Die Pflanzen- und Pilzproduktion
Das Jahr 2024 stellte die Schweizer Landwirtschaft vor grosse Herausforderungen: Von nassen Feldern und Pilzbefall im...
Die biologisch bewirtschafteten Rebflächen in der Schweiz wachsen stetig: Während vor gut zwanzig Jahren rund 80 Weingüter knapp 250 Hektar Reben biologisch bewirtschafteten, wuchs die Fläche bis ins Jahr 2010 auf 440 Hektar an und knackte im Jahr 2017 schliesslich die 1’000-Hektar-Grenze. Eine weitere Umstellungswelle hat dazu geführt, dass sich die Bio-Rebbaufläche in der Schweiz seit 2018 noch einmal mehr als verdoppelt hat: 2022 bewirtschafteten 587 Biowinzerinnen und Biowinzer ihre Reben nach Biorichtlinien und die biologisch bewirtschaftete Rebfläche betrug 2’468 Hektaren. Dies entspricht 18,5 Prozent Prozent der Schweizer Rebbaufläche.
Eine besonders starke Zunahme, der auf biologischen Weinbau umgestellten Flächen, gab es in den letzten zwei Jahren laut Zahlen von Bio Suisse in allen Kantonen der Westschweiz, im Wallis und Bündnerland sowie in St. Gallen – in Regionen also, die gemessen an der Fläche auch die grossen Weinbauregionen der Schweiz darstellen. «Prozentual gesehen sind es aber Neuchâtel und der Freiburger Vully, die am meisten auf Bio umgestellt haben», sagt Hélène Noirjean, die Direktorin des Schweizerischen Weinbauernverbands SWBV.
Der biologische Weinbau in der Schweiz erlebt derzeit also einen fast unvergleichlichen Boom und dies trotz herausfordernder Produktion und Bewirtschaftung sowie Mehrarbeit beispielsweise beim Jäten. Unter anderem der Umgang mit Krankheiten wie Mehltau und Falscher Mehltau mit den zugelassenen Mitteln wie Schwefel oder Kupfer gehöre zu den grössten Herausforderungen im Bio-Weinbau, erklärt Hélène Noirjean: «Daneben ist auch Produktion in nicht mechanisierbaren Hanglagen wie im Wallis oder in der Lavaux herausfordernd – einige Winzerinnen und Winzer haben aber bewiesen, dass dies möglich ist.»
Eine Sortenumstellung ist bei der Umstellung auf eine biologische Bewirtschaftung aber offenbar nicht unbedingt nötig. «Mit der Zeit haben wir festgestellt, dass alle in der Schweiz gängigen Rebsorten wie Chasselas oder Pinot Noir geeignet sind», sagt Hélène Noirjean. Bei exakter Arbeitsweise seien auch gleich oder ähnlich hohe Erträge wie beim konventionellen Rebbau möglich. Trotzdem haben die für den Biolandbau besonders interessanten pilzwiderstandsfähigen Piwi-Rebsorten eine ähnlich starke Entwicklung aufzuweisen wie die Zunahme beim Bio-Rebbau – wenn auch auf kleinerer Skala: So hat sich die Flächen mit roten Piwi-Sorten in den letzten 10 Jahren verdoppelt und die Fläche mit weissen Piwi-Sorten gar vervierfacht. Allerdings ist der Anbau von Piwi-Sorten im Biolandbau erst eine ganz kleine Nische und macht mit gesamthaft knapp 41 Hektaren nur gerade rund zwei Prozent der biologisch bewirtschafteten Rebfläche in der Schweiz aus.
Die Entwicklung der Piwi-Sorten sei vor allem in der Deutschschweiz zu beobachten, während sie in der Romandie weniger ausgeprägt sei, erklärt Hélène Noirjean: «Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Schweizer Baumschulen mit der Nachfrage nicht Schritt halten können und zweitens, dass die Konsumenten in der Romandie gerne ein Glas Chasselas trinken.» Tatsächlich ist die Auswahl an roten Piwi-Rebsorten aktuell noch grösser als bei weissen Sorten.
«Die Bio-Produktion in nicht mechanisierbaren Hanglagen wie im Wallis oder in der Lavaux sind herausfordernd – einige Winzerinnen und Winzer haben aber bewiesen, dass dies möglich ist.»
Mit diesem rasanten Zuwachs im Bio-Weinbau in den letzten Jahren dürfte die Schweiz anteilsmässig auch Italien überholt haben, das sich damit brüstet, das Land mit dem höchsten Anteil an zertifizierten ökologischen Weinbergen an der Gesamtweinbaufläche zu sein. Laut einem Bericht des staatlichen italienischen Instituts für Dienste für den Agrar- und Nahrungsmarkt (ISMEA) wurden 2019 knapp 18 Prozent der italienischen Rebfläche biologisch bewirtschaftet und demnach habe Italien mit 109’000 Hektar biologischer Rebfläche den höchsten Bioanteil weltweit.
Ein Vergleich sei allerdings diskutabel, meint Hélène Noirjean: «So sind unter anderem die Richtlinien für das europäische Biosiegel leichter als das, was in der Schweiz verlangt wird.» Daneben könne man auch die klimatischen Bedingungen zwischen den beiden Ländern, die auch beim biologischen Rebbau logischerweise eine grosse Rolle spielten, nicht einfach ausser Acht lassen und dann seien beispielsweise auch die Lohnkosten, die in der Schweiz mit der Mehrarbeit im Biolandbau unvergleichlich höher ausfielen, nicht zu vergleichen.
Was sich allenfalls vergleichen lässt, ist das Marktpotential der Bioweine: So scheinen sowohl italienische wie auch Schweizer Bioweine Absatz zu finden – obwohl die Italienerinnen und Italiener offenbar kaum Biowein trinken. So heisst es bei Italia Bio, dem Verband der italienischen Biowinzer, dass die meisten in Italien erzeugten Bioweine in den Export gehen. Dies sei ein Zeichen dafür, dass trotz der grossen Weintradition in Italien noch viel an der Trinkkultur gearbeitet werden müsse, so der Verband.
In der Schweiz hingegen werden Weine grundsätzlich fast ausschliesslich für Konsumentinnen und Konsumenten im Inland produziert. «Im Direktverkauf verkaufen sich Bioweine derzeit sehr gut – im Grosshandel ist das Potential aber noch gross», meint Hélène Noirjean zum Marktpotential von Schweizer Bioweinen. Und in der Gastronomie seien ebenfalls auf immer mehr Speisekarten Schweizer Bioweine zu finden, was auf eine steigende Nachfrage hindeute.
Ein Wermutstropfen aber bleibt: Schweizerinnen und Schweizer trinken vor allem ausländischen Wein. Der Anteil von Schweizer Wein am Gesamtkonsum lag letztes Jahr bei 34 Prozent. Einerseits kann die Nachfrage nach Wein bei Weitem nicht mit hiesigen Tropfen gedeckt werden, andererseits ist ausländischer Wein hierzulande beliebt. Und mit Abstand am beliebtesten unter den ausländischen Weinen italienische Weine. So stammten letztes Jahr 38 Prozent aller konsumierten Stillweine vom Nachbar aus dem Süden.
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