Anzahl Betriebe nimmt weiter ab
In der Schweiz gab es 2023 noch 47'719 Landwirtschaftsbetriebe, 1,3% weniger als im Vorjahr. Das zeigen die Zahlen de...
Diese Woche wurde eine bedeutende Änderung im Bereich des Herdenschutzes in der Schweiz bekannt: Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) plant, das Zuchtprogramm für Herdenschutzhunde bis Ende des Jahres einzustellen.
Was auf den ersten Blick überraschend kam und entsprechende Reaktionen auslöste, war auf den zweiten Blick absehbar: «Ab 2025 werden aufgrund des vom Parlament im Dezember 2022 angepassten Jagdgesetzes die Aufgaben und Kompetenzen von Bund und Kantonen neu geregelt», heisst es in der Stellungnahme des BAFU.
Dass es im Bereich Herdenschutz Neuregelungen geben würde, war also seit gut einem Jahr bekannt und dazu gehört nun offensichtlich, dass die Zucht von Herdenschutzhunden ab dem nächsten Jahr voraussichtlich nicht mehr im Auftrag des BAFU erfolgen wird.
Wie die Informationen verbreitet worden seien, sei allerdings sehr unglücklich, sagt Daniel Mettler, Leiter der Gruppe für Ländliche Entwicklung bei Agridea. Die Vereinigung koordiniert im Auftrag des BAFU die Herdenschutzmassnahmen in der Schweiz.
«Was da nun nach einer Sitzung zwischen dem Verein Herdenschutzhunde Schweiz, Agridea und dem BAFU nach aussen gedrungen ist, war kein offizielles Communiqué», so Daniel Mettler. Der Zeitpunkt und die Art und Weise wie die Informationen in die Öffentlichkeit gelangte und betroffene Akteure wie die Kantone teilweise vor den Kopf stiess, waren nicht bewusst gewählt. Aber auch Daniel Mettler betont, dass Veränderungen im Bereich Herdenschutz aufgrund des 2022 angepassten Jagdgesetzes erwartet werden mussten.
«Tatsache ist, dass Neuregelungen aufgrund des 2022 im Parlament angepassten Jagdgesetzes absehbar waren und anstehen werden und diese Neuregelungen werden auch den Bereich Herdenschutz und damit die Zucht von Herdenschutzhunden betreffen», erklärt er.
Und diese grundlegenden Änderungen würden ab 2025 greifen, wenn die neue Jagdverordnung in Kraft treten werde. Trotz der bevorstehenden Änderungen bestätigt Daniel Mettler, dass für das aktuelle Jahr weiterhin 7,7 Millionen Franken für den Herdenschutz zur Verfügung stehen und dass die Verteilung dieser Mittel voraussichtlich ähnlich wie im Vorjahr erfolgen werde.
Dass grosse Unsicherheit herrscht, lässt sich allerdings nicht vom Tisch wischen: «Seit der Abstimmung zur Revision des Jagdgesetzes erleben wir, was die rechtlichen Grundlagen betrifft, eine grosse Dynamik – es herrscht grosse Verunsicherung, weil es aufgrund der besonderen Umstände, dass die Revision damals vom Volk abgelehnt wurde, nun halt so lange dauert, bis man ausgearbeitet hat, was überhaupt in der neuen Verordnung steht und welche Konsequenzen dies dann auf den Vollzug und die Umsetzung hat», erklärt Daniel Mettler.
Und zu spüren bekommt dies unter anderem der Verein Herdenschutzhunde Schweiz, dessen Vereinsmitglieder die Zucht und Ausbildung der beiden in der Schweiz anerkannten Rassen für den Herdenschutz im Leistungsauftrag vom Bund in die Praxis umsetzen und dafür finanziell entschädigt werden.
«Diese finanzielle Entschädigung soll nun über die Kantone umverteilt werden und da herrscht zurzeit eine grosse Unsicherheit auf allen Stufen», erklärt Martin von Wyl, Geschäftsführer des Vereins. In den letzten beiden Jahren sei der Verein Herdenschutzhunde Schweiz mehrmals über mögliche Veränderungen seitens BAFU informiert worden, sagt Martin von Wyl weiter und ergänzt: «Leider konnte uns aber niemand verbindlich sagen, wo die Reise hinführt.»
Und dies dürfte auch bis nach der Vernehmlassung zur neuen Jagdverordnung so bleiben. Diese geht laut BAFU diesen Frühling in die Vernehmlassung. Über die Inkraftsetzung der Verordnung werde der Bundesrat im Laufe des Jahres 2024 entscheiden, so das BAFU weiter. Vorgesehen sei, dass die Ausführungsbestimmungen des revidierten Jagdgesetzes per 1. Februar 2025 in Kraft treten. Zwischen Vernehmlassung, wo die nach wie vor offenen Punkte geklärt werden sollen, und des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen bleibt also nicht viel Zeit.
So äussert auch Daniel Mettler Bedenken über das enge Zeitfenster bis zur Einführung der neuen Bestimmungen: «In der Tierhaltung ist die Zucht jeweils ein langfristiger Prozess – es braucht einen Planungshorizont für die Züchterinnen und Züchter und natürlich auch für die späteren Halterinnen und Halter, welche die Hunde nachfragen, um ihre Herden zu schützen.»
