Aus Paraguay in die hiesigen Reitställe

Die paraguayische Kleinfabrik Chaco Cuero stellt Reitsättel her, die in Europa und in den USA gefragt sind. Ihre Spezialität sind Massanfertigungen, die per Website konfiguriert werden und in präziser Handarbeit vom Team in Paraguay hergestellt werden.
Zuletzt aktualisiert am 6. März 2025
von Melina Griffin
4 Minuten Lesedauer
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Nichts deutet darauf hin, dass in der unscheinbaren Fabrikhalle Produkte entstehen, die in alle Welt gesandt werden. Rund 70 Arbeitnehmende beziehen jeden Morgen in der Sattlerei ihre Posten in einer der 11 Abteilungen, die sich um die unterschiedlichen Fertigungsschritte kümmern, bis ein Pferdesattel gebrauchsfertig ist.

Die Sattlerei Chaco Cuero, gelegen in Filadelfia im Herzen des Chaco in Paraguay, ist mittlerweile bekannt für ihre handgefertigten, qualitativ hochwertigen Sättel. Seit ihrer Gründung im Jahr 1992 hat sich die Fabrik von der Herstellung traditioneller Westernsättel zu einem vielseitigen Produzenten entwickelt, der Sättel für Barock-, Distanz- und Wanderreiten sowie Western- und Dressurreiten entwickelt.

Und das, obwohl in dieser Region die von den Gauchos traditionellen Leder-Woll-Sättel verwendet werden und ausser Sport-Dressurreitern sonst niemand einen «normalen» Sattel in der Sattelkammer hat.

 

Vom Schreiner zum Sattler

Wilmar Duerksen wurde 1992 von einem Deutschen Bekannten gefragt, ob er sich nicht vorstellen könnte, eine Sattelfabrik im Chaco zu führen. Damals war Duerksen als Schreiner bei einem Kleinunternehmen tätig und hatte keine Kenntnisse als Sattler. Für elf Monate ging er dann zu einem Partner der Sattlerei Deuber nach Deutschland, um da das Handwerk der Sattlerei zu erlernen.

«Das war eine Schnellbleiche, ich habe einfach alles aufgesogen, das ich in Deutschland vom Sattlermeister gelernt hatte», so Duerksen. Er kam zurück und leitete ab dem nächsten Jahr die Produktion mit sechs Mitarbeitern, nachdem passende Maschinen in den Chaco geschickt worden waren.

Das Geschäft lief, und nach einer kurzen Pause kam Wilmar Duerksen wieder zu Chaco Cuero zurück und führt nun seit 2017 die Sattlerei.

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Arbeiterinnen und Arbeiter in der Fabrik Chaco Cuero passen Sattelbäume an Kundenwünsche an. (mg)

Alles auf Mass

Jeder Sattel, der die Fabrik verlässt, ist spezifisch auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten. Inspiriert von den Designs auf der Website des Vertreibers in Deutschland oder in den USA oder nach einem Besuch auf einer Messe setzen sich Kundinnen und Kunden mit Händlern der Firma deuber oder dps saddlery in Kontakt.

Damit der Sattel sowohl ans Pferd als auch an den Reiter angepasst ist, muss eine professionelle Vermessung durchgeführt werden. Der Grundstein eines Sattels ist der sogenannte Sattelbaum, eine stabile Struktur aus Holz oder Kunststoff. Er gewährleistet die Form und Stabilität des Sattels und verleiht die richtige Passform sowohl für das Pferd als auch für die Reiterin.

Es gibt aber auch Reiterinnen und Reiter, die auf den Sattelbaum verzichten möchten. Chaco Cuero bietet auch verstellbare Sattelbäume an, sodass der Sattel anschliessend immer wieder an verschiedene Pferde angepasst werden kann.

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Ein paraguayischer Gaucho mit seinem Pferd, das einen traditionellen «Recado» trägt. Dieser besteht aus verschiedenen Schichten von Ledern, wo die Steigbügel oder der Bauchgurt dranhängen, Schafwolle und Filzpads und ist kein Sattel im herkömmlichen Sinne. (mg)

Leder wird importiert

Wenn diese Entscheidung steht, geht es ums Design. Unzählige Farben fürs Leder stehen zur Auswahl, sowohl beim Glattleder als auch beim «rough out», dem Wildleder, das zurzeit sehr im Trend liegt, wie die Lagerleiterin Conny Goerzen sagt.

