Mist und Gülle haben Potential, Treibhausgase zu vermeiden
Wird Mist und Gülle in Biogasanlagen vergärt, werden die Treibhausgasemissionen bei der Hofdüngerlagerung minimiert. ...
Ohne Licht wächst keine Pflanze. Doch wie viel davon braucht eine Himbeere wirklich, damit sie schöne Früchte bildet? Oder: kommt die Beere auch mit der Hälfte der normalen Lichtmenge aus, wenn mit dem Rest Solarstrom produziert wird?
Das und noch viel mehr will Biobauer und Beerenproduzent Heinz Schmid aus Gelflingen LU in den nächsten Jahren in seiner 7200 Quadratmeter grossen Pilotanlage für Agri-Photovoltaik herausfinden. Insgesamt hat er dort eine Leistung von 500 Kilowatt (kW) Solarstrom installiert. Als Vergleich: Eine durchschnittliche Solar-Anlage auf einem Einfamilienhaus kommt auf rund 10 kW.
Die «solare» Himbeer-Plantage steht gut sichtbar an der Verbindungsstrasse zwischen Mosen und Aesch im Luzerner Seetal. In diesen Wochen werden dort die letzten Stahlträger in den Boden gerammt, auf welchen künftig bewegliche Solarmodule dafür sorgen sollen, dass die Himbeeren darunter genug Licht erhalten.
Heinz Schmid hat bewusst drei sehr unterschiedliche Typen von Agri-PV installiert. «Der Vergleich der verschiedenen Systeme wird uns wertvolle Erkenntnisse für die Etablierung der Agri-PV in der Schweiz liefern», sagt Schmid.
Mit der Doppelnutzung der Fläche zur Nahrungsmittel- und Stromproduktion passt das Konzept der Agri-PV gut zu aktuellen globalen Herausforderungen. Sie ist in anderen Teilen der Welt bereits deutlich weiterverbreitet als in der Schweiz. In Japan beispielsweise wachsen bereits 180 verschiedene landwirtschaftliche Kulturen in über 3500 Anlagen.
In der Schweiz stockt das Ganze, obwohl sich die rechtliche Situation mit der Anpassung der Raumplanungsverordnung verbessert hat. Diese erlaubt seit zwei Jahren Agri-PV ausserhalb der Bauzone auf Fruchtfolgeflächen, wenn sie der landwirtschaftlichen Produktion einen zusätzlichen Nutzen bringen.
Der Gesetzgeber wollte mit diesem Passus verhindern, dass grosse Freilandanlagen unter einem grünen Deckmäntelchen in der Schweizer Landschaft aufgestellt werden. Allerdings schränkt sich dadurch die Zahl von möglichen Standorten für Agri-PV von vornherein stark ein. Denn bei Kulturen wie Weizen, Kartoffeln, Gemüse, aber auch bei der Futterproduktion, fallen die Erträge unter den Modulen normalerweise deutlich tiefer aus, wie Beispiele aus dem Ausland zeigen.
Doch eine Ausnahme gibt es eben: Professionelle Beeren- und Obstanlagen sind heute bereits mit Regendächern oder Hagelschutznetzen ausgerüstet. Diese Schutzfunktionen könnten auch Solarmodule übernehmen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass sich das Mikro-Klima unter den Modulen besser steuern lässt. Weniger Feuchtigkeit beispielsweise bedeutet weniger Krankheiten, tiefere Temperaturen in der Hitze mehr Ertrag. Das hört sich schon fast nach Symbiose an.
Das Thema Agri-PV schwirrt schon seit vielen Jahren im Kopf von Heinz Schmid herum. Sein Haupteinkommen erzielt er zwar zusammen mit seiner Frau Monika mit Bio-Sprossen und -Beeren. Er produziert aber seit vielen Jahren auf seinen Dächern auch Solarstrom und plant für externe Kundschaft Solaranlagen. Sein Interesse für Agri-PV ist auch deshalb naheliegend, er führte dazu auch schon Versuche im kleineren Rahmen durch.
Ein Schlüsselmoment war aber das Treffen mit Leuten wie André Ançay von Agroscope anlässlich einer Beerentagung. Dieser beschäftigt sich bei der Forschungsanstalt mit Agri-PV und betreut am Standort in Conthey einen mehrjährigen Versuch über Beeren. Heinz Schmid gleiste das Projekt mit seiner Firma bioschmid gmbh am Standort in Aesch LU auch deshalb zusammen mit der Forschungsanstalt auf, welche die agronomischen Daten sammelt und auswertet.
Er holte mit dem Schweizer Startup Insolight sowie der Solarfirma Megasol zwei einheimische Technologiepartner an Bord. Die Berner Fachhochschule HAFL beobachtet die Solarstrom-Erträge der verschiedenen Systeme. Das Baugesuch bei der Gemeinde blieb ohne Einsprachen. «Bedenken von einem Umweltverband konnte ich mit einem Gespräch vor Ort bereits im Vorfeld ausräumen», sagt der Biobauer. Das Projekt mit seinem innovativen Charakter scheint für die Behörden genug spannend gewesen zu sein. Die Baubewilligung erhielt er von diesen deshalb zügig.
Das Interesse an Agri-PV sei zwar vor allem bei Beeren- und Obstbetrieben auch in der Schweiz vorhanden, erklärt Thomas Keel von der Fachgruppe Agri-PV beim Branchenverband Swissolar auf Anfrage: «Doch viele Anlagen stecken im Bewilligungsverfahren fest.»