Dieser Planungshorizont könne mit dem engen Zeitfensters zwischen Vernehmlassung und Inkrafttreten der neuen Bestimmungen kaum gewährleistet werden. «Da kann aber niemand etwas dafür, das liegt in der Dynamik der Revision der Gesetzgebung», sagt Daniel Mettler und ergänzt: «Trotzdem wird dieses Problem nicht innerhalb von ein paar Monaten lösbar sein und entsprechend könnte es dann in ein bis zwei Jahren tatsächlich Lücken geben und es könnten Hunde fehlen.»
Diese Befürchtungen teilt auch der Verein Herdenschutzhunde Schweiz: «Leider mussten wir in den vergangen beiden Jahren mehrheitlich in die Vorleistung und gerade jetzt sind wir besorgt, ob unsere Vereinsmitglieder an der Basis die Arbeit im laufenden Jahr wie vorgesehen weiterführen können», erklärt Martin von Wyl.
Und auch der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband SAV zeigt sich besorgt: «Bereits jetzt sind zu wenige Herdenschutzhunde verfügbar und es gibt teilweise lange Wartezeiten – wir befürchten, dass sich diese Situation nun noch verschärfen wird», sagt SAV-Geschäftsführerin Selina Droz.
Die sich abzeichnenden Änderungen im Bereich Herdenschutz können aber auch eine Chance sein. Bereits in der aktuellen Vollzugshilfe des BAFU zum Herdenschutz sei festgehalten, dass es die Möglichkeit geben soll, dass sich weitere Vereine für die Zucht von Herdenschutzhunden beim Bund akkreditieren lassen können. «Diese Entwicklung hin zu weiteren Vereinen, die dies tun wollen, gibt es bereits und es gibt auch immer mehr Herdenschutzhunde, die ausserhalb des offiziellen Programms des Bundes eingesetzt werden», erklärt Daniel Mettler. Diesen Entwicklungen soll die neue Jagdverordnung dann auch gerecht werden.
«Die Tendenz ist so, dass die Kantone mehr Kompetenzen verlangt und auch bekommen haben – Stichwort Wolfsregulierung», erläutert Daniel Mettler und ergänzt: «Dies soll nun auch beim Herdenschutz und entsprechend bei der Zucht von Herdenschutzhunden angepasst werden und daher wurde vom Bund nun auch eine Strategie der Liberalisierung für die Zucht von Herdenschutzhunden aufgegleist.»
So haben unter anderem die Kantone Wallis und Graubünden bereits eigene Strukturen für den Herdenschutz entwickelt, was eine Tendenz zur verstärkten Kompetenzübertragung an die Kantone widerspiegelt. Zukünftig sollen nun die Kantone entscheiden, welche Hunderassen sie für den Herdenschutz zulassen wollen und ob sie beispielsweise die Zucht von gewissen Rassen fördern wollen.
«Wir hoffen, dass die Änderung eine gewisse Flexibilisierung bringt, dass beispielsweise neue Rassen zugelassen werden können», zeigt sich Selina Droz vom Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband hoffnungsvoll.
Derweil hat der Verein Herdenschutzhunde Schweiz bereits Kontakte geknüpft, um den Übergang einzuleiten: «Wir sind bereits seit einigen Monaten im Kontakt mit vier Kantone für eine zukünftige Zusammenarbeit – jedoch muss zuerst die Vernehmlassung des neuen Jagdgesetzes über die Bühne damit die Kantone ihre Herdenschutzkonzepte entwickeln können», so Martin von Wyl.
Der Verein sei aber sehr zuversichtlich, dass die Nachfrage für die sehr gute Qualität von Herdenschutzhunden, welche die Mitglieder züchten und ausbilden würden, auch zukünftig nicht abnehmen werde. «Ein Nutztierhalter will in erster Linie seine Tiere schützen und dafür braucht er gut ausgebildete Herdenschutzhunde, denen er vertrauen kann und solange wir Wölfe haben, werden wir unsere Nutztiere schützen müssen», meint Martin von Wyl.
Um allerdings weiterhin gute Herdenschutzhunde auszubilden, brauche es unbedingt finanzielle Unterstützung, so Martin von Wyl. Dem pflichtet Selina Droz vom Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband bei: Ohne Geld gebe es keinen Herdenschutz. «Unsere Forderung ist ganz klar – es muss nach wie vor genügend Geld für Herdenschutz und Herdenschutzhunde zur Verfügung stehen, sonst können die Älplerinnen und Älpler ihre Herden auch nicht schützen», sagt die SAV-Geschäftsführerin.
Wie die Finanzierung zukünftig aussieht, wird sich allerdings noch zeigen, denn die meisten Kantone müssen ihre Strukturen und Konzepte zuerst entwickeln. Und erst nach der Vernehmlassung wird sich auch zeigen, ob es noch einen auf Bundesebene verankerten Förderartikel für die Zucht von Herdenschutzhunden geben wird.
«Generell ist der Herdenschutz aber unbestritten», sagt Daniel Mettler von der Agridea. Die Beiträge seien unbestritten und auch die Integration des Herdenschutzes in die Direktzahlungsverordnung sei unbestritten, was ja bereits vollzogen wurde. Dies bestätigt auch das Bundesamt für Umwelt: «Herdenschutz bleibt für den Schutz von Nutztieren zentral – deshalb bleiben auch die dem Bund für Herdenschutz und Herdenschutzhunde zu Verfügung stehenden Finanzmittel, unabhängig von der Neuorganisation der Aufgaben und Kompetenzen, bestehen.»
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