Zukunft der Landwirtschaft im Drei-Seen-Land: Ambitionierte Visionen stossen auf Widerstand

Umweltverbände enthüllen ihre «Vision 3-Seen-Land 2050» für eine nachhaltige Landwirtschaft im Berner Seeland. Die ambitionierten Pläne stossen jedoch auf Skepsis, insbesondere von landwirtschaftlichen Verbänden wie ProAgricultura Seeland. Die Debatte dreht sich um die Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Massnahmen und betont die Notwendigkeit einer gemeinsamen Herangehensweise für die Zukunft der Region.
Zuletzt aktualisiert am 25. August 2023
von Renate Hodel
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Acker Seeland Jin

Diese Woche haben Birdlife, Pro Natura, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, der Fischereiverband sowie WWF Schweiz ihre «Vision 3-Seen-Land 2050» vorgestellt. Im Berner Seeland zwischen Murten-, Neuenburger und Bielersee hätten Umweltprobleme ein grösseres Ausmass als bisher erkannt, weshalb die Umweltverbände basierend auf ihrer gleichnamigen Projektstudie nun Lösungsansätze für eine klimaresistente, ökologische und produktive Landwirtschaft im 3-Seen-Land vorgestellt haben: So planen die fünf Umweltorganisationen eine ambitionierte Wiederbelebung der Flusslandschaften, Auen sowie die Schaffung zusätzlicher Hecken und Teiche und verlangen von den Landwirtinnen und Landwirten eine Anpassung ihrer Anbauverfahren und Pflanzenvielfalt.

Fokus auf pflanzliche Ernährung und umweltfreundliche Anbaumethoden

Unter anderem sind die Umweltorganisationen davon überzeugt, dass die Landwirtschaft in Zukunft weniger Ackerland benötige, um die Bevölkerung zu ernähren, und dass Lebensmittelverluste um die Hälfte reduziert werden könnten. Dies werde durch eine verstärkte pflanzliche Ernährung begünstigt, die den Anbau von Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Getreide fördere. Entsprechend sollen sich die bäuerlichen Betriebe im Drei-Seen-Land grundlegend anpassen und zukünftig primär nur noch pflanzliche Produkte unter schonende Anbaumethoden wie Direktsaat, Permakultur und Agroforstwirtschaft anbauen. Und auf den Moorböden und degradierten Flächen sollen neue Feuchtgebiete und extensiv genutzte Flächen geschaffen werden.

Die Umweltorganisationen beabsichtigen, diese Ideen in Zusammenarbeit mit anderen regionalen Interessengruppen weiter auszuarbeiten. Um die Ziele zu erreichen, setzen die Umweltschutzorganisationen auf steuernde Massnahmen der öffentlichen Hand. Der beträchtliche Anteil an öffentlichem Land in der Region biete Raum für umweltfreundlichere landwirtschaftliche Praktiken: Zusätzliche Direktzahlungen und gezielte Bewirtschaftungsvorgaben sollen diese Umstellung unterstützen und gleichzeitig die Wertschöpfung steigern, so die Umweltorganisationen.

Pläne stossen auf Gegenwind

Diese Pläne zur Neugestaltung der Landwirtschaft im Drei-Seen-Land werden insbesondere von ProAgricultura Seeland allerdings skeptisch betrachtet. Während Visionen für die Zukunft wichtig seien, endeten die Gemeinsamkeiten zwischen den fünf Umweltorganisationen und ProAgricultura Seeland hier, schreibt die Landwirtschaftsorganisation in einer Mitteilung. Die vorgeschlagenen Visionen für das Drei-Seen-Land werden als praxisfremd angesehen: Sie seien von Personen entwickelt worden, die wenig Bezug zur praktischen Landwirtschaft haben. Bedauerlicherweise seien auch die direkt betroffenen Landwirtinnen und Gemüseproduzenten dabei nicht einbezogen worden und die Anforderungen des Marktes völlig ausser Acht gelassen.

So würden sich die Landwirtinnen und Landwirte sowie die Gemüseproduzenten im Seeland hauptsächlich nach den Marktanforderungen richten und Lebensmittel produzieren, die gefragt seien und eine verkaufsfähige Qualität aufweisen würden. Vor einer Änderung des Anbaus müssten in erster Linie die Konsumenten umerzogen werden, so ProAgricultura Seeland. Und bereits heute gebe es im Seeland mehr als 100 Hektar ökologische Flächen in Form von Biotopen, natürlichen Hecken, ökologischen Wäldern und naturnahen Wiesen, für die der Biotopverbund Grosses Moos verantwortlich sei.

So betont ProAgricultura Seeland, dass der Weg in die Zukunft des Drei-Seen-Lands nur durch eine gemeinsame Herangehensweise der direkt betroffenen Landwirtinnen und Landwirte, Gemüseproduzenten und Umweltverbände gefunden werden könne. Die extremen Anforderungen, wie sie in der Vision für das Drei-Seen-Land formuliert seien, würden darum als wenig förderlich betrachtet. Nur ein gemeinsamer Ansatz und vor allem ein tieferes Verständnis für die Belange der Landwirtschaft könnten der Weg zu einer erfolgreichen Zukunft für das Seeland sein.