Genfer Hightech-Salat
In Perly im Kanton Genf wächst der Salat in der Luft. Auf seinem ultravernetzten Betrieb experimentiert Jeremy Blondi...
Die Haupterntezeit von Erdbeeren dauert nur ein paar wenige Wochen und startet hierzulande meistens gegen Ende Mai – ist spätestens im Juli aber bereits wieder vorbei. Während dieser intensiven Wochen ist die einheimische Produktion auch kurz in der Lage, eine Vollversorgung mit Schweizer Erdbeeren zu garantieren: Stimmt das Wetter, können dann nämlich rund 1’000 Tonnen Früchte pro Woche geerntet werden. Über die gesamte Saison kommen rund 7’300 Tonnen zusammen, allerdings vermag diese Menge im Endeffekt nur einen Drittel des Marktbedarfs abzudecken.
Diese Haupterntezeit von nur drei bis vier Wochen setze einen unglaublichen Saisonaufbau voraus, erklärt Barbara Schwab Züger von der Beerenland AG im Berner Seeland. «Sowohl mit den Erdbeeren als auch mit dem Personal geht es steil nach oben und dann mehr oder weniger steil auch wieder nach unten», ergänzt sie. So wächst der Personalbestand vor der Haupternte innerhalb kurzer Zeit von vier ganzjährlich beschäftigten Mitarbeitenden auf über hundert Personen an – plus weitere 50 bis 60 Personen in den externen Erdbeerhäuschen-Verkaufsstellen.
«Aus Produktions- und Vermarktungssicht versuchen wir diese Produktionsspitze ein bisschen zu glätten, weil es eine riesige Herausforderung ist, dass wir in der kurzen Zeit alles pflücken und die geballte Menge dann auch verkaufen können», meint Barbara Schwab Züger weiter. So hätte der Betrieb ein grosses Interesse daran, die Ernte in die Länge zu ziehen und den Peak von Jahr zu Jahr nicht noch grösser werden zu lassen.
Um diese Erntespitzen etwas zu brechen respektive etwas homogener zu gestalten, setzen Schweizer Produzentinnen und Produzenten auf verschiedene Massnahmen, um die Ernte in die Länge zu ziehen: Unter anderem mit dem Anbau von verschiedenen Sorten, die früher oder später reif werden oder auch mit anbautechnischen Massnahmen. «Unterschiedliche Anbauverfahren helfen uns, die Ernte länger zu gestalten – damit können wir eine Verfrühung oder Verspätung herbeiführen», erklärt Barbara Schwab Züger. So werden auf dem Beerenland-Betrieb in Walperswil neben 12 bis 15 Hektaren Freilanderdbeeren auch 6 Hektaren Hors-Sol-Erdbeeren in geschütztem Anbau unter Folientunneln und in Gewächshäusern angepflanzt.
Mit dem Erdbeeranbau in Substrat und unter Folientunnel lässt sich die Ernte entscheidend verfrühen und sogar terminieren: In einigen Folientunneln werden die Substratkistchen mit den Erdbeeren in Erddämme am Boden eingesetzt und dann im Winter mit Flies abgedeckt. Und auch die Folientunnel bleiben im Winter rundherum zu. «Das erlaubt uns im Frühsommer eine frühe Ernte – noch bevor wir im Freiland ernten können», klärt Barbara Schwab Züger auf. In weiteren Folientunnel wachsen die Erdbeeren in den Substratkistchen auf Stelen. Dabei handelt es sich dann um sogenannte Terminkulturen: Die Setzlinge werden später aus dem Winterschlaf geholt, sind entsprechend später reif und liefern dann Erdbeeren, wenn sich die Ernte im Freiland bereits gegen Ende zuneigt und sogar noch lange darüber hinaus.
Jährlich steigt in der Schweiz die Nachfrage nach frischen Beeren. Die Erdbeere ist bei den Konsumentinnen und Konsumenten am beliebtesten und mit 530 Hektaren die meistangebaute Beere in der Schweiz.
Heute erfolgt ein grosser Teil der Produktion in geschütztem Anbau. Die Erdbeeren meist auf Stellagen, Himbeeren und Brombeeren in Substrat. Der Beerenanbau insgesamt hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt, mit einer höheren Ertragssicherheit und Wirtschaftlichkeit als Folge. Mit dem Einsatz von Terminkulturen ist ein Erntebeginn acht bis neun Wochen nach der Pflanzung möglich. Damit kann die Ernte- und Vermarktungsperiode gezielt gesteuert werden.
Bei den Himbeeren und Heidelbeeren gibt es jedes Jahr ein starkes Wachstum in der Nachfrage. Nach wie vor besteht die Beerenproduktion aus fast ausschliesslich Handarbeit.