Sie sorgt dafür, dass immer genügend Material da ist. Pro Sattel werden zwei bis drei Rinderhälften Leder benötigt. Das Leder kommt aber nicht wie erwartet aus dem Rinderland Paraguay, sondern wird aus Argentinien, Mexiko und den USA sowie das Polsterleder aus Deutschland importiert.

«Hier in Paraguay wird zwar auch Leder gegerbt, allerdings können wir qualitätshalber nur die Rohhaut aus Paraguay beziehen, die wir für Verzierungen brauchen», so Goerzen. Auch die Ösen, Schnallen und Silberdetails werden aus Fernost, den USA oder Mexiko importiert.

Weil immer alles Material griffbereit sein muss, ist das Lager von Chaco Cuero riesig, und dank der Organisation von Goerzen auch übersichtlich. «Ich habe alles geordnet, sodass ich überhaupt eine Übersicht habe über das Material!», sagt die ausgebildete Krankenschwester.

  • In der Ausstellungskammer werden die Sättel nochmals mit der Bestellung verglichen. Mitarbeitende aus der Qualitätskontrolle überprüfen, ob alle Details eingehalten wurden, ehe die Sättel versendet werden. (mg)
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  • Dieser Sattelbaum aus Kunststoff hat seine schlussendliche Form erreicht. Nun kann er mit Leder bezogen werden. (mg)
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Aschenbecher im Sattelhorn

Nebst dem Leder können auch die Fadenfarbe und Details wie Randverzierungen, Fransen und Ösenfarbe ausgewählt werden. Selbst das Horn vorne auf dem Westernsattel kann auf den Kunden angepasst werden. «Wir hatten einmal einen Kunden, der einen Aschenbecher darin wollte», erzählt Goerzen.

Oder aber sie wollen das Farm-Logo in den Sattel eingepunzt haben. Um diesen Kundenwünschen prompt nachzukommen, braucht es qualifiziertes Personal. Einige der Arbeiterinnen und Arbeiter sind schon fast 20 Jahre mit dabei und haben sich in dieser Zeit spezialisiert. Angefangen bei den Arbeitern, die die Lederhälften anzeichnen und ausstanzen zu denjenigen, die die Sattelbäume in die gewünschte Form bringen bis hin zu den Näherinnen, die das dicke Leder mit Industrienähmaschinen perforieren. Oder die Punziererinnen, die mit viel Geduld Schritt für Schritt ein Muster in eine Lederfläche punzen.

 

Nachfrage wegen Wirtschaftslage rückläufig

Aufgrund der wirtschaftlichen Lage musste die Fertigung in den letzten Jahren um etwa 40 Prozent reduziert werden. Gegenwärtig werden um die 200-300 Sättel im Monat gefertigt und exportiert, je nach Saisonverlauf. Rund 40 Prozent davon sind Western, 40 Prozent Barock und 10 Prozent englische Sättel.

In fünfzehn bis zwanzig Tagen ist der Sattel in der Regel fertig. Aber von der Bestellung bis zum fertigen Produkt muss der Kunde in Europa oder Nordamerika etwa zwölf Wochen Geduld haben, inklusive Transport. Weil die Produktion international ist und viele Arbeitsschritte beinhaltet, ist Romy Goerzen davon überzeugt, dass das penible Übersetzen der Bestellungen am wichtigsten ist. «Wir wollen garantieren, dass die Sättel den Kundenwünschen entsprechend gefertigt werden.»

Das Punzieren

Punzieren ist eine Technik in der Lederbearbeitung, bei der mit speziellen Werkzeugen Muster oder Designs in das Leder geprägt werden. Diese Werkzeuge, genannt Punziereisen, werden verwendet, um dekorative und detaillierte Verzierungen auf der Oberfläche des Leders zu erstellen.

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Durch die schrittweise Punzierung entsteht ein dekoratives Muster. Präzision ist gefragt. (mg)