Die tierische Produktion
Während der Milchmarkt von stabilen Preisen und einem konstanten Kuhbestand geprägt war, hatten Alpbetriebe mit den F...
Wie knapp die Rettung bedrohter Tierrassen verlaufen kann, zeigt das Beispiel des Schwarzen und gefleckten Alpenschweins – wie dieser berggängige Schweinetyp zusammenfassend genannt wird. 2013 wurden auf einem italienischen Lehrbauernhof durch Zufall letzte Veltliner-Schweine entdeckt, eine Rasse, die zum Typus des Alpenschweins gehört. Der Bestand war jedoch zu klein und das Inzuchtrisiko zu hoch, um damit weiterzüchten zu können.
Eine Arbeitsgemeinschaft von engagierten Personen in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die «ArGe alte Alpenrassen», begab sich umgehend auf die Suche nach weiteren typähnlichen Alpenschweinen. Und tatsächlich hat die Gruppe, die mittlerweile «Pro Patrimonio Montano» oder kurz «PatriMont» heisst, innert nützlicher Frist zwei Rest-Populationen von Samolaco- und Südtiroler Schweinen aufgespürt, ebenfalls Rassen, die dem Typus Alpenschwein zugeordnet werden können.
Auch wenn dank diesen Funden umgehend mit der Zucht begonnen werden konnte und in Italien und Österreich bald erste Zuchtgruppen entstanden, ist das gefleckte und schwarze Alpenschwein bis heute keine offiziell anerkannte Rasse, sondern lediglich die Bezeichnung für die ehemalige Gruppe von kurzrumpfigen, hochbeinigen und dunkel gefärbten Schweine-Schlägen der Alpen. Um offiziell als Rasse anerkannt zu werden, müsste der Bestand genetisch einheitlicher werden. Doch für die Züchter stand in den letzten Jahren einzig und allein der Erhalt dieses vom Aussterben bedrohten Schweinetyps im Vordergrund.
2018 hat PatriMont die ersten Alpenschweine in die Schweiz importiert, in den Tierpark Goldau. «Heute gibt es in der Schweiz 14 Betriebe mit insgesamt 40 geeigneten Zuchttieren - vom Berner Oberland über die Zentral- und Ostschweiz bis ins Bündnerland», sagt Hape Grünenfelder, Vorstands-Vorsitzender von PatriMont. Er weist darauf hin, dass weiterhin Züchterinnen und Züchter gesucht würden. Da nur durch eine alpine Umgebung die robusten Merkmale des berggängigen Alpenschweins gefördert und weitervererbt werden können, müssen die Betriebe jedoch in der Bergzone 1 oder höher liegen.
Patrick und Susanne Stalder vom Hof Stächelmoos in Wiggen sind seit einem Jahr stolze Alpenschwein-Züchter. Ihr Betrieb liegt am Fusse der imposanten Schrattenfluh im Biosphärenreservat Entlebuch, inmitten einer naturnahen Moorlandschaft – und: in der Bergzone 3 auf 1200 Metern über Meer. Damit verfügt der Betrieb über ideale Voraussetzungen für die Haltung und Zucht von Alpenschweinen.
«Ich habe im Sommer 2018 in der Zeitung gelesen, dass die ersten Alpenschweine in der Schweiz eingetroffen sind», sagt Patrick Stalder. Sein Interesse war geweckt und er trat kurzentschlossen mit Hape Grünenfelder in Kontakt, der bei PatriMont auch als Zuchtbuchführer agiert. Dann ging alles ganz schnell. «Wir waren überrascht, dass wir bereits im Sommer darauf die ersten Alpenschweine auf unserem Betrieb begrüssen durften», sagt Patrick Stalder.
Die beiden schwarzen Sauen, Daisy und Peppa, kamen von einem privaten Zuchtbetrieb in Aeschi bei Spiez ins Stächelmoos, der gefleckte Eber Jamie stammt aus der Zuchtgruppe des Tierparks Goldau. Vor vier Wochen haben Daisy und Peppa beide fast gleichzeitig zum ersten Mal Ferkel zur Welt gebracht. Daisy, die ihre Ferkel im Freien geboren hat, wollte von den Kleinen jedoch nichts wissen. Ein Glück, dass Peppa diese Jungen kurzerhand adoptiert hat und deshalb insgesamt zehn Ferkel mit Milch versorgt.