«Wenn man auf Erdbeeren setzt, dann ist diese Art des Anbaus fast zwingend – vor allem für die frühen Liefergarantien», erklärt die Betriebsleiterin der Beerenland AG. Daneben bringe der Hors-Sol- oder Substratanbau weitere Vorteile: Unter anderem ein reduzierter Wasserverbrauch, eine optimierte Düngung, indem der überschüssige Dünger aufgesammelt und wieder zurückgeführt werde sowie ein geschützter und weniger den Wettereinflüssen ausgesetzter Anbau. Das macht die Produktion auch etwas planbarer – jedenfalls in der Theorie. «In den Gewächshäusern und unter den Folientunneln können wir ein bisschen abschätzen, wann die Ernte kommt und wie schnell», erklärt Barbara Schwab Züger. Bei den Freilandkulturen seien sie hingegen komplett von der Natur abhängig. In der Praxis komme es dann aber sowieso oft anders als gedacht: «Ein warmer März kann alle anbautechnischen Massnahmen mindern und die ganze Vegetation wieder zusammenschieben.»
Grundsätzlich garantiere der Anbau unter Folientunnel aber eine sicherere Produktion – allerdings auch eine teurere, meint Barbara Schwab Züger. Denn die Erstellung der Infrastruktur sei sehr kapitalintensiv und die Bewirtschaftung ausserdem mit viel Handarbeit verbunden. «Draussen können wir ein Feld sauber bereitstellen und dann mit der Setzmaschine sechs Reihen miteinander bepflanzen – mit acht Mitarbeitenden pflanzen wir in sechs Stunden so eine Hektare Erdbeeren», zeigt die Betriebsleiterin auf. Unter dem Tunnel sei das viel aufwändiger und auch alles Handarbeit.
All diesen Massnahmen sorgen dafür, dass auf dem Beerenland-Betrieb während rund sechs Monaten Erdbeeren gepflückt werden können. Denn obwohl für die Schweizer Produzentinnen und Produzenten die intensivste Zeit ungefähr von Mitte Mai bis Mitte Juli ist, werden Erdbeeren auch davor und danach nachgefragt. Und das nicht wenig – denn Erdbeeren werden längst nicht mehr nur im Sommer gegessen.
Ein Blick auf die Statistik bestätigt das: Bereits Anfang März dieses Jahres betrug das Marktvolumen von Erdbeeren in der Schweiz rund 1’000 Tonnen und erreichte bis Mitte April einen Höchstwert von 1’350 Tonnen – zu einer Zeit also, wenn Schweizer Erdbeeren noch gar nicht erhältlich sind. Um von dieser grossen Nachfrage im Frühjahr profitieren zu können, versuchen Schweizer Erdbeerproduzentinnen und -produzenten deshalb, möglichst früh Erdbeeren anbieten zu können.
In den Monaten März und April wurden trotzdem so viele Erdbeeren importiert, wie die Schweiz über eine ganze Saison produziert. «Wir können nicht früh genug sein», bestätigt Barbara Schwab Züger. Trotz ausgeklügeltem Anbausystem und verschiedenen Früh- und Spätsorten können die ersten Erdbeeren in Walperswil aber erst ab Anfang bis Mitte Mau gepflückt werden. Dafür gibt es dann Erdbeeren bis im Oktober – auch wenn das Marktvolumen mit dem Auftauchen der Kirschen entscheidend abnimmt und sobald die Trauben kommen, wird es dann richtig schwierig für die Erdbeeren.
Nach der Hauptsaison sei es einfach enorm wichtig, dass lückenlos geliefert werden könne, meint Barbara Schwab Züger. Sonst würden die Erdbeeren bei den meisten Detailhändler sofort aus dem Sortiment fallen. «Die Herausforderung ist, dass wir im Markt drinbleiben – auch wenn nicht mehr viel geht», erklärt die Betriebsleiterin weiter. Allerdings seien die Produktionsmengen ja auch nicht mehr riesig.
Im Herbst, wenn dann der Grenzschutz wegfalle, werde das Vermarkten der kleinen Mengen dann noch einmal schwieriger. Darum versuche sie, die Kundestämme so lange wie möglich offen zu halten und möglichst pausenlos zu liefern. «Dass wir im November aufhören zu ernten, hängt allerdings meist nicht von der Produktion ab, sondern weil die Nachfrage dann auf ein so kleines Niveau schrumpft, dass es sich wirklich nicht mehr lohnt», sagt Barbara Schwab Züger. Wenn kein starker Frost auftrete, könnte die Beerenland AG nämlich bis Weihnachten Erdbeeren ernten – auch wenn diese dann zwar nur noch ganz langsam heranreifen würden.
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