hat Zuckerrüben gestärkt
So sei bereits der Start ins Rübenjahr 2022 geglückt, schreibt die Fachstelle für Zuckerrübenbau im Bericht zur ersten Proberodung, die Ende Juli durchgeführt wurde. Nach einem milden und trockenen Winter seien die Rübensamen in der zweiten Märzhälfte bei besten Bedingungen gesät worden und die jungen Pflänzchen hätten die kalten Aprilnächte daraufhin gut überstanden. Dank der sommerlichen Temperaturen im Mai entwickelten sich die Zuckerrübenpflanzen ausgesprochen gut: Bereits vor Ende Mai habe vielerorts der Reihenschluss beobachtet werden können – also der Zeitpunkt, an dem die Zuckerrübenpflanzen aus benachbarten Reihen den Raum zwischen den Reihen mit ihren Blättern überdeckten. Der Reihenschluss habe grossen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Pflanzen und sei die wichtigste Kenngrösse überhaupt, erklärt Samuel Jenni, Geschäftsleiter der Fachstelle für Zuckerrübenbau in Aarberg: «Ein Reihenschluss Ende Mai verspricht hohe Rübenerträge.»
Überdurchschnittliches Rübenjahr prognostiziert
Dank feuchten und warmen Bedingungen hätten die Rübenkörper im Juni dann deutlich an Gewicht zugelegt. Diese erfreuliche Entwicklung sei in den letzten drei Wochen durch Hitze und Trockenheit zwar etwas gebremst worden, heisst es im Kommentar zur ersten Proberodung. Trotzdem sieht die aktuelle Situation vielversprechend aus: Die prognostizierten Zahlen aufgrund der Ende Juli erhobenen Daten bewegen sich zum Teil deutlich über den Vergleichswerten der ersten Proberodungen der vergangenen fünf Jahren. Die gemessenen Rübenerträgen von rund 59 Tonnen pro Hektaren in den westlichen und gut 55 Tonnen pro Hektaren in den östlichen Erhebungsparzellen fallen mit mindestens 10 Tonnen mehr höher aus als der fünfjährige Durchschnitt. Auch die Zuckergehalte sind deutlich über dem Durchschnitt und der berechnete Zuckerertrag könnte mit über 9 Tonnen pro Hektare so hoch ausfallen wie seit 10 Jahren nicht mehr.
Trockenresistent – bis zu einem gewissen Grad
Da die Rübe (Beta maritima) ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stamme, komme sie mit Trockenheit und Hitze sicher besser zurecht als andere Kulturpflanzen, erklärt Samuel Jenni. «Das Wurzelwerk ist viel tiefer ist als beispielsweise bei Mais, Gras oder Kartoffeln und die Rübe kann somit die Wasser- und Nährstoffreserven aus dem Unterboden besser erschliessen», führt er weiter aus. Auf reinen Kiesböden habe natürlich auch eine Zuckerrübe wenig Chancen an Wasser zu kommen, da dieses im Unterboden komplett fehle. «Aber auf tiefgründigen Böden ist die Zuckerrübe in solch trockenen Sommern sicher im Vorteil», meint Samuel Jenni. Obwohl die Rüben trotz der derzeit fehlenden Feuchtigkeit zwar nur vereinzelt welkten, hänge es nun aber schon weitgehend von den Niederschlägen in den kommenden Wochen ab, ob die Rübenernte tatsächlich so gut wird, wie prognostiziert.
Fehlender Niederschlag könnte die Zuckerrübe auf der Zielgerade also schon noch entscheidend bremsen. So werde der Ertragszuwachs nur noch sehr verhalten sein, sollte es in den nächsten vier Wochen keinen Regen geben. Und auch Krankheiten könnten die Ernte noch mindern. Letztes Jahr war der Krankheitsdruck bei den Zuckerrüben allgemein weniger ausgeprägt als in anderen Jahren, unter anderem auch weil das schlechte Wetter die Schädlinge etwas in Zaum gehalten hat. In der diesjährigen wettertechnisch umgekehrten Situation ist der Krankheitsdruck momentan aber auch noch überschaubar.
Auf der Zielgerade
Die Cercospora-Blattfleckenkrankheit habe sich dank kühler Nächte, meist tiefer Luftfeuchtigkeit und optimal terminierten Behandlungen bisher nicht ausbreiten können und auch Symptome der virösen Vergilbung verursacht durch die Übertragung von grünen Blattläusen seien kaum festzustellen. Nur die Krankheit Syndrome Basses Richesses (SBR) scheint etwas Sorgen zu bereiten: Nach der frühen Getreideernte würden sich in den bekannten westlichen Befallsregionen die ersten Symptome von SBR bemerkbar machen. Da das Getreide ungefähr zwei Wochen früher als normal gedroschen worden sei, seien auch die Zikaden zwei Wochen früher aus den Getreidefeldern ausgeflogen, erklärt Samuel Jenni: «Die Zikaden überwintern in den Getreidefeldern und fliegen zum Zeitpunkt des sogenannten Ährenschiebens – wenn sich die Ähre langsam aus dem Halm herausbildet – aus.» Anschliessend infizierten sie durch die Eiablage und Saugtätigkeit der Weibchen die umliegenden Rübenfelder. «Je nachdem kann auch ein starker Blattpilzbefall im August und September noch einiges an Ertrag kosten – bisher gehen wir aber von einem tiefen Druck aus», sagt Samuel Jenni abschliessend.
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