Alpenschweine sind genügsame und robuste Tiere. Deshalb können sie auch in höheren Lagen rund ums Jahr draussen und im Offenstall leben. Und sie sind hochbeiniger als andere gängigere Schweinerassen. «Deshalb sind sie enorm wendig und schnell», sagt Susanne Stalder.
Ebenfalls besonders ist bei Alpenschweinen, dass sie - wie alle traditionellen Rassen - nur sehr langsam wachsen. «Bis zur Schlachtung dauert es etwa 1,5 Jahre», sagt Patrick. Dieses langsame Wachstum macht eine Vermarktung des Alpenschweinefleisches in der Gastronomie - wie es der Verein PatriMont vorsieht - schwierig. «Wenn wir mit unserem Fleisch den Gastrokanal beliefern möchten, müssten wir regelmässig Fleisch liefern können und nicht nur einmal pro Jahr», sagt Susanne. Und auch die geforderten Mengen könnten Stalders kaum abdecken. «Dazu müssten mehrere Züchter aus einer Region zusammenarbeiten», ist Patrick überzeugt.
Susanne und Patrick Stalder lassen von einem Metzger in der Region aus dem Fleisch ihrer Alpenschweine Frischfleisch, Rohessspeck und Schinken produzieren. Die Produkte werden anschliessend über den Direktverkauf vermarktet – etwa 80 Kilogramm pro Jahr. Beim Speck fällt sofort auf: Der Fettgehalt ist um einiges höher als bei dem Speck, den wir sonst kennen. Das Alpenschwein-Fett hat eine ungewohnt feste Konsistenz und schmeckt fein nussig. Durch das langsame Wachstum der Tiere und die vielfältige Ernährung auf den Bergweiden entwickelt das Fleisch ganz andere Qualitäten als herkömmliches Schweinefleisch.
Da die Tiere ständig in Bewegung sind, wird das Fett auch in den Muskeln abgelegt, was eine gute Marmorierung des Fleisches ergibt. Eine solche gute Fleischqualität hat ihren Preis. Der Verein PatriMont empfiehlt als Richt-Verkaufspreis CHF 90 pro Kilogramm Speck. «Wir verlangen CHF 58 pro Kilogramm Speck, beim Frischfleisch im Mischpaket CHF 28 pro Kilogramm», sagt Patrick. Für ihren Betrieb seien die empfohlenen Richtpreise schlicht zu hoch.
Die Suche nach der idealen Fütterung
«Bei zu intensiver Fütterung verfetten die Alpenschweine schnell. Am besten ist für sie ein hoher Anteil an Garten- und Rüstabfällen», sagt Patrick. Doch sei er noch immer am Ausprobieren. Peppa, die aktuell zehn Ferkel säugen muss, braucht selbstverständlich zusätzliche Energie. Über Raufutter könnte sie ihren Energiebedarf aktuell niemals decken.
Susanne und Patrick wollen jetzt schauen, wie sich alles weiterentwickelt: der Alpschweinebestand in der Schweiz, aber auch der Betrieb, wo Besuchern ein kleiner privater Stellplatz fürs Campen zur Verfügung steht und Susanne Kurse in japanischem Waldbaden anbietet. «Durch diese Angebote haben wir regelmässig neue Leute auf unserem Betrieb. Das hat klare Vorteile für den Direktverkauf», sagt Patrick.
Was den Alpenschweinebestand angeht, wird die Genetik der Tiere vom Verein PatriMont mittels DNA-Tests auf die jeweiligen Zuchtlinienanteile untersucht. Auch sonst stehen Susanne und Patrick Stalder in regem Kontakt mit dem Verein. Neue Alpschweinezüchter unterzeichnen mit PatriMont einen Vertrag, der besagt, dass die Tiere ausschliesslich in Absprache mit dem Verein weiterverkauft werden dürfen und der Verein dabei das Vorkaufsrecht hat. Dadurch hofft man bei PatriMont, den Bestand nachhaltig sichern zu können. Falls das gelingt, wird das Bild von berggängigen und flinken Schweinen auf unseren Alpen vielleicht in einigen Jahren wieder zum gewohnten Anblick.
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