Wegen tieferem Selbstversorgungsgrad: Es braucht weniger Schweizer Zucker für Swissness
«Das letzte Jahr war zum Vergessen. Schlechter geht gar nicht», sagte Martin Flury, Präsident des Schweizerischen Verbandes der Zuckerrübenpflanzern an der Delegiertenversammlung in Bern. Dennoch seien viele Rüben nach Frauenfeld und Aarberg geliefert worden, wenn auch nicht mit der gewünschten Qualität. «Aber fürs Wetter kann die Branche nichts», sagte Flury, verbunden mit der Hoffnung auf gnädigeres Wetter im Jahr 2024.
«Gefahr, dass die Industrie vermehrt auf Importzucker setzt»
Die tiefere Produktion wirkt sich auf die Swissness-Regeln aus. Weil gemäss den neuesten Berechnungen der Selbstversorgungsgrad für Zucker unter die Marke von 50% gefallen ist, können die Swissness-Regeln nun bereits erfüllt werden, wenn nur 40% des Zuckers in einem Produkt aus der Schweiz stammt. Solange der Selbstversorgungsgrad über 50% gelegen hatte, mussten 80% aus der Schweiz stammen.
«Das birgt natürlich die Gefahr, dass die Industrie vermehrt auf Importzucker setzt», sagt Andreas Blank, VR-Präsident der Schweizer Zucker AG. Mit guten Ernten kann der Wert allerdings rasch wieder über die 50% klettern. «Unser Ziel ist klar, dass wir den Selbstversorgungsgrad wieder steigern können», stellt Andreas Blank klar.»
So fliesst der Selbstversorgungsgrad in die Swissness-Regeln ein
Der SVG berechnet sich jährlich als Durchschnitt aus drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren. Grundsätzlich müssen 80% der Rohstoffe eines Produkts mit Herkunftsbezeichnung Schweiz auch aus der Schweiz stammen. Bei ungenügend verfügbaren Rohstoffen ändert sich dies. So muss ein Rohstoff nur zur Hälfte angerechnet werden, wenn der Selbstversorgungsgrad zwischen 20 und 49,9% liegt – wie jetzt beim Zucker der Fall. Bei unter 20% muss er gar nicht angerechnet werden.
SBR-Fälle in der Ostschweiz
Neben dem Wetter – und teils auch als Folge davon – müssen die Rübenpflanzer auch den Schädlingen eine immer grössere Aufmerksamkeit schenken. So trat letztes Jahr erstmals der Rübenrüssler auf, ein Schädling nordafrikanischer Herkunft, der erstmals in der Westschweiz entdeckt worden ist. Dank der guten Zusammenarbeit zwischen SVZ, der Fachstelle für Zuckerrübenanbau und der Schweizer Zucker AG habe man schnell reagieren können, erklärte Martin Flury. Der Rübenrüssler liebe Hitze und Trockenheit. «Wir hoffen, dass er sich nicht weiter ausbreitet», so Flury.
Weiter ausgebreitet hat sich hingegen das Syndrome des basses richesses (SBR), das für einen tiefen Zuckergehalt sorgt. Wie Luzi Schneider, Leiter der Fachstelle Zuckerrübenanbau, erklärte, wurde letztes Jahr SBR erstmals bei vier Proben erkrankter Pflanzen in der Ostschweiz nachgewiesen. Bisher war es nur in der Westschweiz aufgetreten, wo es für tiefer Zuckergehalte in den Pflanzen sorgte.
Gemäss Raphael Wild von der Schweizer Zucker AG wäre es aber spekulativ, wegen den SBR-Funden in der Ostschweiz bereits von negativen Auswirkungen auszugehen. «Ein solcher Fund bedeutet nicht automatisch eine ‘invasive’ Ausbreitung der Krankheit», so Wild. Denn die Ausbreitung werde von vielen Faktoren wie Wetter, Klima, Wind und Feuchtigkeit beeinflusst. Wichtig sei aber, dass man die Sache im Auge behalte und auch zum Thema SBR in der Ostschweiz wachsam bleibe.
Bio soll gestärkt werden
Bio-Zucker ist gefragt. Um im Bio-Bereich vorwärts zu machen, wählten die SVZ-Delegierten mit Martin Jost einen Bio-Produzenten in den Vorstand. Jost bewirtschaftet einen Betrieb in Marthalen im Kanton Zürich, wo er mit neuester Technik arbeitet: Der Roboter Farmdroid sorgt dafür, dass die Handarbeitsstunden beim Zuckerrüben-Anbau massiv reduziert werden konnten. Eingesetzt wird er beim Säen und Hacken.
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