Genfer Hightech-Salat
In Perly im Kanton Genf wächst der Salat in der Luft. Auf seinem ultravernetzten Betrieb experimentiert Jeremy Blondi...
Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt. Schon vor Tausenden von Jahren wurde Hanf in Persien und China als Getreide angebaut. Hanfsamen wurden gegessen und die Fasern zur Herstellung von Kleidung verwendet. Im Jahr 1455 druckte Gutenberg seine erste Bibel auf Hanf. Als Kolumbus 1492 Amerika eroberte, bestanden das Tauwerk und die Segeltuche der Schiffe aus Hanf. Der nach Amerika ausgewanderte Bayer Levi Strauss produzierte 1870 die ersten Jeans aus Hanf.
Auch in der Schweiz hatte der Hanfanbau eine lange Tradition. Der allmähliche Niedergang hatte zwei Ursachen: Zum einen standen für die Herstellung von Kleidern und Papier günstigere Rohstoffe zur Verfügung, die leichter zu verarbeiten waren – zum andern wurde der politische Druck aus den USA immer stärker. So wurde 1937 ein Steuergesetz erlassen, das den Hanf so teuer machte, dass sich der Anbau für die Landwirtschaft nicht mehr lohnte. Dieses Gesetz war vor allem durch den Druck der Vertreter der Baumwoll- und Chemieindustrie zustande gekommen, die der unliebsamen Konkurrenz den Garaus machen wollten.
Zur Hanfsteuer kam ein Hanfanbauverbot für die USA hinzu, mit der Begründung, aus Hanf könnten Drogen hergestellt werden. Zwar enthält der Nutzhanf keine berauschenden Stoffe, dennoch schwappte das Vorurteil aus den USA auch in die Schweiz über und mit dem Hanfanbau war es vorerst vorbei.
Dies möchte Martin Klöti ändern. Nicht nur, weil er davon überzeugt ist, dass es sich beim Hanf um einen vielseitig verwertbaren Rohstoff handelt, sondern vor allem auch deshalb, weil er beweisen will, dass eine ökologische und nachhaltige Kreislaufwirtschaft auf dieser Basis funktioniert: Bäuerinnen und Bauern pflanzen das robuste Gewächs an, das keinen Dünger benötigt und verarbeiten die Ernte zu Halbfabrikaten, die sie mit Gewinn verkaufen können. In der Region angesiedelte Betriebe verarbeiten die Bestandteile des Hanfs zu Textilien oder Isolationsstoffen – aus den Samen des Sommerhanfs können zudem Lebensmittel und Kosmetika gewonnen werden.
Um es nicht bei guten Absichten bewenden zu lassen, gründete Martin Klöti 2017 in Glarus die «Glärnisch Textil» und begann mit der Verarbeitung der Hanfpflanzen, die ihm aus mehreren Teilen der Schweiz geliefert wurden. Eine Staubexplosion mit anschliessendem Grossbrand machte diese Pläne im Oktober 2020 vorerst zunichte, doch Martin Klöti gab nicht auf.
Die grosse Maschine steht mittlerweile in Schwändi, wurde in letzter Zeit aber nicht mehr eingesetzt: Die Gefahr einer zweiten Staubexplosion ist zu gross, der Stromverbrauch ist hoch und zudem musste Martin Klöti feststellen, dass die riesige Maschine für die Verarbeitung nur bedingt geeignet ist. Weil sich der harte Winterhanf immer wieder in der Maschine verwickelte und Reparaturen nötig machte, setzt Martin Klöti nun auf kleinere Maschinen, die den beteiligten Landwirten zur Verfügung gestellt werden. Maschinen für die Ernte des Sommerhanfs stehen mit den alten, mechanischen Mähdreschern bereits zur Verfügung. Für die Ernte des ersten, korrekt angebauten Winterhanfs im nächsten Februar werden handelsübliche Mähbinder angeschafft.
Die «Glärnisch Textil» war bis vom kurzem eine Genossenschaft. Angesichts des breiten Tätigkeitsbereichs des Unternehmens, aber auch, um mehr Investorinnen und Investoren zu gewinnen, wurde Glärnisch Textil im September 2023 in die Simsal GmbH umgewandelt. In diesem Zusammenhang hatte Martin Klöti den bisherigen Genossenschafterinnen und Genossenschaftern das Angebot gemacht, sämtliche Anteilscheine zum vollen, seinerzeit bezahlten Betrag zurückzukaufen. Umgekehrt waren und sind natürlich Investitionen oder verzinsbare Darlehen von bisherigen und neuen Geldgebern willkommen. Die Simsal GmbH ist nun «als zentrale Institution zuständig für Organisation, Koordination und Befähigung zum Aufbau der dezentralen Regionen».
Martin Klöti betont, dass die im September 2023 zur Simsal GmbH umgewandelte Genossenschaft «Glärnisch Textil» selber keine Textilien verarbeitet, sondern dass das Unternehmen seine Aufgabe darin sieht, engagierte Landwirtinnen und Landwirte auszubilden und mit den nötigen Mitteln auszurüsten, um ein Einkommen durch den Hanfanbau zu generieren. Martin Klöti ist auch in der Lage, den Bauernbetrieben ein Art Abnahmegarantie zu bieten, denn in diesem Bereich sei die Nachfrage grösser als das Angebot.
Das Ideal von Martin Klöti ist zwar eine lokale Kreislaufwirtschaft, aber nicht beschränkt auf einen kleinen Teil des Landes. Innerhalb der Schweiz arbeitet er mit interessierten Landwirtinnen und Landwirten gegenwärtig in der Linthebene, rund um Bern, im Zürcher Unterland und am Bachtel im Zürcher Oberland zusammen. Im letzten August sind in der ganzen Schweiz insgesamt 15 Hektaren Winterhanf angesät worden.
Aus Italien und im Tessin steht laut Martin Klöti eine funktionsfähige Technologie fürs Trockenverspinnen von langen Hanffasern zu feinem Hanfgarn bereit. Dahin sollen die dafür geeigneten, langen Hanffasern dann geliefert werden und so gemeinsam mit dem Partner aus dem Tessin und Norditalien den Weg zu moderner Hanf-Mode finden. Weit fortgeschritten ist die Zusammenarbeit mit interessierten Landwirten und den Behörden im serbischen Pirot und Martin Klöti denkt bereits an Projekte in Osteuropa zum Wiederaufbau von Häusern mit Bau- und Isolierstoffen aus Hanfprodukten. Ein Jahr Zeit hat der Tausendsassa Martin Klöti, um im Auftrag einer britischen Autoproduzentin ein Auto vorzustellen, das vorwiegend aus Industriehanf gebaut ist.
«Verzweifeln Sie nicht», wird Martin Klöti vom LID gefragt, «wenn Sie am Morgen erwachen und an all die vielen Baustellen denken?» Nein, da ist Klöti guten Mutes. Sorgen macht ihm einzig manchmal die Finanzierung. Es beginnt damit, dass viele Bäuerinnen und Bauern immer noch Hemmungen haben, selbst Hanf anzupflanzen, weil sie nicht in den Verdacht geraten möchten, «etwas mit Drogen» zu tun zu haben. Martin Klöti ist aber sicher, dass sich viele noch überzeugen lassen, nicht nur, weil der Absatz der Produkte garantiert ist, sondern auch deshalb, weil – in Bezug auf den Winterhanf – «der Acker über den Winter sonst ohnehin leer stünde.» Interessierte Landwirte könnten also nur gewinnen.
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