Weil es in der Schweiz kaum Erfahrungen mit Agri-PV-Anlagen gibt, fehlten den Behörden die Entscheidungsgrundlagen. Bisher gibt es in der Schweiz nur kleinere Agri-PV-Projekte, unter anderem eine Test-Anlage auf 2000 Quadratmetern über Himbeeren und Erdbeeren bei der Beerenland AG in Walperswil BE.
Auch deshalb seien Projekte wie im Luzerner Seetal sehr wichtig, findet Thomas Keel. Kommt dazu, dass die Agri-PV-Installationen teurer sind als eine einfache Solaranlage beispielsweise auf dem Stalldach. Eine zusätzliche finanzielle Förderung für Agri-PV zur Abgeltung der Mehrkosten besteht zurzeit aber nicht.
Da braucht es Überzeugungstäter wie Heinz Schmid, die bereit sind, die hohen administrativen und finanziellen Hürden trotzdem zu nehmen. Um die Förderung in Form der Einmalvergütung zu erhalten, musste Heinz Schmid mit seiner Anlagen-Grösse am nationalen Auktionsverfahren teilnehmen, zusammen mit anderen «normalen» Grossanlagen. Zwar erhielt er den Zuschlag für seine Agri-PV, doch deckt dieses Fördergeld nur einen Bruchteil der gesamten Investitionskosten ab.
Deshalb musste er weitere Geldquellen erschliessen, beispielsweise beim Bundesamt für Energie, dem Kanton Luzern und bei Stiftungen. Zudem kommen ihm die Technologiepartner finanziell entgegen und es fliesst Geld aus dem Verkauf des Stroms. Diesen liefert er für einen aktuell allerdings tiefen Marktpreis an das örtliche Stromversorgungsunternehmen CKW.
Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) berechnete in einer Machbarkeitsstudie ein jährliches theoretisches Potenzial von 130 TWh Strom aus Agri-PV. Darin berücksichtigt sind mehrere Ausschlusskriterien, beispielsweise die Entfernung zum Stromnetz. Würde in der Praxis ein Zehntel des Potentials genutzt, wären dafür mit offenen Ackerflächen 1,1 Prozent oder mit Dauerkulturen 0,9 Prozent der Landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) nötig.
Bereits im letzten Jahr gingen die ersten beiden Anlagen-Typen ans Netz. Die Himbeeren darunter hätten sich normal entwickelt, sagt Heinz Schmid. Endgültige Aussagen könnten aber erst ab diesem Jahr gemacht werden, wenn die Anlage komplett sei.
Den ersten Systemtyp hat Heinz Schmid selbst entwickelt. Dabei sind die Solar-Paneelen über der Beerenanlage vertikal an Drahtseilen aufgehängt. Unter den Modulen ist eine Folie angebracht, welche die Himbeerkulturen wie in üblichen Profi-Anlagen vor Regen schützt. Die vertikale Ausrichtung soll vor allem auch die Morgen- und Abendsonne nutzen, die Module nehmen beidseitig Licht auf. «Diese Lösung ist voraussichtlich die kostengünstigste der drei angewendeten Verfahren», erklärt Heinz Schmid.
Im zweiten System nutzt er Technologie des Schweizer Start-Ups Insolight. Die Stahlträger stecken 1,80 Meter tief in der Erde und tragen die speziellen Solarmodule in einer Höhe von 3,5 Metern. Sie sind nur etwa zur Hälfte mit Solarzellen ausgestattet und lassen damit genug Licht für die Kulturen durch. Die Grundverschattung unter den Modulen beträgt rund 50 Prozent.
Die Anlage ist mit Sensoren ausgestattet, die eine ausgeklügelte Software mit Daten füttern. «Ist zum Beispiel der Lichtsättigungspunkt für die Pflanze erreicht, findet keine Photosynthese mehr statt», erklärt Heinz Schmid. In solchen Momenten schliesst sich der Schirm unter den Modulen, damit diese das reflektierte Licht für die zusätzliche Stromproduktion optimal nutzen können.
Die Jungpflanzen respektive Ruten der Bio-Himbeeren pflanzt Heinz Schmid mit seinen Mitarbeitenden im Frühling direkt in den Boden. Dieser enthält unter anderem viel nährstoffreichen Kompost und wird im Winter wenn möglich mit einer Gründüngung bedeckt, der die Fruchtbarkeit des Bodens aufrechterhält.
Schmid sieht sich zwar als Vorreiter für die Einführung der Agri-PV in der Schweizer Landwirtschaft. «Die Produktion von Himbeeren in hoher Qualität muss aber immer im Vordergrund stehen», sagt er. Für ihn war es deshalb wichtig, dass die Projektleitung bei der bioschmid gmbh blieb: «Es besteht die Gefahr, dass externe Investoren bei der Agri-PV den Fokus zu stark auf den Verkauf des Stroms richten.»
Heinz Schmid ist überzeugt, dass Agri-PV aus ökologischer Sicht Sinn macht: «Die knappe Fläche wird optimal für die Nahrungsmittel- und Energieproduktion genutzt, ohne dass der Boden Schaden nimmt.» Denn sollte sich das Ganze in ein paar Jahren als Blindgänger entpuppen, kann die Anlage rückgebaut und die Fruchtfolgefläche können in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden.
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